Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

24.05.2023

16:17

Auktionen in New York

Die Zeit wilder Spekulation ist erstmal vorbei

Von: Barbara Kutscher

Die High-End-Versteigerungen von Sotheby‘s, Christie‘s und Phillips belegen das Vertrauen in die Macht der Bilder. Gleichwohl musste Christie‘s bei der Sammlung Gerald Fineberg auch Preiskorrekturen hinnehmen.

Auch für diese Künstlerin, die noch nicht so lange im Rampenlicht stand, interessierte sich der Bostoner Immobilientycoon und Hotelier Gerald Fineberg. Mit 2,6 Millionen Dollar kam das Zwillingspärchen gut über die obere Taxe. Christie's Images Ltd. 2023

Alice Neel

Auch für diese Künstlerin, die noch nicht so lange im Rampenlicht stand, interessierte sich der Bostoner Immobilientycoon und Hotelier Gerald Fineberg. Mit 2,6 Millionen Dollar kam das Zwillingspärchen gut über die obere Taxe.

New York Wohl keine der über die letzten beiden Wochen in New York abgehaltenen Auktionen führte die Preiskorrektur in einigen Marktsegmenten so schonungslos vor Augen wie Christie’s Versteigerung der Sammlung Gerald Fineberg. Der Bostoner Immobilientycoon und Hotelier hatte seit den frühen 1980er-Jahren, vor allem über den Handel, ungewöhnlich eklektisch gesammelt. Ihn interessierte vieles, vom seltenen Kiki-Porträt Man Rays, über Outsider Art, Abstrakten Expressionismus, die japanische Gutai-Bewegung, aber auch Pablo Picasso.

Christie’s konnte am 17. Mai die angebotenen 65 Lose, bei sechs Rückgängen, nur zu 124,7 Millionen Dollar netto absetzen. Das sind 153 Millionen Dollar mit Aufgeld, weit unter den mindestens erwarteten 163 Millionen Dollar. Die ganz „altmodische“ Auktion hatte auf stützende Finanzinstrumente wie Garantien oder unwiderrufliche Gebote verzichtet.

Einige Lose schlugen sich erfolgreich. Andere stürzten bei rasch neu verhandelten Reserven auf ein realistisches Niveau. Christie’s hatte die Sammlung kurz nach Finebergs Tod im Dezember 2022 akquiriert. Aber viel hat sich seitdem geändert. Das seitdem stark gewandelte makro-ökonomische Klima, vor allem gestiegene Zinssätze, drücken nun auf die Preise. Allerdings unterscheidet die sehr hohe Verkaufsrate von 91 Prozent diese Marktkorrektur von vorangehenden, etwa im Jahr 2008.

Fineberg hatte zwar große Namen, aber nicht immer die allerbesten Werke gekauft. Auch eines der zwar selten angebotenen verwischten Vielfigurengemälde Gerhard Richters, „Badende“ von 1967. Laut Katalog sollte es mindestens 15 Millionen Dollar einbringen, fand deshalb kaum Interesse und wurde bereits bei 8 Millionen Dollar zugeschlagen. Inklusive Aufgeld sind das 9,6 Millionen Dollar. Das unattraktive Bild ist aber nicht repräsentativ für den Markt des Künstlers, der sich in einem Aufwärtstrend befindet.

Das bewies Sotheby’s am nächsten Abend mit dem letzten und besten der „Color Chart“-Gemälde, „4096 Farben“, das drei entschiedene Interessenten über die Taxe auf 21,8 Millionen Dollar hoben. Der europäische Einlieferer hatte es im Mai 2004 zu 3,7 Millionen Dollar in New York ersteigert.

Die Verbeugung vor Henri Matisse erzielte mit 3,7 Millionen Dollar etwas mehr als die obere Taxe. Sotheby's

Jonas Wood „Red Pot“

Die Verbeugung vor Henri Matisse erzielte mit 3,7 Millionen Dollar etwas mehr als die obere Taxe.

Fineberg hatte aber auch einige Künstler gesammelt, die erst seit kurzem im Rampenlicht des Marktes stehen. Alice Neel zum Beispiel oder farbige Künstler wie Alma Thomas, Barkley L. Hendricks und Simone Leigh. Hendricks“ ganzfiguriges Bildnis „Stanley“ von 1971 erwarb der Sammler im Jahr 2013 von der Rückgangsliste des Chicagoer Auktionshauses Wright, sehr wahrscheinlich unter der im Katalog gedruckten Mindesterwartung von 200.000 Dollar.

Mittlerweile gilt Hendricks als wegweisender Porträtist. Die Frick Collection wird ihm im Herbst sogar eine Ausstellung ausrichten. Drei Bieter warben über sechs Minuten lang um sein Porträt des Malerkollegen Stanley Whitney in Schlaghosen, bis es zur unteren Taxe zugeschlagen werden konnte. Mit Aufgeld wurden 6,1 Millionen Dollar erzielt, ein neuer Preisrekord für den Maler.

Um aufstrebende Künstler wird immer noch gefochten

Sotheby’s Auktionen „The Now“ und „Contemporary Evening“ spielten am 18. Mai acht Rekorde und 204,7 Millionen Dollar bei einer herausragenden Absatzquote von 92 Prozent ein. Das Haus bediente den sehr selektiven Markt mit vernünftig taxierten Objekten in A+-Qualität. Zwar wird immer noch um Emerging Stars gefochten, wie etwa um den in New York lebenden Filipino Justin Caguiat. Dessen zwischen Abstraktion und Figuration changierendes Riesenformat „to the approach of beauty its body is fungible“ wurde von einer europäischen Sammlung auf den Rekordwert von 787.400 Dollar gehoben.

Aber die Zeit wilder Spekulation ist erst einmal vorbei. An die Spitze des Abends setzte sich Louise Bourgeois` monumentale, über sechs Meter hohe Bronzeskulptur aus einer Sechser-Auflage. Die brasilianische Privatbank Fundação Itaú trennte sich von ihr gegen versprochene 30 Millionen Dollar. Der einzige Bieter, wohl der Garantiegeber, berappte 32,8 Millionen Dollar brutto und setzte den neuen Bourgeois-Rekord.

Auktion der Si Newhouse Collection: Sammler reagieren sensibler auf zu hohe Preise

Auktion der Si Newhouse Collection

Sammler reagieren sensibler auf zu hohe Preise

Stück für Stück versteigert Christie's die legendäre Sammlung des Medienunternehmers Si Newhouse. Die jüngste Tranche wurde komplett abgesetzt. Allerdings erfüllten einige zu hoch geschätzte Werke nur die Mindesterwartung.

Schwarze Künstler stellten in der Auktion „The Now“ über die Hälfte der Lose und erzielten mehr als 55 Prozent der Einnahmen. Simone Leigh kann nach ihrem preisgekrönten Beitrag zur Kunstbiennale in Venedig 2022 nun auch ein kommerzielles Hoch verzeichnen. Ihre Skulptur „Las Meninas II“ mit ausladendem Bastrock setzte, auch hier dank eines einzigen Bieters, bei 3,08 Millionen Dollar einen Rekord.

Phillips“ Auktion „20th Century & Contemporary Art“ fuhr am 17. Mai nur 69,5 Millionen Dollar ein, weit unter den 138 Millionen Dollar vom vergangenen November. Hier setzte Banksys Riesenformat „Banksquiat. Boy and Dog in Stop and Search“ den Spitzenpreis von 9,7 Millionen Dollar und bestätigte die Mindesterwartung. Aber das lebhafteste Gefecht entbrannte um das kleinformatige Bild „Untitled“ des einflussreichen Schwarzen Angelenos Noah Davis. Erst nach zwölf Minuten sauste der Hammer bei 990.600 Dollar brutto nieder.

Nicht nur im Segment der so begehrten Zeitgenossen und der Klassischen Moderne erzielten Ikonen in den vergangenen zwei Wochen achtstellige Summen. Vor einem mit Schaulustigen voll besetzten Saal wies Sotheby’s am 17. Mai den sogenannten Codex Sassoon – die früheste komplette hebräische Bibel der Zeit um 900 – bei 38,1 Millionen Dollar gegen einen Mitbewerber an die American Friends of Anu.

Die Organisation erwarb das bisher teuerste Manuskript für das Anu Museum of the Jewish People in Tel Aviv. Der Einlieferer, Investor Jacqui Safra, hatte den Folianten 1989 in Sotheby’s Versteigerung des British Rail Pension Fund zu 3,2 Millionen Dollar ersteigert.

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×