Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

09.02.2023

15:11

Geschichte des Kunstmarkts

Renaissance-Händler Stefano Bardini – hoch kompetent, aber skrupellos

Von: Christian Herchenröder

Stefano Bardini hat den Verkauf von Werken der Gotik und Renaissance zum einträglichen Geschäft gemacht. Dafür spielte er seine Kundschaft gegeneinander aus.

Das Profilbildnis der jungen Schönen kaufte Wilhelm von Bode 1875 bei Stefano Bardini. Staatliche Museen zu Berlin/Jörg P. Anders

Sandro Botticelli

Das Profilbildnis der jungen Schönen kaufte Wilhelm von Bode 1875 bei Stefano Bardini.

Berlin Er war einer der wichtigsten Kunsthändler des späten 19. Jahrhunderts und ein Geschmacks-Pionier von großem Einfluss. Stefano Bardini (1836 –1922) betrieb in Florenz ab 1870 einen prosperierenden Handel mit Werken der italienischen Gotik und Renaissance. Der Händler prägte sogar Ausrichtung und Erscheinungsbild etlicher Museen von Rang. Aber er war auch ein kunststrategischer Wendehals.

Als Maler ausgebildet, mutierte Bardini in den 1860er-Jahren zum Restaurator. Mit diesem Vorwissen ließ sich der weitaus lukrativere Kunsthandel betreiben. Es gelang ihm, einen bis dato unreifen Markt in einen florierenden zu verwandeln. Zwar gab es mit dem aus einer Dynastie von Goldschmieden stammenden Römer Alessandro Castellani (1823 – 1883) bereits einen namhaften Kunsthändler, der in Paris und Neapel agierte.

Aber mit Bardinis breitem Netzwerk von Informanten über Kunstwerke in ganz Italien, mit seiner rigorosen An- und Verkaufspolitik und mit der Trendsetzenden Präsentation seiner Kunstobjekte war Bardini über dreißig Jahre lang ein konkurrenzloser Vertreter seiner Zunft.

Bardinis Kennerschaft war unbestritten: Kunstwerke, die er ablehnte, galten als unverkäuflich. Als passionierter Fotograf war er der erste Händler, der seine Objekte vor und nach der Restaurierung per Foto archivierte und Foto-Kataloge an Kunden verschickte.

Bardinis Aktivitäten entfalteten sich, als Florenz eine Substanz zerstörende Modernisierungswelle erlebte. Alte Häuser und Palazzi wurden abgerissen, um Straßen zu verbreitern, ein ganzes Stadtviertel wurde dem Bau der Eisenbahnlinie geopfert. Bardini war Nutznießer dieser Nivellierungswelle.

Von 1870 bis 1881 wurde der Händler so reich, dass er sich den Erwerb von Kirche und Konvent San Gregorio della Pace leisten konnte. Dazu erwarb er wenig später mit Garten den angrenzenden Palazzo Mozzi, der ihm als kolossales Magazin diente.

So wird die lichte, aber intensive Wandfarbe Blau bezeichnet. Sie lässt die Alte Kunst strahlen. Leonardo Morfini

„Blu Bardini”

So wird die lichte, aber intensive Wandfarbe Blau bezeichnet. Sie lässt die Alte Kunst strahlen.

Dieser imposante, von dem Kunsthändler mit einer Neorenaissance-Fassade bestückte Bau an der Piazza de“ Mozzi kündet noch heute als Stiftung an die Stadt Florenz von Bardinis Status als Händler, Sammler und Organisator. In den 1950er-Jahren war das „Museo Bardini“ in ein städtisches Museum verwandelt worden. Inzwischen wurde es nach alten Fotos und Inventaren wieder so renoviert und eingerichtet, wie es zu Lebzeiten des Kunsthändlers mit seinen Showräumen und Objekten die Kundschaft aus Europa und Übersee anzog.

Das sogenannte „Blu Bardini“, ein lichtes, intensives Blau – dessen Vorbild in der Sala dei Gigli des Florentiner Palazzo Vecchio zu finden ist – bedeckt die Wände des Museums. Vor diesem Farbhintergrund können sich Bilder und Skulpturen im großen Schauraum oder im Madonnen-Raum magisch entfalten. Selbst mittelmäßige oder überrestaurierte Stücke gewinnen hier eine bezwingende Aura.

Bardini setzte Kunstwerke verschiedener Zeiten und Gattungen in lockerer Gruppierung vor dieses Blau, damit das Auge sich auf Einzelwerke fokussiert. Diese neue, persönliche Methode wurde ein geschmacksgeschichtliches ‚Non plus Ultra‘. Üblich waren damals überfüllte Bilderwände. Dazu steht das klare Arrangement von Bardini in deutlichem Kontrast.

Noch heute ist Bardinis Ansatz in drei Institutionen nachzuerleben: im Bostoner Isabella Stewart Gardner Museum, im Pariser Musée Jacquemart André und im Berliner Bode-Museum, dem 1904 eröffneten ehemaligen Kaiser-Friedrich-Museum.

Blick in den Gemäldesaal. Leonardo Morfini

Museo Bardini

Blick in den Gemäldesaal.

Der Berliner Museumsdirektor Wilhelm von Bode besuchte Bardini seit 1872 regelmäßig und erwarb bei ihm Meisterwerke, die die Berliner Sammlungen krönen. Bode gibt in seinen Memoiren der Zusammenarbeit mit Bardini breiten Raum. Dort beklagt er sich aber auch, dass der Händler das Wissen um einen Berliner Ankaufskredit gegen Bode verwendet hätte. Bardini offerierte die Skulpturen – mit dem Hinweis auf Bodes Interesse – für eine höhere Summe dem reichen Sammler Baron Alphonse de Rothschild.

Dennoch war die Verbindung zu Bardini für den Berliner Museumsleiter eine langfristige Symbiose. Unbestreitbar ist: Im Gefolge ihrer beidseitigen Kennerschaft wurden der Händler und der Kunsthistoriker zu Partnern vor allem in der Aufwertung der Florentiner Renaissance. Von Bardini hatte Bode unter anderem das attraktive Frauenbildnis von Sandro Botticelli erworben, das heute in der Berliner Gemäldegalerie hängt.

Auktionen für Altmeister: Schwierig, aber niveauvoll: Barockgemälde aus der Fisch Davidson-Sammlung

Auktionen für Altmeister

Schwierig, aber niveauvoll: Barockgemälde aus der Fisch Davidson-Sammlung

Sotheby's wartet mit zwei ambitionierten Privatsammlungen für seine New Yorker Altmeisterauktionen auf. Erstmals seit sieben Jahren ist auch Christie's im Januar wieder mit dabei.

In seinem Nachruf auf Bardini in der Fachzeitschrift „Kunstchronik und Kunstmarkt“ verbindet Bode Lob mit Kritik. Er attestiert ihm ein vorzügliches Auge. „Ein besonderes Geschick bestand darin, dass er sich Zugang in die vornehmsten Familien zu verschaffen und ihr Vertrauen zu erwerben wusste“. Bode führte ihm zwar manchen kaufkräftigen Sammler zu, aber: „Dankbar erwies er sich dafür freilich nicht, sondern suchte vielmehr einen Käufer gegen den anderen, ein Museum gegen das andere auszuspielen.“

Über den großen Verwandler Bardini redet Bode nur in einem Nebensatz, in dem er erwähnt, dass der Kunsthändler jahrzehntelang Restauratoren beschäftigte, von denen er Möbel, Gemälde und Bildwerke „gelegentlich auch komponieren ließ“. Das ist eine eher dezente Bemerkung. Selbst prominente Exponate im Museo Bardini sind Zusammenfügungen verschiedener Epochen und Künstlerhände. Das wird im Museum heute aber keineswegs verschwiegen.

Im größten Saal führt eine „Ädikula“, eine Türrahmung mit Giebel, in ein Kabinett mit gotischer Skulptur und Architektur-Elementen. Von ihnen wurden manche aus Werken verschiedener Fundorte komponiert. So hat ein genialer Restaurator diese Ädikula aus genuesischen, sienesischen, toskanischen und pisanischen Elementen des 13. Jahrhunderts zusammengefügt.

Auktionen in New York: Rekordzuschlag für Goyas Doppelporträt

Auktionen in New York

Rekordzuschlag für Goyas Doppelporträt

Christie's bedient mit Altmeistern eine starke Nachfrage aus Amerika, Europa und China. Alle ausgewählten Werke aus der Sammlung Safra werden verkauft.

Manche Bildwerke, die Bardini an Museen verkaufte, wurden minutiös überarbeitet. Das zeigen in Florenz vor der Restaurierung entstandene Archivaufnahmen von Donatellos „Pazzi“-Madonna und Benedetto da Maianos Tonbüste des Filippo Strozzi, die beide noch heute in der Sammlung des Bode-Museums sind. Einstige Brüche und Fehlstellen sind selbst für das geschulte Auge kaum noch zu erkennen.

Bardinis feiner Geschmack gewann Kenner und Privatsammler wie Baron de Rothschild, den Fürsten Johannes Liechtenstein, Nélie Jacquemart, Oskar Hainauer, Albert Figdor und Grigorij Stroganoff. Sie waren seine reichsten Kunden. Wie die aufblühenden Museen in Berlin, London und Paris nutzten sie seine Kennerschaft und sein Netzwerk, selbst wenn er sie gegeneinander ausspielte.

Das Orchestrieren seiner Objekte in historischen Räumen zu einem bezwingenden Ganzen ist Teil einer Überwältigungs-Strategie. Sie verdient noch heute, wenn nicht Bewunderung, so doch Respekt.

Museo Stefano Bardini, Via dei Renai 37 am Ponte alle Grazie, Florenz; geöffnet: Freitag bis Montag 11 bis 17 Uhr

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×