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12.01.2023

16:57

„Art SG“

Neue Messe will den Kunstmarkt Südostasiens erschließen

Von: Stephanie Dieckvoss

Die erste Ausgabe der Messe „Art SG“ in Singapur bedient Sammlerinnen und Investoren aus ganz Südostasien. Doch sie trennt günstige regionale Kunst von der internationalen Hochpreiskunst.

Blick auf den Stand der Galerie neugerriemschneider mit einem großen Bild von Yayoi Kusama Galerie neugerriemschneider

Eindrücke von der „Art SG“ in Singapur

Blick auf den Stand der Galerie neugerriemschneider mit einem großen Bild von Yayoi Kusama

Singapur Der Enthusiasmus spiegelt sich in den Gesichtern von Ausstellern und Besuchern der neu gegründeten „Art SG“ in Singapur: Die Kunstwelt in Asien ist endlich wieder offen. Sogar Chinesen können nun nach der Aufhebung der Corona-Restriktionen wieder anreisen, um Kunst zu erleben und zu kaufen. Für viele der westlichen Aussteller ist es das erste Mal, dass sie nach der Pandemie wieder in Asien präsent sind. Alle hoffen, an alte Kontakte anzuknüpfen und neue Beziehungen zu etablieren.

Auch die Veranstalter sind erleichtert. Der Aufbau der neuen Messe im Kongresszentrum des Tourismusmagneten Marina Bay Sands in der Mitte des Stadtstaates ging effizient vonstatten. Die Messe sieht professionell aus und die Besucher erscheinen am Eröffnungstag zahlreich.

164 Galerien aus 35 Ländern hat der Mitgründer der Messe, Magnus Renfrew, aus der ganzen Welt zusammengetrommelt. Oft mit guten Tipps, welche Art von Kunst die Galeristen mitbringen sollten. Einige Galerien folgen Renfrew und seinen Messen fast schon gläubig. Die Energie, die der Engländer in die Erweiterung des Kunstmarktes in Asien steckt, ist in der Tat bewundernswert.

Nach „Taipeh Dangdai“, einer neuen Messe in Taiwan, wird in diesem Sommer „Tokyo Gendai“ eröffnen. Organisiert werden sie von der Firma „Art Assembly“, zu der neben Renfrew noch Tim Etchells und Sandy Angus gehören. Auch die Schweizer MCH Group hält 15 Prozent Anteile an der Art SG.

Als Teil einer regional fokussierten Strategie soll mit Singapur der südostasiatische Markt erschlossen werden. Nach dem ersten Messetag verkündet Renfrew emphatisch: „Die erste Edition der Art SG repräsentiert den Anfang eines neuen Kapitels für die Kunstszene in Singapur und in Südostasien.“

Das Interesse an dem weiteren südostasiatischen Raum - bisher durch den Chinafokus vernachlässigt - ist das Motiv für viele der internationalen Galerien, die an der Messe teilnehmen. Martin Klosterfelde von Skarstedt beschreibt sowohl Messe als auch Region als „frisch, neu und voller Möglichkeiten“.

Die jüngsten Gemälde des Künstlers finden sich auf der Singapurer Messe auf dem Stand von Albertz Benda, New York, Los Angeles.

Devon DeJardin

Die jüngsten Gemälde des Künstlers finden sich auf der Singapurer Messe auf dem Stand von Albertz Benda, New York, Los Angeles.

Für Ken Tan, Direktor bei Lehmann Maupin, ist Singapur eine Stadt der Investoren und Knotenpunkt für Kunden aus Thailand, Vietnam, Malaysia, Indonesien und Australien. Die Galerie verkaufte in den ersten Stunden vier neue Arbeiten der in London lebenden Malaiin Many El-Sayegh für zusammen 335.000 US-Dollar.

Johann König aus Berlin verkaufte auch schnell drei Arbeiten, darunter eine Alicja Kwade-Skulptur an eine lokale Sammlung. Karsten Greve berichtet von einem frühen Verkauf einer abstrakten Komposition des Chinesen Ding Yi, mit dem die Galerie seit zehn Jahren arbeitet.

Etablierte Galerien sind im Untergeschoss platziert, die jüngeren auf einer weiteren Etage. Eine Zweiteilung, die man bedauern kann, da der Austausch zwischen westlichen und asiatischen Galerien nicht befördert wird. Sie ist aber auch hilfreich, da beide Etagen unterschiedliche Preisniveaus bedienen.

Von den Galerien aus Singapur gehört Gajah zu den etablierten. Die Galerie unterstützt seit 25 Jahren zeitgenössische Kunst vor allem aus Indonesien, wo sie ein Labor und eine Gießerei betreibt. Sie verkaufte bereits Bronzen von Yunizar und Wandreliefs von Jane Lee.

Diese Reflexion europäischer Malerei verkauft sich in Singapur für 95.000 US-Dollar. Gallery Michael Ku

Wei Jia „Secret Garden“

Diese Reflexion europäischer Malerei verkauft sich in Singapur für 95.000 US-Dollar.

Die meisten regionalen Galerien stellen im Obergeschoss Arbeiten aus, deren Preise zwischen 5000 und 20.000 US-Dollar liegen und eher für den Hausgebrauch geeignet sind. Handliche Formate, helle Farben und oftmals Figuration und Pop stehen dabei im Vordergrund. Allen Ausstellern merkt man an, dass sie auf Nummer sicher gehen wollen. Man hat keine Zeit mehr, langfristig einen Markt aufzubauen; finanzielle Erfolge sollen idealerweise sofort erfolgen. Daher ist es auch nicht einfach, Entdeckungen zu machen, es gibt einfach zu viel Kunst zu sehen.

Die SAC Gallery aus Bangkok brachte an Sitzmöbel erinnernde Skulpturen der jungen Künstlerin Kanchalee Ngamdamronk mit. Die als Textildesignerin ausgebildete Künstlerin hat sie mit traditionellen Handwerkern erarbeitet. Der Sammler kann entscheiden, ob er die Arbeiten als Skulpturen platziert oder als Sitzmöbel auch benutzt für Preise zwischen 2500 und 5000 US- Dollar. SAC unterhält neben der Galerie ein privates Museum, ein Programm für Künstlerresidenzen und eine Werkstatt für Restaurierungen. Wenn es wenig Institutionen gibt, muss man sich selbst helfen.

Die Zahl der Galerien in Singapur selbst ist nicht groß. Die strikten sozialen und politischen Strukturen der Stadt sind für eine experimentelle Szene nicht förderlich. Zu den jungen Galerien, die Künstler mit Energie und Passion unterstützen gehört Yeo’s Workshop. Die Galerie zeigt bunte, großformatige Textilarbeiten des Thailänders Santi Wangchuan, die mit einer Größe von 3,5 auf 1 Meter auf traditionelle Webtechniken in Thailand Bezug nehmen und von lokalen Familien gewebt werden (6400 US-Dollar).

Personalie: Art Basel: Marc Spiegler überraschend zurückgetreten

Personalie

Art Basel: Marc Spiegler überraschend zurückgetreten

Marc Spiegler verlässt die MCH Group AG. Sein Nachfolger als CEO der Art Basel wird Noah Horowitz.

Gemeinschaft ist für südostasiatische Kunstschaffende von besonderer Bedeutung. Sowohl junge Künstlerinnen als auch etablierte Künstler produzieren ihre Arbeiten mit Hilfe lokaler Werkstätten, vor allem während der Pandemie, um die oftmals verarmte Bevölkerung zu unterstützen. Thematisch ersetzt die Gemeinschaft die Politik. Es gibt inhaltlich Bezüge zu regionalen Identitäten, sozialen Gruppen oder auch zu Umwelt und Natur, aber keine direkt politische Kunst.

Ansonsten stehen Landschaften im Vordergrund, vor allem die von der daoistischen Harmonielehre Feng Shui inspirierten Formen von Bergen und Wasser wie in den Videoarbeiten von Yang Yongliang bei Sullivan + Strumpf, japanisch inspirierte Popfiguren wie von Made In oder abstrakte Formen, in denen es um malerische Prozesse geht wie bei Grace Wright am Stand der Yavuz Gallery. Die Farben müssen allerdings hell und positiv sein, sonst verkaufen sich die Arbeiten nicht, wie ein Galerist aus Thailand dem Handelsblatt hinter vorgehaltener Hand sagte.

Privatsammler in Singapur und der Region sind sowohl an der Investition in Kunst wie an ästhetischen Aspekten interessiert. Das soziale Leben findet weniger zuhause als in der Öffentlichkeit statt, so dass man mit Kunst zwar das Private verschönern, es aber weniger herzeigen kann. Dafür halten hier weiterhin eher traditionelle Luxusgüter wie Uhren oder Autos her.

Singapur hat das Potenzial eines Hub

Aber langsam scheint der internationale Kunstmarkt anzukommen. Regina Fiorito, Direktorin bei Gisela Capitain, ist dem Handelsblatt gegenüber mit dem ersten Tag der Messe zufrieden. Für die Galerie aus Köln ist Singapur der erhoffte Hub in Asien, da auch sie die Messe in Hongkong nicht mehr unterstützt und Korea nicht genug Umland bietet.

Der Besuch der Art SG zeigt, dass es ein Fehlschluss ist, den weiten asiatischen Raum auf ein „Hongkong gegen Seoul, Singapur oder Tokyo“ zu reduzieren. Dafür sind die Kunst- und Sammlerszenen zu verschieden. Aber man versteht, dass viele nun auf Singapur setzen. Hier ist genug Geld, Sammlerinnen und Sammler kommen aus dem ganzen südostasiatischen Raum. Die Expertise in internationaler Kunst und das institutionelle Umfeld sind vielleicht noch nicht so weit entwickelt wie in Korea oder China, aber das Potenzial ist gegeben.

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