Die Dr. Hans Riegel-Stiftung fördert Wandmalereien nach berühmten alten Gemälden. So sollen junge Menschen für die bildende Kunst begeistert werden.
Caspar David Friedrich
Deutschlands großer Künstler der Romantik inspirierte das Berliner Künstlertrio innerfields zu diesem Wandbild in Köln.
Bild: Florian Reh
Bonn Caspar David Friedrichs „Wanderer über dem Nebelmeer“ blickt auf eine verwüstete Landschaft. Das Meer wirkt wie durch einen Tsunami aufgewühlt, ein Schiff liegt wie abgelegt schräg am Ufer. Die Stadt im Hintergrund mit ihrer historischen Silhouette qualmt. Vielleicht ist ein GAU in einem Atomkraftwerk geschehen, vielleicht ist es nur der ganz normale industrielle Wahnsinn. Und wie reagiert der moderne Wanderer? Er macht mit dem Handy ein Foto vom Desaster.
Das Berliner Künstlertrio innerfields hat das berühmte Gemälde mit der Rückansicht des Wanderers, das heute in der Hamburger Kunsthalle hängt, neu interpretiert. Die modernisierte Fassung ist an einem ungewohnten Ort zu finden – auf der Brandwand eines Mietshauses im Kölner Stadtteil Kalk. Das romantische Naturbild des Ur-Romantikers Caspar David Friedrich hat sich unter der Hand der jungen Maler zu einer apokalyptischen Vision gewandelt.
Und das im weithin sichtbaren Großformat. „Murals“ heißt diese urbane Kunstform. Die Wurzeln dieses Genres reichen ebenso in die politische Agitprop-Wandmalerei aus Mexiko wie in die Urban Art oder Street-Art. Und diese Form der Malerei, die sich ohne Barrieren, Eintrittskosten oder Berührungsängste direkt an die Öffentlichkeit wendet, hat die in Bonn ansässige Dr. Hans Riegel-Stiftung für ihr Projekt „Walls of Vision“ gewählt, um Kunst vor allem jungen Menschen nahezubringen.
„Hans Riegel war Kunstsammler und Kunstliebhaber, und zugleich lag ihm die Förderung von jungen Menschen sehr am Herzen“, erklärt Alexander Kukla, der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Stiftung und Kopf hinter dem Wandbildprojekt. „Neben der Herstellung von Wandbildern bemühen wir uns auch immer um die Zusammenarbeit mit Schulen und sozialen Einrichtungen für Kinder und Jugendliche in der Nähe des künftigen Standorts der Bilder.“
Bislang sind vier Wandbilder im Rahmen des Projekts fertiggestellt worden, viele weitere in Städten wie Düsseldorf, Dortmund, Mannheim und Offenbach sind in Vorbereitung. Durchgängiges Motiv der „Walls of Vision“ sind moderne Interpretationen von bekannten Werken aus der Kunstgeschichte, in denen jeweils die Beziehung des Menschen zur Natur dargestellt wird.
Eine Wand in Gelsenkirchen zeigt eine Version von Carl Spitzwegs „Schmetterlingsfänger“, bei der Case Maclaim die Schönheit der bunten Schmetterlinge im Vordergrund noch stärker herausgearbeitet hat als Spitzweg selbst. Und in Essen hat das Rotterdamer Künstlerduo Telmo Miel gleich zwei Wände neu gestaltet – mit modernen Varianten von Gemälden von Vincent van Gogh und Jean-François Millet.
„Mit den ‚Walls of Vision‘ werden historische Kunstwerke von renommierten Gegenwartskünstlern großflächig auf Fassaden neu dargestellt und interpretiert – und damit wollen wir an ungewöhnlichen Orten zu Reflexion und Diskurs anregen“, erklärt Ingeborg Henzler, ehemalige Präsidentin der Hochschule Koblenz und Mitglied des Stiftungsvorstands. „So gesehen erfüllt unser Projekt nicht nur einen Kultur-, sondern auch einen Bildungsauftrag.“
Ingeborg Henzler
Die ehemalige Präsidentin der Hochschule Koblenz ist Mitglied des Stiftungsvorstands der Dr. Hans Riegel-Stiftung.
Bild: Dr. Hans Riegel-Stiftung
„Unsere Stiftung möchte vielen – vor allem jungen – Menschen einen zeitgeistigen Zugang zur bildenden Kunst ermöglichen“, ergänzt Reinhard Schneider, Vorstandsvorsitzender der Dr. Hans Riegel-Stiftung. So ist das Begleitprogramm der „Walls of Vision“ mindestens genauso wichtig wie die Herstellung der Bilder selbst.
Beispiel Essen: Zum Van-Gogh-Projekt haben die beiden Künstler aus den Niederlanden in einer nahe gelegenen Schule ein Begleitprojekt konzipiert. Die Schüler haben zunächst in der Klasse eigene Versionen von klassischen Kunstwerken auf Papier gemalt. Aus den Ergebnissen wurde ein Motiv ausgewählt, das dann auf eine etwa drei mal fünf Meter große Schulwand gemalt wurde – so richtig mit Hebebühne, Pinseln und Farbdosen.
„Der Schmetterlingsfänger“ von Carl Spitzweg
Das Gemälde ist die Vorlage für eine zeitgenössische Version des Motivs durch den Urban-Art-Künstler Case Maclaim auf einer Hauswand in Gelsenkirchen.
Bild: Georg Barringhaus
Das entspricht der Arbeitsweise der Wandmalerei-Künstler. So würden die Maler von Telmo Miel die Wandfläche zuerst rastern, erklärt Alexander Kukla. Danach würden sie die Fläche ausmalen – nach einer Vorlage auf dem Smartphone.
Für ein Wandbild von der Größe einer Brandwand brauchen die Maler etwa eine Woche. „Viele Wandbilder in den Städten haben einen kommerziellen Hintergrund“, erklärt Kukla. „Bei den Künstlern rennen wir offene Türen ein, weil unsere Stiftung einen gemeinnützigen Zweck erfüllt. Denn die Kommerzialisierung führt unter den Wandmalern auch zu Diskussionen.“
1987 gründete der Süßwarenhersteller und ehemalige Mitinhaber von Haribo, Hans Riegel (1923–2013), seine Stiftung und schrieb in der Satzung die Förderung der schulischen und beruflichen Bildung sowie der Forschung und Lehre im naturwissenschaftlichen, technischen und volkswirtschaftlichen Bereich fest. 2020 schüttete die Stiftung einen Gesamtbetrag von rund 3,7 Millionen Euro aus.
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