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23.03.2023

12:10

Frauen im Auktionshaus – Teil 2

Diandra Donecker – Steile Karriere in der Kunstwelt

Von: Sabine Spindler

Von der Expertin für Fotografie zum CEO des Auktionshauses Grisebach: Die 35-Jährige ist seit Kurzem Co-Chefin des Berliner Kunstversteigerers. Ein Porträt.

Die 35-Jährige ist seit Dezember 2022 Mit-Geschäftsführerin des Berliner Versteigerungshauses Grisebach. Foto: Markus Jans

Diandra Donecker:

Die 35-Jährige ist seit Dezember 2022 Mit-Geschäftsführerin des Berliner Versteigerungshauses Grisebach. Foto: Markus Jans

München Diandra Donecker hat manchmal verblüffend einfache Antworten parat. Zum Beispiel auf die Frage, was sie getan hat nach dem sensationellen Zuschlag von 23 Millionen Euro für Max Beckmanns „Selbstporträt gelb-rosa“: „Na, den nächsten Kunden anrufen“. Pragmatismus und ein bisschen Berliner Lakonie umgibt die 35-Jährige. Sie ist seit ein paar Monaten Co-Chefin des Auktionshauses Grisebach, einem der führenden Häuser Deutschlands.

In der Auktionsbranche weist die gebürtige Frankfurterin eine der steilsten Karrieren vor. Schon 2017 mit Ende 20 leitete sie Grisebachs Fotoabteilung. Mit finanzieller Unterstützung ihres Großvaters kaufte sie sich sogleich als Partnerin mit einem einprozentigen Anteil ein. Heute gehört ihr ein Fünftel des Unternehmens.

Geld allein pflastert nicht den Weg in die Chefetage. Donecker hat den Ruf einer charmanten Kommunikatorin, Marktkennerin und Kunstmarkt-Strategin. Eine gute Auktion braucht mehr als eine Handvoll Topwerke, weiß sie. „Gerade in der Fotografie reicht es nicht, einzelne Positionen aneinanderzureihen.“ Es müssen Themen her, die auch über den Kreis besessener Fotosammler hinaus Menschen begeistern wie etwa Werke von Fotografinnen oder Modefotografie.

Zu ihren großen Akquise-Coups zählte 2017 ein Fotogramm von László Moholy-Nagy. Mit einem Bruttoerlös von fast einer halben Million Euro hält die experimentelle Arbeit bis heute den deutschen Auktionsrekord für eine Fotografie. „Ich fühlte mich damals am Anfang meiner Laufbahn von dem Sammler sehr geehrt, dass er mir so ein wichtiges Werk anvertraut hat. Aber ich habe ja auch nicht zu viel versprochen.“

Der nächste Streich war die Privatsammlung des Salzburger Galeristen-Ehepaars Raffaela und Thomas von Salis. Die Kollektion brachte Grisebach 2020 eine Bruttoeinnahme von mehr als einer Million Euro und den Beweis, dass Donecker auch akquirieren kann und dass ihr eigenes Netzwerk funktioniert. Mit Raffaela von Salis verbindet sie eine gemeinsame Zeit im Messebüro der hochkarätigen Münchener „Highlights“.

Das kleine, aber wirkmächtige Fotogramm hält mit einem Bruttoerlös von 487.500 Euro bis heute den deutschen Auktionsrekord für eine Fotografie. Foto: Grisebach

László Moholy-Nagy:

Das kleine, aber wirkmächtige Fotogramm hält mit einem Bruttoerlös von 487.500 Euro bis heute den deutschen Auktionsrekord für eine Fotografie. Foto: Grisebach

Dort, aber auch bei der international renommierten Zeichnungsspezialistin Katrin Bellinger, in der Print-&-Drawings-Abteilung des Metropolitan Museum of Art in New York und bei Karl & Faber hat sie die Grundregeln des Marktes aufgesaugt. Einer ihrer ehemaligen Chefs hätte sie übrigens ebenso gern in das Management aufgenommen, wie es dann 2019 der ehemalige Grisebach-Chef Bernd Schultz tat. Als sie 2019 den Platz von Florian Illies in der Geschäftsleitung übernahm, nahm ihr Schultz das Versprechen ab, einmal seine Nachfolge anzutreten.

Es zu brechen kam nie infrage. Aber der Schatten von Bernd Schultz schwebt derzeit immer noch über dem neuen Führungsduo Daniel von Schacky und Donecker. Er war ein Netzwerker par excellence, bekannt und befreundet mit zahlreichen Sammlern, die schwergewichtige Kunst besitzen. „Ich weiß, dass die Sammler 60 plus nicht unbedingt auf eine Mittdreißigerin zum Verhandeln einer Einlieferung warten“, sagt sie zu den Generationsgrenzen zwischen Einlieferern und sich selbst.

Kunstverkauf ist auch ein Pokerspiel

Sie würde sich nie wie der einstige Christie’s-Auktionator Tobias Mayer auf den Teppich werfen, um ein Kunstwerk zu bekommen. „Aber sehr emotional bin ich schon dabei. Es geht um das Niveau unseres Angebots und um unser Standing.“ Es ist manchmal ein Pokerspiel, in dem auch ein Auktionshaus Zugeständnisse machen muss. „Wir verzichten mitunter auf die Einlieferer-Courtage, aber Prozente vom Aufgeld des Käufers abzugeben, hängt sehr vom einzelnen Werk und der individuellen Wettbewerbssituation ab.“

Aber letztlich, so ihre Meinung, zählen Expertise, Authentizität und Zuverlässigkeit. Diese drei Eigenschaften schätzt auch der Verleger Lothar Schirmer an ihr: „Man fühlt sich bei ihr nicht unterfordert, und sie hat die angenehme Eigenschaft, eher vorsichtig statt forsch zu urteilen.“ Bei ihrem letzten München-Aufenthalt Ende Februar erst hat sie ihn besucht. Denn der langjährige Grisebach-Kunde gilt nicht nur als Beuys-Experte. Er besitzt zudem eine der interessantesten Fotosammlungen. Ein gemeinsames Projekt ist angedacht.

„Aber letztlich zählen Expertise, Authentizität und Zuverlässigkeit.“ Foto: René Fietzek

Diandra Donecker vor Max Beckmanns Strandbild


„Aber letztlich zählen Expertise, Authentizität und Zuverlässigkeit.“ Foto: René Fietzek

Diandra Donecker steht für eine neue Generation der Managerinnen im Auktionswesen. Als „gefühlte Easyness“ beschreibt sie, die nicht selbst versteigert, ihren Führungsstil. Als sie das erste Mal die Villa in der Berliner Fasanenstraße betrat, fielen ihr die herrliche Architektur, aber auch die ehrfurchtsvolle Stille auf. Das hielt sie für verschenktes Potenzial.

Sie forcierte die regelmäßigen Ausstellungen und Künstlergespräche und entwickelte die nur ein paar Seiten umfassende, aber großspurig aufgemachte Hochglanzzeitung „First View“. Sie macht schon Monate vor der Auktion Appetit auf die großen Werke und liefert die Hintergründe dazu via QR-Code.

Langfristiger Podcast

Als das Format Podcast erfunden wurde, sah sie darin sofort einen Ideentransformator. Das schafft Identität, das ist Markenbildung, so ihre Überzeugung. Inzwischen kommuniziert auch Karl & Faber mit Podcasts über Fragen, die die Kunstwelt bewegen.

Donecker hat keine Angst, Fehler zu machen. Zu der Entscheidung, die Fotoauktionen ab 2020 nur noch „only online“ durchzuführen, steht sie. Viele Sammler aus den USA oder der Schweiz verzichteten auf den Printkatalog und bieten vor allem online. „Das ist ein Medium, das digital genauso gut rüberkommt wie live und das Insider aufgrund genauer, professioneller Beschreibungen auch am Display bewerten können“, erklärt sie den damaligen Schritt, den manche als Reaktion auf rückläufiges Interesse interpretieren.

Durch Kunst ein Lebensgefühl verkaufen

Natürlich analysiert sie Datenbanken und Auktionspreise. Aber es gibt kein Copy-and-paste auf dem Kunstmarkt. „Wer Erfolg haben will, muss ein Lebensgefühl verkaufen“, so Donecker. Und das heißt für sie: „Es müssen Positionen sein, die angesagt sind und eine aktuelle Stimmung aufnehmen oder so bedeutend sein, dass das Werk in jeder Sammlung die Kirsche auf der Sahnetorte ist.“

Die Neue Sachlichkeit mit ihrem Zwanzigerjahre-Feeling hat gerade diese Potenz oder die gerade wiederentdeckten „Neuen Wilden“ aus den 1980ern. In der Dezemberauktion stieg zum Beispiel Rainer Fettings Gemälde „Schlittschuhläufer“ von aufgerufenen 40.000 auf brutto 162.500 Euro. Der Spirit von Berlin kommt ihr beim Erforschen des Lebensgefühls bestens entgegen.

Sicher im fashion- und designbewegten Berlin

Die Stadt hat eher eine unruhige als eine saturierte Kunstszene. Die Sammler der Hauptstadt öffnen gern ihre Türen, und wenn es geht, ist Diandra Donecker dabei. Das ist ihre Art zu netzwerken. Und wie das fashion-, kunst- und designbewegte Berlin tickt, weiß sie nicht zuletzt von ihrem Lebensgefährten Andreas Murkudis, der in Berlin einen der inspirierendsten Concept-Stores betreibt.

Donecker ist Grisebachs Brückenschlag zu den potenziellen Sammlern von morgen. „Meine Offenheit und meine Art zu kommunizieren nimmt vielen die Schwellenangst.“ Und so kann es durchaus vorkommen, dass aus Berlins breit aufgestellter Start-up-Szene auch mal jemand mit einer Million Euro in der altehrwürdigen Villa auftaucht.

Gesucht: Verkaufswillige Amerikaner

Grisebachs Bilanz 2022 mit einem Gesamtumsatz von 73 Millionen Euro ist die beste seit Firmengründung. Aber Donecker spricht im Handelsblatt-Interview mindestens dreimal davon, dass sie das Haus gemeinsam mit Daniel von Schacky zukunftsfähig machen will.


Der prachtvolle Firmensitz erschien Diandra Donecker zwar als schön, aber auch als zu leblos und leise. Sie machte die Villa zur Begegnungsstätte für Kulturfreunde. Imago

Villa Grisebach in Berlin

Der prachtvolle Firmensitz erschien Diandra Donecker zwar als schön, aber auch als zu leblos und leise. Sie machte die Villa zur Begegnungsstätte für Kulturfreunde.

Sprich Grisebach international mehr Attraktivität zu verleihen. „Der Markt für Einlieferungen ist momentan noch sehr deutsch“, verrät Donecker. Es gäbe zu wenig New Yorker und Kalifornier, die über Deutschland verkaufen wollten.

Aber gerade internationale Positionen brauchen eine Auktion, um finanzstarke asiatische und US-amerikanische Sammler zum Kauf zu animieren. Diandra Donecker ist zuversichtlich, im Doppelpack mit ihrem Co-Geschäftsführer diese strategische Nuss zu knacken. Die 23 Millionen für Beckmann sind auf diesem Weg wahrscheinlich Grisebachs bestes Aushängeschild.

Bisher erschienen in der Serie „Frauen im Auktionshaus“:

Die nächste Folge erscheint am 31.3.: Irene Lehr

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