Eine Hälfte der Alten Meister konnte Sotheby’s recht erfolgreich versteigern. Die andere ging für kleinere Beträge wohlfeil weg.
Pieter van Mol „Diogenes mit der Laterne“
Das Meisterwerk war auf mindestens zwei Millionen Dollar taxiert. Nach einem enthusiastischen Duell sprang der Preis auf den neuen Künstlerrekord von 5,8 Millionen Dollar.
Bild: Sotheby's
New York Den ersten Markttest des Jahres für Millionen Dollar-Trophäen hat Sotheby’s mit Bravour bestanden. Das Versteigerungshaus konnte Sandro Botticellis psychologisch einfühlsames Spätwerk „Schmerzensmann“ zu erstaunlichen 45,4 Millionen Dollar brutto weitergeben.
Das hochreligiöse Andachtsbild war um 1500 unter dem Einfluss des fanatischen Bußpredigers Girolamo Savonarola entstanden. Die unveröffentlichte Erwartung hatte bei 30 bis 50 Millionen Dollar gelegen.
Die sehr gut gemanagte Leitauktion „Master Paintings and Sculpture, Part I“ stützte sich am 27. Januar auf ein seit Beginn der Pandemie beliebtes Finanzinstrument, irrevocable bids, unwiderrufliche Gebote. Zum ersten Mal waren zehn von 55 aufgerufenen Losen in einer Altmeisterauktion mit Vorabverkäufen abgesichert worden.
Trotz 14 Rückgängen landeten die eingehämmerten fast 91 Millionen Dollar mitten in den Erwartungen. Insgesamt nahm Sotheby’s in den acht Auktionen der „Masters Week“ (26.-29.1.) für 441 zugewiesene Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen fast 110 Millionen Dollar ein, das zweithöchste Ergebnis der Sparte innerhalb der letzten zehn Jahre.
Christie’s überließ dem Konkurrenten an York Avenue vor sieben Jahren das Feld im Januar, beteiligte sich seitdem nur mit der Online-Auktion „Old Master & British Drawings“, die magere 1,4 Millionen Dollar einfuhr. Sotheby’s hatte allein für „Part I“ Teilnehmer aus 32 Ländern, darunter den bisher höchsten Anteil neuer Interessenten an diesem Sammelgebiet registriert. Es gab vereinzelt russische und auch wieder starke asiatische Beteiligung.
Geschickt richtete sich das Angebot nicht allein an die auf Alte Meister fokussierten Käufer. Überaus erfolgreich war die ungewöhnliche Addition einer 80 Zentimeter hohen ägyptischen Kalksteinfigur eines Schreitenden (späte 5. Dynastie, um 2440-2355 vor unserer Zeitrechnung).
Artemisia Gentileschi
Ihr dunkles Porträt einer jungen Adeligen im üppigen, goldbestickten Gewand (um 1620) wurde von einer US-Sammlung zur unteren Taxe bei 2,7 Millionen Dollar brutto ergattert.
Bild: Sotheby's
Zwar versteigert Sotheby’s seit Dezember 2015 Antiken nur noch in London, aber makellose Provenienz - der Schreitende stand seit 1921 im Museum of Fine Arts Boston und anschließend als Dauerleihgabe im Metropolitan Museum - und die erhoffte Attraktivität für Sammler zeitgenössischer Kunst verwickelte drei Interessenten vom Ausruf bei 2,8 Millionen Dollar in einen dramatisch langgezogenen Wettbewerb. Eine amerikanische Privatstiftung bewilligte schließlich 9,9 Millionen Dollar brutto, den zweithöchsten Auktionspreis für eine ägyptische Antike.
Das Vorbild für solcher Art Sammlungsübergreifende Versteigerung hatte Christie’s 2017 mit dem „Salvator Mundi“ von Leonardo geliefert. Er kam in einer Galaauktion zeitgenössischer Kunst unter den Hammer und erlöste 450 Millionen Dollar.
Neuer Auktionsrekord bei Christie's in New York: Für da Vincis „Salvator Mundi“ hat ein Käufer 450 Millionen Dollar hingelegt – so viel wie noch nie für ein Bild. Das war aber nicht der einzige Rekord an dem Abend.
Unter den Gemälden waren kraftvolle, ansprechende Kompositionen und hervorragender Erhaltungszustand gefragt. Diese Qualitäten konnten auch relativ unbekannten Namen zum Höhenflug verhelfen.
Der nur Wenigen bekannte Flame Pieter van Mol aus dem Rubens-Umkreis war so ein Beispiel. Sein Meisterwerk „Diogenes mit der Laterne“ war auf mindestens zwei Millionen Dollar taxiert. Die relativ selten gemalte antike Episode sprang aber nach einem enthusiastischen Duell auf den neuen Künstlerrekord von 5,8 Millionen Dollar. Kenner spekulieren, das Bild könnte sich nach der Entfernung des vergilbten Firnis“ als ein Werk Jacob Jordaens“ oder gar des jungen Rubens entpuppen.
Das Los war eine von fünf Einlieferungen des Schweizer Finanziers Jacqui E. Safra, der in den 1990er-Jahren Alte Meister zu Top-Preisen erworben hatte. Seit Jahren veräußert er Teile, mit wechselndem Erfolg. Aber letzte Woche setzten sich gleich vier seiner Beiträge unter die ersten zehn und spielten über Erwarten starke 11,4 Millionen Dollar ein.
Rachel Ruysch
Das elegante Blumenstilleben erzielte 370.000 Dollar.
Artemisia Gentileschi, die heute anerkannt wichtigste Künstlerin des 17. Jahrhunderts, war mit zwei Gemälden vertreten, allerdings mit weniger gefragten Sujets. Ihr dunkles Porträt einer jungen Adeligen im üppigen, goldbestickten Gewand (um 1620) wurde von einer US-Sammlung zur unteren Taxe bei 2,7 Millionen Dollar brutto ergattert.
Safra hatte es 1999 weitblickend zu damals starken 155.500 Pfund in London ersteigert. „Die wachsende Nachfrage von Sammlern und auch Museen nach Werken von Künstlerinnen bringt mehr Werke auf den Markt“, so Sotheby’s Spezialistin Calvine Harvey.
Vier Künstlerinnen wurden am Donnerstag angeboten, darunter auch eine der wichtigsten und erfolgreichsten Malerinnen des 18. Jahrhunderts, Anne Vallayer-Coster. Ihr schönes Blumenstillleben, eines der letzten Großformate in Privathand, setzte bei der unteren Taxe von 1,8 Millionen Dollar brutto ihren neuen Rekord.
Ein weiteres Highlight der Auktion war das im vergangenen Januar von der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden an 20 Erben des Pariser Bankiers Jules Strauss zurückgegebene Bild „Portraet einer Dame als Pomona“ (1714) von Nicolas de Largillière. Brooke Lampley, Chairman and Worldwide Head of Sales for Global Fine Art, konnte es gegen nur einen Mitbewerber zur unteren Taxe bei 1,23 Millionen Dollar brutto für ihren Kunden gewinnen.
Sotheby’s konnte über 45 Millionen Dollar einnehmen für ein religiöses Bild. Solche Themen sind meist nicht so begehrt. Hier zog der Name Sandro Botticelli.
Doch eine ganze Reihe von Bildern fand keine Bieter oder wurde für hier eher überschaubare Summen weitergereicht. Ein barockes Männerbildnis von Frans Pourbus d.Ä. kam auf 63.000 Dollar, ein elegantes Blumenstilleben von Rachel Ruysch auf 370.000 Dollar. Religiöse Motive der Gotik wechselten für Preise zwischen 180.000 und 240.000 Dollar die Hand.
Dass Botticellis „Schmerzensmann“ mit 45,9 Millionen Dollar den zweit höchsten je bewilligten Preis für den Florentiner Malerstar erzielen konnte, verdankt sich einerseits dem Künstlernamen. Der ist eng mit der „Geburt der Venus“ verknüpft. Und andererseits dem Marketing.
Nach einer Welttournee, mit Stopps unter anderem in Hongkong und Dubai, war das Bild in einer immersiven, fast sakral anmutenden Inszenierung in Sotheby’s New Yorker Stammsitz zu bewundern gewesen. Fast so, als könnten die Besucher die Christi Haupt umfliegenden Engel mit den Marterwerkzeugen in den Händen und den von ihnen fliegend gebildeten Heiligenschein stören.
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