Die Messe „Arte Fiera“ in Bologna muss sich wegen der starken Konkurrenz ungewöhnlich vieler Messen im eigenen Land neu aufstellen. Sie setzt auf die in großer Zahl und hoher Qualität vorhandene italienische Kunst.
Blick auf die Kunstmesse Arte Fiera
Das Publikum ist vor allem an italiensicher zeitgenössischer Kunst interessiert.
Bild: Arte Fiera 2023
La Grassa, die Fette, wird Bologna im Volksmund genannt. Ihre Kunstmesse „Arte Fiera“ immerhin 1974 gegründet, ist über die Jahre hingegen sehr mager geworden, zumindest hinsichtlich der Qualität. Zu lange hatte man unter wechselnden Direktoren auf Masse statt auf Klasse gesetzt. Das ändert sich allmählich.
Mit Simone Menegoi hat die am Sonntag zu Ende gegangene Arte Fiera endlich einen künstlerischen Leiter vom Fach. Der 53-Jährige hat seine Karriere als Kunstkritiker begonnen, bevor er selbstständiger Kurator wurde. Unter anderem war er für eine Messe-Sektion der „Artissima“ in Turin zuständig und übernahm 2018 das Ruder bei der Arte Fiera.
Seiner Initiative ist es etwa zu verdanken, dass Aussteller in der Regel nicht mehr als sechs Positionen zeigen dürfen. Das sorgte schon einmal für etwas Klarheit im Erscheinungsbild. Doch damit sich Bologna zur Arte Fiera bekannte, bedurfte es vermutlich erst des großen Knalls. Der hatte 2022 stattgefunden, als die Messegesellschaft nicht in der Lage war, die Vernissage pünktlich am Vormittag zu eröffnen.
Daraufhin wurde zusätzlich als geschäftsführender Direktor der erfahrene ehemalige Industriemanager Enea Righi (67) angeheuert. Er ist darüber hinaus einer der profiliertesten Sammler zeitgenössischer Kunst in Italien.
Die Aufgabe ist nicht leicht. Mit der Artissima in Turin und „Miart“ in Mailand sind dem ehemaligen Platzhirsch zwei starke Konkurrentinnen erwachsen, abgesehen von kleineren Messen in Florenz und Rom. Menegoi erklärt gegenüber dem Handelsblatt seine Strategie: „Wegen der starken Konkurrenz ungewöhnlich vieler Messen in Italien müssen wir uns spezialisieren. Mailand und Turin konkurrieren miteinander wegen einer ähnlichen Anzahl internationaler Galerien.“
Gerold Miller auf der Arte Fiera
Der deutsche Künstler Gerold Miller hat neben dem Solo-Stand von Artesilva aus Seregno bei Mailand noch eine Ausstellung im privaten Ausstellungsraum "KAPPA-NöUN".
Bild: Arte Fiera
Das Problem sei, dass in Mailand und Turin auch die guten Galerien oft nicht die besten Werke mitbrächten. „Unsere Antwort darauf ist, dass wir die Stärken der italienischen Kunstszene ausspielen.“
Die international bekannten italienischen Galerien halten der Arte Fiera gleichwohl die Treue. So breitet die einheimische Galerie P420 ihr Programm aus. Anders als etwa in Genf oder auf der „Art Basel“, kann sie hier nicht nur ihre jüngeren Künstler zeigen, sondern auch aktuelle Arbeiten von Klassikern wie Irma Blank oder Paolo Icaro. In Italien sei deren Werk bekannt und man müsse den Besuchern nicht erst das historische Werk nahebringen, sagt Direktorin Chiara Tiberio.
Die Wiener Kunstmesse Spark Art Fair findet dieses Jahr nicht statt. Die Absage kam keine zwei Monate vor der Eröffnung. Grund sind lokale Querelen.
Das Preisniveau dürfte auch eine Rolle spielen. Auf den Top-Messen kann und muss man hochpreisig verkaufen. Im Heimatmarkt entspricht man etwa mit den bezaubernden Kleinformaten von Rodrigo Hernández zu 7500 Euro eher der hiesigen Kaufkraft im zeitgenössischen Bereich.
Im Bereich der italienischen Kunst sieht sich Simone Menegoi gut aufgestellt: „Ich muss Sammler nicht von der Qualität italienischer Kunst überzeugen, die ist bekannt. Aber ich muss sie davon überzeugen, dass sie hier hohe Qualität in hoher Dichte finden. Außerdem ist Bologna mit seinen Museen und Privatsammlungen auch darüber hinaus interessant.“ Im Bereich des Kunsthandels profitierten Sammler davon, dass sie hier an der Quelle seien: „Warum in Basel italienische Kunst kaufen, wenn man sie in Bologna 30 Prozent günstiger findet?“
Komplizierter ist die Lage beim internationalen Angebot. Dieses Segment ist nach wie vor die größte Baustelle der Messe. Denn die ausländische Beteiligung ist minimal. Ohne die entsprechende Nachfrage ist es nicht sinnvoll, auswärtige Galerien zu akquirieren.
20 Sammelgebiete werden in der Brüsseler Kunst- und Antiquitätenmesse zu einem abwechslungsreichen Parcours gemischt. Händler für Stammeskunst und Antiken sehen sich kriminalisiert und ziehen sich zurück.
Mario Mazzoli aus Berlin ist mit seiner, bereits in zweiter Generation geführten Galerie dabei, die in Berlin mit Klangkunst handelt; Vater Emilio hatte 1978 in Modena begonnen, Künstler wie Robert Longo, Mimmo Paladino oder Peter Halley zu zeigen. Er galt mit seiner Galerie als Institution. Für sie sei es ein Heimspiel, erklärt Sohn Mario. Während Turin einen internationalen Markt bediene, erreiche man hier die meisten wichtigen italienischen Sammler.
Immerhin scheint dieses Jahr der internationale Zuspruch etwas größer zu sein. Auf Ausstellerseite ist Michaela Stock aus Wien dabei. Sie zeigt hauptsächlich Videos von Performances, schließlich ist Bologna ein historisches Zentrum dieser Kunst. Der deutsche Gerold Miller hat neben dem Solo-Stand von Artesilva aus Seregno bei Mailand noch eine Ausstellung im privaten Ausstellungsraum „KAPPA-NöUN“.
Messe-Manager Enea Righi ist sich des Problems bewusst: „Bevor wir die internationalen Galerien einladen, zurückzukommen, wollen wir die Sammler wieder holen. Dieses Jahr ist uns das mit einigen deutschen und österreichischen Sammlern gelungen.“ Das ist immerhin ein Anfang.
Nächstes Jahr ist das 50-jährige Jubiläum der Arte Fiera. „Das ist ein Anlass, die vielen wichtigen Galerien einzuladen, die hier über die Jahrzehnte ausgestellt haben.“ Righi ergänzt: „Es ist schön, wenn Besucher eine Verbesserung feststellen.“ Das sei das Ziel, aber das brauche Zeit. „Bologna war lange die wichtigste Messe in Italien — dahin wollen wir zurück.“
Sein Wunsch: „Es würde mir sehr gefallen, wenn ich wenigstens drei Jahre Zeit hätte, wie man sie normalerweise für Unternehmen in der Krise hat. Das Ziel ist es, Bologna als eine von drei Messen in Italien zu etablieren: Turin für zeitgenössische internationale Kunst, Mailand als Mix aus internationaler und italienischer Kunst, und Bologna mit ganz klarem Italien-Fokus.“
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