
Der französische Finanzminister Francois Baroin (links) und Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble.
Bild: AFP
Deutschland und Frankreich nähern sich bei der Steuer auf Finanztransaktionen weiter an. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gab nach dem deutsch-französischen Wirtschafts- und Finanzrat in Paris zu erkennen, dass es zumindest anfangs in Richtung einer Börsenumsatzsteuer gehen könnte, falls die ehrgeizigere "große" Transaktionssteuer mit allen 27 Mitgliedern nicht zustande kommt. Gut gelaunt und sichtbar entschlossen, besonders harmonisch aufzutreten, äußerten er und sein französischer Kollege Francois Baroin vor der Presse. Die Kooperation ist offenbar so vertrauensvoll, dass Schäuble sogar für Baroin verkündete, die französische Seite arbeite bereits an einer Börsensteuer ähnlich dem britischen Modell als "erstem Schritt".
Baroin selber zog es vor, zu dem Thema nur zu bemerken, die dänische EU-Präsidentschaft sei aufgefordert, den Anwendungsbereich und den Satz der Steuer zu präzisieren, zu den nationalen Vorarbeiten aber zu schweigen: In Frankreich ist das vermintes Gelände, da Präsident Sarkozy die Transaktionssteuer zu einem seiner Steckenpferde im Wahlkampf gemacht hat, während das Finanzministerium die Wirkungen auf den Finanzplatz Paris und die Konkurrenz in London im Auge hat, die es nicht indirekt stärken möchte.
Was ist die Transaktionssteuer?
- Worin besteht eine Transaktionssteuer?
Mit der Steuer soll jeder einzelne Handel fast aller Finanzprodukte belegt werden - von Aktien über Devisen bis hin zu Spekulationspapieren. Die EU-Kommission will einem Vorschlag vom Herbst zufolge die Transaktionen zwischen Finanzinstituten wie Banken, Versicherungen oder Investmentfonds besteuern. Durch die Steuer sollen Spekulationen eingedämmt und die Finanzbranche stärker an den Kosten der Krise beteiligt werden.
- Was soll wie hoch besteuert werden?
Länder wie Deutschland oder Frankreich haben noch keine konkreten Steuersätze genannt. Dem Vorschlag der EU-Kommission zufolge soll die Steuer auf Geschäfte mit Aktien und Anleihen 0,1 Prozent betragen, der Satz für den Derivatehandel soll bei 0,01 Prozent liegen.
- Wie hoch sind die Erlöse?
Die EU-Kommission rechnet bei ihrem Vorschlag mit Erlösen von rund 57 Milliarden Euro im Jahr, wobei eine Einführung in allen 27 EU-Ländern angestrebt ist. Bei einem weltweiten Steuersatz von 0,05 Prozent kämen laut Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam bis zu 400 Milliarden Dollar (310 Milliarden Euro) jährlich zusammen; allein für Deutschland wird Attac zufolge je nach Steuersatz und Schätzung mit zwölf bis 36 Milliarden Euro gerechnet.
- An wen geht das Geld?
Umstritten ist die Verwendung der Einnahmen: Die Brüsseler Behörde will die Milliarden zwischen ihr und den Mitgliedsländern aufteilen. Nichtregierungsorganisationen befürchten, dass die verschuldeten Euro-Länder die Milliarden für ihre Haushalte kassieren, statt das Geld etwa für die Entwicklungshilfe zu verwenden, wie dies ursprünglich die Idee der Steuer war.
- Welche Länder blockieren bei der Steuer?
Staaten wie die USA oder Großbritannien sind strikt dagegen; London fürchtet Nachteile für seinen Finanzplatz. Jetzt wollen elf EU-Länder voran gehen, darunter Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien.
Schäuble zufolge wird jetzt schnell in Brüssel politisch geklärt, ob es eine Übereinstimmung gibt oder nicht. "Sollte das nicht der Fall sein, muss in Berlin die Koalition entscheiden - Paris ist hier bereits ein Stück weiter", räumte der Minister neidlos ein. Entschieden werden solle, ob man "die Transaktionssteuer nur im Euroraum" verfolgt oder "anlehnend an die Börsensteuer wie in Großbritannien" vorgehe. Den zweiten Weg verfolge Baroin - als ersten Schritt - bis die umfassendere Transaktionssteuer komme.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese hohe Abgabe vor allem diskutiert wird, weil in Frankreich Wahlen bevorstehen, ihre wirkliche Einführung aber noch sehr lange dauern könnte und die deutlich begrenztere Börsensteuer immer mehr in den Vordergrund rückt. In Notenbankkreisen hieß es, man teile nicht die Unbekümmertheit von EU-Kommissar Barnier, der den Verlust von bis zu 80 Prozent des Geschäftes mit anspruchsvollen Finanzprodukten im Gefolge der Steuer in Kauf nehmen wolle.
Sloterdijk zur Krise
Ein Philosoph redet Klartext
Zur Harmonisierung der Körperschaftsteuer zwischen Deutschland und Frankreich soll dem Treffen der beiden Regierungen am 6. Februar ein umfassender Zwischenbericht vorgelegt werden. Baroin sagte, man habe bereits die Inhalte identifiziert, bei denen beide Länder übereinstimmten. Er nannte unter anderem die Behandlung von Rückstellungen. Außerdem gebe es Themen, die von der Harmonisierung ausgeschlossen bleiben sollen, laut Baroin vor allem die französische steuerliche Forschungsförderung. Weitere Arbeiten müssten die Experten bei den Komplexen Zinsabzug, Abschreibungsregelungen und Behandlung von Dividenden leisten - die Aufzählung ist nicht vollständig. Die Harmonisierung der Körperschaftssteuer ist eines der wichtigsten Projekte zur Vorbereitung des 50. Jahrestags der Elysée-Verträge 2013.
Die 10 Gebote für die Euro-Zone
- 1. Du sollst nicht über deine Verhältnisse leben
Kein Staat darf sein Defizit über drei Prozent der Wirtschaftsleistung steigen lassen. Tut er es doch, wird automatisch eine Geldstrafe gegen ihn verhängt.
- 2. Du sollst gerechte Strafen nicht verhindern
Der EU-Finanzministerrat darf Strafverfahren gegen Haushaltssünder nur noch in absoluten Ausnahmefällen stoppen - und dann nur mit Zweidrittelmehrheit. Das wird im neuen EU-Vertrag von Lissabon festgeschrieben.
- 3. Du sollst Rücksicht auf nachfolgende Generationen nehmen
Jeder Euro-Staat muss eine Schuldenbremse in seiner Verfassung verankern. Der europäische Pump-Kapitalismus gehört der Vergangenheit an.
- 4. Du sollst Ehrfurcht vor dem Europäischen Gerichtshof haben
Euro-Länder, die die Schuldenbremse nicht vorschriftsgemäß in ihrer Verfassung verankert haben, können vor dem europäischen Gerichtshof verklagt werden. Damit bekommt Europa in Finanzfragen Vorrang vor den Nationalstaaten.
- 5. Du sollst Investoren nicht verunsichern
Der griechische Schuldenschnitt bleibt ein einmaliger Sündenfall, der sich nicht wiederholen darf. Rechtsicherheit für Investoren wird im Gründungsvertrag des permanenten Euro-Rettungsschirms ESM festgeschrieben.
- 6. Du sollst für Wirtschaftswachstum sorgen
Die Euro-Zone bekommt eine echte Wirtschaftsregierung: Die Regierungschefs der Mitgliedstaaten treffen sich jeden Monat zu einem Gipfel, um ihre Wirtschaftspolitik zu koordinieren und das Wachstum gemeinsam anzukurbeln.
- 7. Du sollst die Unabhängigkeit der EZB achten
Die Europäische Zentralbank ist und bleibt unabhängig. Sie entscheidet selbst, ob und wie viele Staatsanleihen sie ankauft. Die Regierungen der Euro-Zone äußern sich dazu nicht.
- 8. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Geld
Euro-Bonds sind nicht geeignet, die Schuldenkrise zu lösen. Sie werden vorläufig nicht eingeführt. Jeder Euro-Staat haftet weiter individuell für seine Schulden.
- 9. Du sollst auf die großen Volkswirtschaften hören
Deutschland und Frankreich übernehmen als größte Volkswirtschaften de facto die politische Führung in der Euro-Zone. Das steht so nirgends, wird aber von fast allen akzeptiert.
- 10. Du sollst das Kerneuropa als neue Wirklichkeit anerkennen
Die Euro-Zone marschiert voran in Richtung Fiskalunion und lässt dabei notfalls die zehn Nicht-Euro-Länder hinter sich. Wenn EU-Vertragsänderungen nicht mit allen 27 Staaten machbar sind, werden sie eben von den 17 Euro-Ländern allein beschlossen.
Kommentare (2)
www.steuerembargo.co.de
23.01.2012, 16:51 Uhr
Ich bin sicher eine Transaktionssteuer wird kommen und zwar als Transaktionssteuer für E-Mails und für SMS!
Damit bleibt man in der Terminologie, belastet aber diejenigen, die sich schon aus Tradition nicht wehren! Bravo, gut gemacht Politik, nehmt, wo es am Einfachsten ist, denn sie haben es wirklich nicht anders verdient!
Mazi
23.01.2012, 18:39 Uhr
Wenn Schäuble feststellt, dass Paris schon etwas weiter ist, dann ist dem nicht zu widersprechen. Frankreich steht vor Wahlen.
Auch Deutschland sollte neu wählen. Es ist dringender denn je. Das Wahlvolk hat einiges aufzuarbeiten.