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12.05.2022

11:58

Christie's in New York

Andy Warhols Marilyn: Der Hammer fiel schon nach fünf Minuten

Von: Barbara Kutscher

Den Auftakt des Auktions-Marathons im Mai hat Christie‘s zum Teil mit Bravour bestanden. Der Warhol-Rekord wurde angehoben, junge Künstler bleiben teuer.

Der Siebdruck wurde von Larry Gagosian für einen Kunden für 195 Millionen Dollar inklusive Aufgeld ersteigert. dpa

Andy Warhol „Shot Sage Blue Marilyn“

Der Siebdruck wurde von Larry Gagosian für einen Kunden für 195 Millionen Dollar inklusive Aufgeld ersteigert.

New York Kunstmarktgeschichte schrieb Christie‘s am 9. Mai mit 195 Millionen Dollar, dem zweithöchsten Preis, der jemals auf einer Auktion bewilligt wurde. Das Haus konnte Andy Warhols Siebdruck „Shot Sage Blue Marilyn” von 1964 fast in der anvisierten Höhe verkaufen. 

Vor der Auktion hatte Christie’s die Erwartungen noch einmal angefacht: „Warhols Marilyn ist kategorisch eines der großartigsten Gemälde aller Zeiten“, so Alex Rotter, Christie’s Chef für Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts. „Wann immer ein Werk dieser Serie die Hände wechselte, hatte das nicht nur Auswirkungen auf den Warholmarkt, sondern auf den Kunstmarkt allgemein“. 

Seit Monroes Tod im Jahr 1962 hielt der Künstler die Filmdiva in zahlreichen Gemälden fest. In der 102 mal 102 Zentimeter messenden fünfteiligen Serie wandte er 1964 eine besonders aufwendige Siebdrucktechnik an. Die Leinwände mit ihrem jeweils unterschiedlich eingefärbtem Hintergrund — Rot, Orange, Hellblau, Salbei-Blau und Türkis — sind heute Stolz prominenter Sammler: Peter Brant, Philip Niarchos, Steve Cohen und Kenneth Griffin.

Griffin zahlte zuletzt in einer durch Tobias Meyer vermittelten privaten Transaktion „nördlich von 200 Millionen Dollar“, weiß Johanna Flaum, Leiterin der New Yorker Abteilung für Zeitgenössische Kunst. Christie’s Taxe von 200 Millionen Dollar war also nicht völlig aus der Luft gegriffen.

„Shot Sage Blue Marilyn“ wurde aus Nachlass der Kunsthändler Thomas und Doris Ammann versteigert. Seit es die Geschwister in den 1980er-Jahren über Larry Gagosian vom New Yorker Condé-Nast-Verleger S.I. Newhouse erworben hatten, hing es in ihrem Domizil hoch über dem Zürichsee. 

Das Objekt verdoppelte seine untere Taxe auf 478.800 Dollar. Christie's Images Ltd. 2022

Andy Warhol „Heinz Tomato Ketchup Box“

Das Objekt verdoppelte seine untere Taxe auf 478.800 Dollar.

Vor der Auktion wisperten Spekulationen sogar von 500 Millionen Dollar. Am Montagabend versuchten drei Telefonbieter und der Megagalerist Larry Gagosian ihr Glück. Vom Ausruf bei 110 Millionen Dollar kletterte der Preis geschwind in 10-Millionenschritten bis auf 170 Millionen Dollar.

Danach fand Auktionator Jussi Pylkkänen niemanden, der weitere 5 Millionen Dollar spendieren wollte. So konnte Larry Gagosian nach knapp fünf Minuten seine Bieternummer heben. Es ist bisher nicht klar, ob der Galerist im Auftrag eines Kunden oder für seine eigene Sammlung brutto 195 Millionen Dollar bot. 

Wer jetzt verkaufen wollte, sah den Zeitpunkt gekommen

Diese New Yorker Versteigerungssaison könnte die einträglichste aller Zeiten werden. Vier hochkarätige Sammlungen — drei Nachlässe und Reste aus dem bitteren Scheidungskrieg von Linda und Harry Macklowe — kommen zum Aufruf. Die überraschend starken Ergebnissen im letzten November schufen Vertrauen in den Markt. Wer jetzt etwas verkaufen konnte und wollte, sah jetzt endlich den Zeitpunkt gekommen.

Allein acht bei den drei großen Versteigerern bis zum 19. Mai abgehaltene Abendauktionen könnten um 2 Milliarden Dollar einspielen. 39 Werke sollen teils weit über zehn Millionen Dollar einspielen, bei Christie’s und Sotheby’s suchen allein neun kapitale Gemälde von Claude Monet im Gesamtwert von 120 Millionen Dollar Käufer. 

Christie’s begann Montagabend mit der Versteigerung von 36 Werken aus dem Nachlass der im März 2021 verstorbenen Zürcher Händlerin Doris Ammann. Sie hatte 1977 mit ihrem Bruder eine der angesehensten Galerien der Welt, Thomas Ammann Fine Art, gegründet und vermittelte Spitzenwerke des Impressionismus und der Moderne. Nach dem viel zu frühen Tod ihres Bruders im Jahr 1993 führte die bis dahin diskret im Hintergrund wirkende Händlerin gemeinsam mit Georg Frei die Galerie weiter. 

Das 1982 entstandene Bild war auf mindestens 20.000 Dollar geschätzt. Von drei Bewerbern wurde es jedoch auf den neuen Bestpreis von 176.400 Dollar gehoben. Christie's Images Ltd. 2022

Martin Disler „Preparing for Tonight“

Das 1982 entstandene Bild war auf mindestens 20.000 Dollar geschätzt. Von drei Bewerbern wurde es jedoch auf den neuen Bestpreis von 176.400 Dollar gehoben.

Es war eine sehr persönliche Sammlung, die hier versteigert wurde. Die Ammanns entdeckten Künstler früh und begleiteten sie sehr engagiert über ihre ganze Karriere. Thomas Ammann, der bestens in der aktuellen New Yorker Kunstszene und besonders mit dem Warhol-Kreis vernetzt war, erklärte einmal: „Man kann nicht sammeln, was man verkaufen will. Weil du dann entweder all die guten Sachen verkaufst, was keinen Spaß macht; oder du behälst all die guten Dinge, was dich bankrott macht.” 

Das Angebotene reichte von Vertretern der Pop Art und des Minimalismus bis hinauf in die Zehner Jahre des 21. Jahrhunderts. Auch heute nicht mehr so vertraute Namen, wie etwa der Schweizer Maler Martin Disler (1949—1996), ein Vertreter der „Neuen Wilden“, waren darunter. Sein Großformat „Preparing for Tonight“ (1982) in kräftigen Farben war auf mindestens 20.000 Dollar geschätzt. Von drei Bewerbern wurde es jedoch auf den neuen Bestpreis von 176.400 Dollar gehoben.

15 Telefonbieter reißen sich um das Vogelbild einer jungen Künstlerin

Insgesamt fielen am Abend sieben Rekorde. Zu den jüngsten von Doris Ammann gesammelten Künstlern gehört die New Yorkerin Ann Craven, die eigens für die Schweizerin das muntere Vogeltrio „I Wasn’t Sorry“ (2003) gemalt hatte. Es faszinierte jetzt 15 Telefonbieter ab dem Aufruf bei 18.000 Dollar und sprang auf Cravens neue Bestmarke von 680.400 Dollar. Auch A.R. Penck stieß auf starkes Interesse. Sein stark farbiges Riesenformat „Frauen K“ (1981) fiel erst bei 567.000 Dollar brutto an einen deutschsprachigen Telefonbieter.

Christie's sah aber auch zwei Rückgänge, darunter Sigmar Polkes Gemälde „Filzschleife“, das Ammann im November 2014 in New York zu 2,3 Millionen Dollar ersteigert hatte. 

Der mit prominenten Händlern und Sammlern voll besetzte Saal wusste zu schätzen, dass die Sammlung ohne Garantien angeboten wurde. Larry Gagosian, bei dem die Ammanns viel gekauft hatten, „unterstützte“ besonders spendabel Künstler seiner Galerie, darunter Franz West, Brice Marden und Cy Twombly.

Das fast drei Meter breite Leinwandgemälde erfüllte mit 2,2 Millionen Dollar nicht ganz die hoch gesteckten Erwartungen. Christie's Images Ltd. 2022

Adrian Ghenie „Antelope Attacked near Gas Pipe 2“

Das fast drei Meter breite Leinwandgemälde erfüllte mit 2,2 Millionen Dollar nicht ganz die hoch gesteckten Erwartungen.

Insgesamt spielte der Abend 318,8 Millionen Dollar ein, weit unter der anvisierten Höchstsumme von 420 Millionen Dollar netto. Weitere 66 Lose folgen am 13. Mai in einer Tagesauktion. Der Nettoerlös kommt benachteiligten Kindern zugute.

Hielten sich asiatische Bieter in der Ammann-Auktion auffallend zurück, so bot Christie’s dritte Auflage der Auktion „21st Century“ am Dienstagabend ein ganz anderes Bild. Die extra aus Hongkong eingeflogene Nachwuchsauktionatorin Georgina Hilton konnte fast ein Viertel des Katalogs an Käufer aus der Asien-Pazifik-Region weisen.

Run auf die jüngste Kunst

Insgesamt spielte der Run auf die manchmal „Ultra-Contemporary“ genannte Kategorie, die eine jüngere Sammlergeneration anspricht, für 31 Lose 103,1 Millionen Dollar ein. Sie setzte zehn Rekorde. „Wir definieren langsam die nächste Künstlergeneration“, so Christie’s Expertin Ana Maria Celis. „Aber letztlich entscheidet darüber der Markt“.

Um das altmeisterliche Bild „Summertime“ (2020) von Anna Weyant, mit 27 Jahren die jüngste Künstlerin der Auktion, kämpften mindestens sechs Bieter. Die Senkrechtstarterin ist mit ihren realistischen Stillleben und leicht traumatischen Szenarien in den Abendauktionen bei allen drei Häusern vertreten. Christie’s setzte bei 1,5 Millionen Dollar gleich ihren neuen Rekord. Die Taxe hatte bereits bei 200.000 Dollar gelegen. Weyant wird seit Anfang Mai von der Gagosian Gallery vertreten.

Prestigeauktionen: Teuerstes Werk des 20. Jahrhunderts: „Marilyn“ von Andy Warhol versteigert

Prestigeauktionen

Teuerstes Werk des 20. Jahrhunderts: „Marilyn“ von Andy Warhol versteigert

Für 195 Millionen Dollar kam bei Christie’s in New York ein Bildnis von Marilyn Monroe unter den Hammer. Der Grund für den Rekordpreis: Die einzigartige Entstehungs- und Herkunftsgeschichte.

Wieder sollte Jean-Michel Basquiat das historische Rückgrat der Auktion besorgen. Aber vor der Auktion wurde „Portrait of the Artist as a young Derelict“, auf (unveröffentlichte) 30 Millionen Dollar taxiert, aufgrund mangelnden Interesses zurückgezogen. „Es war keine leichte Entscheidung“, erklärte CEO Guillaume Cerutti, „Wir wollen nicht zu jedem Preis verkaufen. Wir wollen zu einem Preis verkaufen, der relevant für das Kunstwerk ist und den der Kunde wünscht“.

Auch Gerhard Richters „Abstraktes Bild (809—4)“ stieß im Saal auf kein Interesse. Zuletzt hatte es im November 2012 aus der Sammlung Eric Clapton in London zum Rekordpreis von 21 Millionen Pfund (34 Million Dollar) die Hände gewechselt. Nun wurde das Bild bei 36,5 Millionen Dollar brutto dem Garantiegeber zugewiesen. 

Auf die Frage, ob die makroökonomische Lage Einfluss auf die Ergebnisse gehabt habe, wollte Christie‘s CEO Guillaume Cerutti noch nicht antworten. „Sie wird sicher einen Effekt haben.“ Doch es sei noch zu früh, um einen Trend auszumachen. 

9.5.: The Collection of Thomas and Doris Ammann: 317,8 Millionen Dollar für 34 Lose (94 Prozent verkauft nach Losen)
10.5.: 21st Century Evening Sale: 103,1 Millionen Dollar für 31 Lose (100 Prozent verkauft nach Losen)

Mehr: Dirk Boll bei Christie's: Wechsel, um sich treu zu bleiben

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