Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

08.12.2022

12:57

Ergebnisse der Abendauktion bei Grisebach

Deutsche Sammler am Selbstbildnis Max Beckmanns nicht interessiert

Von: Christian Herchenröder

Grisebach kann ein Zwanzigmillionen-Gemälde absetzen und einen Auktionsrekord für Deutschland verbuchen. Aber die Sammlung von Maren Otto stößt auf selektive Sammler.

Das charismatische Selbstbildnis wurde mit 13 Millionen Euro ausgeboten. Der Hammer fiel zum unteren Schätzpreis bei 20 Millionen Euro. Macht mit Aufgeld 23,2 Millionen. Noshe; Grisebach

Max Beckmann

Das charismatische Selbstbildnis wurde mit 13 Millionen Euro ausgeboten. Der Hammer fiel zum unteren Schätzpreis bei 20 Millionen Euro. Macht mit Aufgeld 23,2 Millionen.

Berlin Es war ein kontrastreicher Abend. Die Auktion ausgewählter Werke des Berliner Auktionshauses Grisebach am 1. Dezember hatte hochkarätige Werke von Eduard Gaertner bis George Segal im Programm. Über allem stand aber Max Beckmanns heraldisches Selbstporträt, das 1943 im Amsterdamer Exil entstand und eine Mindestschätzung von 20 Millionen Euro hatte.

Die Taxe war keineswegs überzogen, denn schon 2001 hatte das „Selbstbildnis mit Trompete“, das heute in der Neuen Sammlung von Lauder in New York hängt, bei Sotheby’s 22,5 Millionen Dollar eingespielt und 2007 wurde das 1932 datierte „Selbstbildnis im Hotel“ bei der Kunsthandlung Marlborough für 30 Millionen Dollar offeriert.

Kein Wunder also, dass das Gemälde im Vorfeld extensiv beworben wurde, zumal es ursprünglich aus der Sammlung der Familie Beckmann kam. 1996 figurierte es auf einer Sommerausstellung der Galerie Pels-Leusden und wurde damals um die 5 Millionen D-Mark beziffert. Dort erwarb es der Bremer Wirtschaftsanwalt Joachim Theye, der mit seiner Sammlung in die Schweiz zog und dort 2006 verstarb.

Als Los 19 wurde das charismatische Bild mit 13 Millionen Euro ausgeboten. Grisebach-Gesellschafter Bernd Schultz mit Telefon am Ohr stieg bei 18 Millionen ein. Im Rennen waren nach Auskunft des Auktionshauses noch Telefonbieter aus London und aus Frankreich. Der Zuschlag ging bei 20 Millionen Euro – mit Aufgeld 23,2 Millionen – an Schultz im Auftrag „einer Sammlung in der Schweiz“. Es war eine kurze, nüchterne Bietstrecke; deutsches Interesse gab es nicht.

Mit dem Beckmann summiert sich der Gesamterlös für die drei Winterauktionen auf 42,4 Millionen Euro, von denen 34 Millionen auf die Abendauktion ausgewählter Werke entfallen. Wie immer wurde überwiegend telefonisch geboten, Saalbieter waren an einer Hand abzuzählen. Wie zuletzt in den internationalen Auktionen von New York bis Paris war es eine Sitzung der Kontraste. Höhenangst und Investitionslust wechselten sich ab.

Bei einer Reihe hochpreisiger Objekte wurde nur die untere Taxe erreicht. Paradestücke dieser Vorsicht sind das aus der Dix-Stiftung in Vaduz stammende, untypische Katzenbild von Otto Dix (1920), das zum Hammerpreis von 800.000 Euro (mit Aufgeld 985.000 Euro) in eine deutsche Privatsammlung ging, und die zum selben Hammerpreis zugeschlagene Bronzegruppe „Sitting Figures“ des britischen Bildhauers Lynn Chadwick. Sie fiel an einen niedersächsischen Sammler.

Applaus gab es, als für die Ansicht der Straße Unter den Linden 575.000 Euro bewilligt wurden. Das relativ kleinformatige Werk des gesuchten Architekturmalers stammt aus dem Besitz von Maren Otto. Grisebach

Eduard Gaertner

Applaus gab es, als für die Ansicht der Straße Unter den Linden 575.000 Euro bewilligt wurden. Das relativ kleinformatige Werk des gesuchten Architekturmalers stammt aus dem Besitz von Maren Otto.

Die lebensgroße Chadwick-Skulptur kam aus der Sammlung Maren Otto, der Witwe des 2011 verstorbenen Unternehmers Werner Otto. Er war selbst ein Expressionisten-Sammler. In alle drei Winterauktionen bei Grisebach waren rund 50 Lose aus Maren Ottos Sammlung eingebunden. Sie spielten insgesamt 4 Millionen ein, was nicht allzu viel ist, da zahlreiche Werke unverkauft blieben.

Brillant wie stets in den letzten fünf Jahren ließen sich die sechs in diese Versteigerung aufgenommenen Arbeiten von Max Liebermann absetzen. Der Preis treibende Wettstreit begann mit brutto 625.000 Euro für das schon fast abstrakt wirkende späte Gemälde „Blumenstauden im Nutzgarten“ und führte über den „Reiter am Meer“, den ein noch ungenanntes deutsches Museum für 805.000 Euro ersteigerte, bis zu dem als letztes Los des Abends ausgebotenen Ölbild „Corso auf dem Monte Pincio in Rom“. Es wandert für 375.000 Euro in eine süddeutsche Privatsammlung.

Max Liebermann begehrt wie eh und je

Auch in der Moderne-Auktion am folgenden Tag wurden alle sechs Liebermann-Lose abgesetzt. Bei Liebermann handelt es sich um einen Künstler, der eine Wunschfigur des Bildungsbürgers konservativer Prägung bleibt.

Es gab Überraschungspreise, die so manche eher vorsichtige Schätzung weit hinter sich ließen. Mit Applaus wurde der Spitzenpreis von 575.000 Euro für die aus dem Besitz von Maren Otto stammende Ansicht der Straße Unter den Linden bedacht: ein mit 29,5 x 48 cm relativ kleines Werk des seltenen und gesuchten Berliner Architekturmalers Eduard Gaertner.

Zu den Hochgebotenen gehörte auch das exemplarische Dix-Aquarell „Mädchen mit rosa Tasche“ aus der Sammlung Maren Otto. Es war bis 150.000 Euro geschätzt und wird nun für brutto 300.000 Euro von einer amerikanischen Privatsammlung übernommen.

Die zum Hammerpreis von 800.000 Euro zugeschlagene Bronzegruppe „Sitting Figures“ fiel an einen niedersächsischen Sammler. Christian Hagemann

Lynn Chadwick_02_©

Die zum Hammerpreis von 800.000 Euro zugeschlagene Bronzegruppe „Sitting Figures“ fiel an einen niedersächsischen Sammler.

Zu den überraschend begehrten Kunstwerken gehört vor allem ein auf 30.000 bis 40.000 Euro geschätztes Großformat des wenig bekannten, 1896 in Ratibor geborenen und 1983 in München verstorbenen Malers Georg Kinzer. Im Stil der bei Grisebach stets zu Hochpreisen abgesetzten Neuen Sachlichkeit zeigt es einen Bettler mit Hund zwischen bürgerlichen Passanten auf der Berliner Tautentzienstraße um 1930. Die Gebote stiegen von 25.000 auf 162.500 Euro zugunsten einer amerikanischen Privatsammlung.

Unmittelbar danach blieb ein Großformat des Berliner Sozialmalers Hans Baluschek mit der Darstellung eines in Berliner Industrielandschaft ruhenden Vagabunden mit brutto 100.000 Euro an der unteren Schätzung. Käufer ist ein niederländisches Museum.

Einen problematischen Auftritt hatte Los 31: Wassily Kandinskys 16,8 x 11,9 cm großes Aquarell von 1928 mit Widmung des Künstlers an einen Braunschweiger Sammler. Es wurde nach zügigem Bietgefecht für 387.500 Euro einem süddeutschen Sammler zugeschlagen. Der muss nun erst einmal warten. Kurz vor der Auktion hatte das polnische Kulturministerium moniert, das Aquarell sei aus einem polnischen Museum gestohlen worden.

US-Sammlung erwirbt ein Wollbild von Rosemarie Trockel

Der Auktionskatalog von Grisebach nennt unter den Provenienzangaben das Muzeum Narodowe in Warschau (bis 1983) und die Galerie Thomas, die es 1988 in einer Ausstellung zeigte, aus der es Maren Otto erwarb. Eine Sotheby’s-Auktion vom 5.12.1984 ist nicht erwähnt. Grisebach betont in einer Presseerklärung, dass eine Prüfung zu dem Ergebnis führte, „dass keine rechtlichen Bedenken gegen die Versteigerung bestanden“.

Jetzt wurde die Abwicklung des Verkaufs ausgesetzt. Das Haus will eine „ergänzende gerichtliche Prüfung“ einleiten und hofft nach Auskunft der Geschäftsführerin Diandra Donecker auf eine „gerichtliche Einigung, in der wir uns als Vermittler sehen“.

Die zeitgenössische Kunst spielte bei zähem Verlauf 4,3 Millionen Euro ein. Hier gab es mit brutto 500.000 Euro, die von amerikanischer Privatseite geboten wurden, einen beachtlichen Erlös für ein großes blaues Wollbild von Rosemarie Trockel. Arbeiten von ihr erscheinen selten in Auktionen. Schweizer Sammler waren erfolgreiche Bieter mit jeweils 187.500 Euro bei heimischen Werken: einem Ölbild mit farbigen Quadraten von Richard Paul Lohse und einer Halbkugel von Max Bill.

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×