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30.08.2022

11:47

Auktionen

Paul G. Allen: Gutes Auge für wertvolle Kunst

Von: Barbara Kutscher

Der Mitgründer von Microsoft war wissbegierig – auch bei Kunst. Christie’s wird seine Sammlung versteigern. Geschätzt für über eine Milliarde Dollar.

1975 hatte er zusammen mit Bill Gates das Softwareunternehmen Microsoft gegründet. Von 1975 bis 1983 war Allen mit Gates zusammen im Vorstand. Hier ein Bild von 2013. Quelle: Wiki Commons

Paul Gardner Allen (1953 - 2018):

1975 hatte er zusammen mit Bill Gates das Softwareunternehmen Microsoft gegründet. Von 1975 bis 1983 war Allen mit Gates zusammen im Vorstand. Hier ein Bild von 2013. Quelle: Wiki Commons

New York Mit der Versteigerung von 150 Werken aus Paul G. Allens legendärer Kunstsammlung gehen die Verwalter seines Nachlasses in die erste öffentliche Runde. Über eine Milliarde Dollar hofft Christie’s im November in New York für diese „größte und außergewöhnlichste Versteigerung der Auktionsgeschichte“ einzunehmen.

Bisher hatte die Auflösung des komplexen Imperiums des Mitgründers von Microsoft, der im Oktober 2018 im Alter von 65 Jahren einem Krebsleiden erlag, im Verborgenen stattgefunden. So wurde erst im vergangenen Jahr bekannt, dass seine 126 Meter lange Megayacht „Octopus“ zu etwa 235 Millionen Euro einen neuen Besitzer gefunden haben soll.

Allens Vermögen, das er als Technologie-Investor, Immobilienmagnat und Besitzer von Sportteams anhäufte, wird auf über 20 Milliarden Dollar geschätzt. Auf Wunsch des Verstorbenen hin wird der Großteil seines Vermögens nach einem Tod verschenkt werden. Auch der Gesamterlös von Christie’s Auktionen soll wohltätigen Zwecken zufließen. Die Empfänger sind noch nicht benannt.

Was genau versteigert werden wird, darüber hüllen sich Christie’s Mitarbeiter in Schweigen. Nur zwei Highlights sind zurzeit bekannt: Paul Cézannes frühes Ölbild aus der für die Entwicklung des Kubismus wegweisenden Serie „La Montagne Sainte-Victoire“.

Die zwischen 1888 bis 1890 gemalte Landschaft soll - unveröffentlicht - über 100 Millionen Dollar einbringen. Laut Preisdatenbank Artnet zahlte Allen im Jahr 2001 beim Auktionshaus Phillips de Pury & Luxembourg in New York dafür 38,5 Millionen Dollar.

Das Gemälde (Ausschnitt) soll um 50 Millionen Dollar einspielen. Der Schätzpreis orientiert sich nicht an Auktionspreisen, sondern an einem Privatverkauf von 80 Millionen Dollar:Quelle: Christie‘s

Jasper Johns „Small False Start“:

Das Gemälde (Ausschnitt) soll um 50 Millionen Dollar einspielen. Der Schätzpreis orientiert sich nicht an Auktionspreisen, sondern an einem Privatverkauf von 80 Millionen Dollar:
Quelle: Christie‘s

Mindestens 50 Millionen Dollar soll auch Jasper Johns“ Gemälde „Small False Start“ von 1960 zuschießen, in dem Johns zum ersten Mal kräftige Farben in den Mittelpunkt stellt. Zwar kostete es beim letzten Auktionsauftritt im Jahr 1989 nur 4,1 Millionen Dollar. Im Oktober 2006 aber zahlte Hedgefonds Manager Kenneth Griffin jedoch für eine ähnliche Komposition, allerdings in größerem Format, in einer privaten Transaktion 80 Millionen Dollar.

„Was den Kunstkauf angeht, war Paul außergewöhnlich gut beraten und hatte ein außergewöhnlich gutes Auge für einige der großartigsten Kunstwerke, die je entstanden sind,“ sagte Benedict Heywood im Jahr 2019 zur „Seattle Times“. Heywood leitete Allens sehr kurzlebiges privates Museum Pivot Art + Culture im Erdgeschoss des Allen Institute, das in den Biowissenschaften forscht. Hier hatte der Milliardär manches Kunstwerk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Breites Sammelinteresse

Etwas Einblick in Allens riesige Kunstsammlung gewährten zwei Ausstellungen, die durch amerikanische Museen tourten. Unter 28 Werken in „Double Take: From Monet to Lichtenstein“ im Jahr 2006 hingen Pierre Auguste Renoirs „La Liseuse“ (1877) und Gerhard Richters „Kerze“ (1982). Letzteres hatte Allen im Februar 2002 bei Sotheby’s New York 3,97 Millionen Dollar gekostet.

Allen interessierte sich aber auch für Alte Meister. Die „Allegorie des Sehens“ aus der Serie der „Fünf Sinne“ von Jan Brueghel d. J. aus dem Jahr 1625 war auf besagter Tour seit 1873 zum ersten Mal wieder öffentlich zu sehen.

Das Landschaftsgemälde (Ausschnitt) hatte der Unternehmer im November 2006 bei Christie’s für 40,3 Millionen Dollar erworben. Quelle: Wiki Commons

Gustav Klimt „Birkenwald“:

Das Landschaftsgemälde (Ausschnitt) hatte der Unternehmer im November 2006 bei Christie’s für 40,3 Millionen Dollar erworben. Quelle: Wiki Commons

39 spektakuläre Landschaften folgten 2015 in der Show „Seeing Nature“. J.M.W. Turners „Depositing of John Bellini’s Three Pictures in La Chiesa Redentore, Venice“ (1841) und auch Gustav Klimts „Birkenwald“ (1903) mit Vorbesitz Adele und Ferdinand Bloch-Bauer hingen da. Für das Naturbild hatte Allen im November 2006 bei Christie’s die obere Taxe bei 40,33 Millionen Dollar brutto bewilligt.

Im Vorwort des Kataloges erläutert Allen die Faszination von Landschaftsbildern: „Man nimmt an, dass unsere Gehirne so konstruiert sind, dass sie Landschaften betrachten wollen und beobachten, was in ihnen passiert. Landschaften scheinen universell zu faszinieren“.

Genug von Richters „Duesenjaeger“

Gelegentlich wurde Allen auch als Verkäufer identifiziert. So veräußerte er 2016 über Phillips in New York Gerhard Richters fotorealistisches Bild „Duesenjaeger“ (1963) zu 25,6 Millionen Dollar. Damit konnte er seinen Einsatz von 11,2 Millionen Dollar aus dem November 2007 verdoppeln.

Erworben hatte Allen das malereigeschichtlich wichtige Bild 2001 im Auktionshaus Phillips de Pury & Luxembourg für 38,5 Millionen Dollar. Die neue, unveröffentlichte Schätzung lautete 100 Millionen Dollar. Quelle: Christie‘s

Paul Cézanne „La Montagne Sainte-Victoire“:

Erworben hatte Allen das malereigeschichtlich wichtige Bild 2001 im Auktionshaus Phillips de Pury & Luxembourg für 38,5 Millionen Dollar. Die neue, unveröffentlichte Schätzung lautete 100 Millionen Dollar. Quelle: Christie‘s

Die New Yorker Galerie Lévy Gorvy wiederum vermittelte zwei Jahre später auf „Art Basel Hongkong“ Willem de Koonings große abstrakte Landschaft „Untitled XII“ aus dem Jahr 1975 für 35 Millionen Dollar. Gegenüber Bloomberg News gab Allen zu, dass Kunst für ihn unerwartet eine „sehr, sehr gute Investition'' sei.

Zwar begeisterte sich Allen schon in seiner Kindheit für Kunst, entscheidend war aber ein Besuch in der Londoner Tate Gallery, der ihn „zutiefst bewegte“. „Was Allen von anderen Topsammlern unterschied, war, dass er sein Sammeln gegenüber niemandem rechtfertigen musste. Er sammelte nicht, um innerhalb seines Bekanntenkreises gut auszusehen“, so Heywood zu Artnet News.

Hoher finanzieller Einsatz

Gegenüber der New York Post beschreibt der ehemalige Kunstberater Pablo Schugurensky seinen Auftraggeber als Fragensteller, „der zuhörte und sich an alles erinnerte. Er war ehrgeizig, was das Sammeln angeht und extrem neugierig, Neues zu lernen.“ Noch 2016 ging Allen aus einem 14-minütigen Bietgefecht um Claude Monets Getreidehaufen „Meule“ (1891) als Sieger hervor und zahlte Christie’s in New York den damaligen Rekord von 81,4 Millionen Dollar.

Allens Sammelaktivität war aber sehr breit gefächert: Ihn interessierten Gitarren von Jimi Hendrix ebenso wie Höchstleistungen der Ingenieurskunst, etwa das Modell einer dreistufigen Rakete nach Wernher von Braun im Maßstab 1 zu 48, oder Raumfahrtphantasien junger Künstler. In eigens gegründeten Institutionen brachte er sie in seiner Heimatstadt Seattle dem Publikum nahe.

Seattle attraktiv machen

2015 stieß Vulcan, Inc. mit Unterstützung der New Yorker Produktionsgesellschaft Art Market Productions die Messe „Seattle Art Fair“ an, die große Galerien an die wohlhabende Pazifikküste locken sollte. Nach dem Vorbild der Biennale Venedig ließ er auch Installationen über die Stadt verteilen. Aber Seattle verdankte ihm auch das Football-Team „Seattle Seahawks“, das er im Jahr 1997 durch den Einsatz von 194 Millionen Dollar vom Umzug nach Kalifornien abhalten konnte.

Die 126 Meter lange Luxusjacht soll 2021 zu rund 235 Millionen Euro verkauft worden sein. Quelle: Wiki Commons

Allens Megajacht „Octopus“:

Die 126 Meter lange Luxusjacht soll 2021 zu rund 235 Millionen Euro verkauft worden sein. Quelle: Wiki Commons

Als einer der ersten hatte Allen im Jahr 2010 das von Warren Buffett, Melinda French Gates und Bill Gates initiierte „Giving Pledge“ unterzeichnet. Darin geloben die Reichsten dieser Welt geloben, den Großteil ihres Vermögens wohltätigen Zwecken zu hinterlassen. Inzwischen ist diese Gruppe bereits auf 230 Unterzeichner aus 28 Ländern gewachsen.

Allens Alleinerbin

Allen war unverheiratet und blieb ohne Nachkommen. Alleinerbin und Testamentsvollstreckerin ist seine Schwester Jody Allen (63), mit der er gemeinsam 1986 die Holdinggesellschaft Vulcan, Inc. gegründet hatte. Jody Allen gab Christie’s zu Protokoll: „Für Paul war Kunst gleichzeitig analytisch und emotional. Für ihn lieferte Kunst eine einzigartige Sicht auf die Realität - kombinierte den inneren Zustand und das innere Auge des Künstlers - auf eine Weise, die uns alle inspirieren kann.“

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