Elektrofahrräder boomen: Mehr als eine halbe Million Deutsche setzt bereits auf das bequeme Radfahren mit Motor. Versichert sind längst nicht alle von ihnen. Ein existenzielles Risiko. Was Radfahrer wissen sollten.
In der Rubrik "Der Streitfall des Tages" analysiert Handelsblatt Online eine Gaunerei oder ein Ärgernis aus Bereichen des Wirtschaftslebens. Betroffene erhalten konkrete Unterstützung, können ihren Fall öffentlich machen und mit Gleichgesinnten diskutieren. Illustration: Tobias Wandres.
Der Fall
Rasende Radfahrer – das waren lange Zeit vor allem athletische Sportler auf sündhaft teuren Rennrädern – gut erkennbar an ihren rasierten Beinen, hautengen Trikots und der obligatorische Trinkflasche Doch die Zeiten ändern sich. Immer häufiger überraschen auch Fahrrad fahrende Businessfrauen, Mütter mit Kinderanhängern oder Senioren mit Schiebermütze durch bemerkenswertes Tempo. Ein Rentner mit fast 50 Sachen? Durchaus denkbar.
Möglich machen diese Entwicklung sogenannte Pedelecs, also Fahrräder mit eingebautem Elektroantrieb (Pedal Electric Cycles). Auf den ersten Blick sind sie von herkömmlichen Drahteseln kaum zu unterscheiden. Doch der Schein trügt. Dank ihres Motors beschleunigen die getunten Räder auf bis zu 25 Stundenkilometer, ohne dass der Fahrer sich besonders verausgaben muss.
Dass Pedelec-Piloten trotz ihres hohen Tempos so entspannt im Sattel sitzen, hat allerdings auch Nachteile. Fußgänger und Autofahrer unterschätzen häufig die Geschwindigkeit der Elektroradler. Eine Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV) belegt: Pedelecs sind eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer und den Fahrer selbst – auch in finanzieller Hinsicht. Denn private Haftpflichtpolicen stehen längst nicht immer für die Folgen eines Pedelec-Crashs gerade. Ein existenzielles Risiko.
Die Relevanz
Fahrräder mit eingebautem Rückenwind werden in Deutschland immer beliebter. Wurden im Jahr 2009 noch rund 150.000 Stück verkauft, stieg der Absatz nach Angaben des Zweirad-Industrie-Verbandes (ZIV) im Jahr 2010 bereits auf 200 000. Für das Jahr 2011 gehen die Experten von 300.000 verkauften Rädern aus. Insgesamt sind auf deutschen Straßen und Radwegen derzeit an die 600.000 Pedelecs unterwegs. Experten gehen davon aus, dass die Zahl weiter steigt: „Die meisten Fahrradfahrer über 55 Jahre kaufen heute Pedelecs“, sagt ADAC-Präsident Peter Meyer.
Trotz des Booms bewegen sich die Fahrer in einer rechtlichen Grauzone. Vor allem die Frage, ob und wie sie im Fall eines Unfalls versichert sind, beantwortet Allianz & Co. derzeit höchst unterschiedlich. Juristen des ADAC verlangen daher vom Gesetzgeber, die Unklarheiten so schnell wie möglich zu beseitigen, Pedelecs im Gesetz als Fahrräder zu definieren und Rechtssicherheit für alle Verkehrsteilnehmer zu schaffen. Derzeit stellen die Juristen ihre Vorschläge auf dem 50. Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar zur Diskussion.
Die Gegenseite
Im Bundesverkehrsministerium nimmt man die Anregungen des ADAC zwar zur Kenntnis und räumt auf Anfragen von Handelsblatt Online einen gewissen Handlungsbedarf ein. Versicherungsfragen, so ein Sprecher, fielen allerdings per se erst einmal nicht in den Zuständigkeitsbereich des Bundesverkehrsministeriums.
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Kommentare (5)
JaKop
26.01.2012, 10:18 Uhr
Warum soll ein Pedelec ein Fahrrad sein? Als Fahrrad mit Hilfsmotor ist ein Pedelec ein Mofa. Damit wäre die Einstufung klar, es braucht ein kleines Nummernschild und muss entsprechend versichert werden, Helmpflicht gilt entsprechend - hier könnte man ja ggf. Fahrradhelme (auch für Mofas) zulassen.
Aquarius
26.01.2012, 11:48 Uhr
In dem Artikel wird bis zum Schluss verschwiegen, dass es keine Versicherungsprobleme mit dem weitaus größten Teil der Pedelecs gibt, nämlich den "normalen" Pedelecs bis 25 km/h und ohne Anfahrhilfe - Motto: Hauptsache Alarm schlagen und möglichst viele Klicks provozieren, Information ist Nebensache.
catweezle
26.01.2012, 12:29 Uhr
In meiner Familie haben wir 2. Beide von Aldi eines mit, eines ohne Anfahrhilfe. Für mich war der Artikel interessant. Werde bei meiner Haftpflicht nachfragen.