DALL-E 2, Midjourney und Stable Diffusion kreieren beeindruckende Bilder, die erste Wettbewerbe gewinnen. Wie weit wird Künstliche Intelligenz den Kunstmarkt verändern?
Dall-E 2
Künstliche Intelligenz ist in der Lage, komplexe Kunstwerke zu erschaffen.
Bild: Bloomberg
San Francisco Flammen lodern. Die Kontur einer Frau ist zu erkennen. Das Feuer selbst scheint die Formen von Menschen anzunehmen. Dann verschwinden die Bilder. In einer anderen Szene ist wieder der Körper einer Frau zu erkennen. Wenige rote Stofffetzen bedecken Bauch und Arme. Krähen haben die Frau umzingelt.
Das Publikum im Alamo-Drafthouse-Kino im Zentrum von San Francisco applaudiert, als die letzten Szenen des Kurzfilms „Protoplasm“ enden. Weniger später wird der Film mit Preisen ausgezeichnet. Dabei geht es aber nicht um besondere Kameraführung oder ein gutes Drehbuch – Künstliche Intelligenz steht im Vordergrund.
Keine Szene von „Protoplasm“ wurde mit einer Kamera aufgenommen. Alles entstammen einer Künstlichen Intelligenz. Die Macherin hinter dem Film, Yuqian Sun, kommt nicht aus der Filmszene, sondern ist Informatikerin und promoviert an der britischen Kunsthochschule Royal College of Art.
Das weltweit erste KI-Filmfestival in San Francisco ist ein Symbol für eine tiefgreifende Veränderung des Kunst- und Filmmarktes. Algorithmen sind mittlerweile in der Lage, komplexe Bilder und Videos zu schaffen. Die Grenzen zu klassischer Kunst verwischen. Der Kunstmarkt könnte vor dem größten Umbruch seit Jahrzenten stehen.
KI-generierte Kunstwerke gibt es zwar schon seit einigen Jahren. Aber innerhalb der vergangenen Monate haben digitale Werkzeuge gewaltige Fortschritte gemacht. Anwendungen wie DALL-E 2, Midjourney und Stable Diffusion machen es möglich, dass die Eingabe von ein paar Worten ein fotorealistisches Bild innerhalb von Sekunden entsteht.
Noch vor wenigen Monaten waren viele der Systeme kaum in der Lage, klare Gesichter zu kreieren. Heute sind viele Bilder kaum noch vom Foto zu unterscheiden.
Die Entwicklung ist rasant. DALL-E 2 vom Softwarehaus OpenAI in San Francisco wurde im April vorgestellt. Im Mai stellte Google die beiden Systeme Imagen und Parti vor, die allerdings noch nicht frei zugänglich sind. Im Juli folgte die Vorstellung von Midjourney.
Im August folge Stable Diffusion, das unter anderem von einem Team um Professor Björn Ommer von der Ludwig-Maximilians-Universität in München entwickelt wurde. Stable Diffusion zeichnet zudem aus, dass das Problem so wenig Rechenleistung benötigt, dass es auf vielen heimischen Computern genutzt werden kann.
Beim jährlichen Kunstwettbewerb des US-Bundesstaates Colorado wurde im August ein Bild prämiert, das von einem der Text-zu-Bild-Generatoren erstellt wurde. Das ausgezeichnete Bild unter dem Titel „Théâtre D’Opéra Spatial“ wirkt wie eine Opernaufführung gepaart mit Elementen von Science-Fiction. Der erste Platz bei dem Kunstwettbewerb brachte Jason M. Allen ein Preisgeld von 300 Dollar ein.
Er habe von Anfang an transparent gesagt, dass er ein KI-Werkzeug für die Erstellung des Bildes genutzt haben. Nur den genauen Wortlaut, mit dem er das System gefüttert hatte, wollte er nicht verraten. Allen ist kein gelernter Maler. In seinem Hauptberuf leitet er das Brettspielunternehmen Incarnate Games.
In der Kunstszene führte sein Gewinn des Kunstpreises zu einer heftigen Kritik. Künstler Genel Jumalon kritisierte: „Jemand hat mit einem KI-generierten Werk bei einem Kunstwettbewerb mitgemacht und den ersten Preis gewonnen. Ja, das ist ziemlich beschissen.“
Dabei steht die Frage im Raum, ob Menschen wie Sun und Allen überhaupt die eigentlichen Urheber der Kunstwerke sind, die geschaffen wurden. Denn ein KI-Werkzeug macht deutlich mehr als etwas ein Pinsel, den ein Künstler über eine Leinwand bewegt. Algorithmen sind sogar in der Lage, ganz ohne Eingabe von Menschen Bilder oder Videos zu produzieren.
Die Frage des geistigen Eigentums sei auf den ersten Blick leicht zu beantworten, sagte Sarah Polcz von der Juristischen Fakultät der Stanford Universität. „Ein Kunstwerk, dass ausschließlich von künstlicher Intelligenz geschaffen wurde, unterliegt keinem Urheberrechtsschutz.“ Das bedeute, dass jeder so ein Werk frei kopieren könnte.
In der Praxis sei die Frage jedoch deutlich schwerer zu beantworten, sagte Polcz. „Oft entsteht ein Kunstwerk aus der Kombination von Mensch und Künstlicher Intelligenz.“
Die Frage des Urheberrechts gehe aber beim Einsatz von KI in der Kunst noch einen Schritt weiter, argumentierte Polcz. „Manche KI-Modelle werden mit Material trainiert, das per Urheberrecht geschützt sein kann“, sagte Polcz. Der Reiz einige KI-Systeme liege gerade darin, den Stil eines bekannten Künstlers imitieren zu können.
Genau dort beginnt das nächste Problem. Bis wann ist ein Werk von einem bekannten Künstler inspiriert und wann ist es eine Kopie? In der Musikindustrie wird diese Fragen bereits vor Gericht ausgetragen. Der Verband der Musikindustrie in Amerika RIAA hat eine Klage gegen mehrere Start-ups angestrengt, die per KI Stimmen oder Musik generieren. Der Verband argumentiert: „Die Nutzung von Werken unserer Mitglieder für Trainingszwecke ist unberechtigt.“
Der Ausgang der Rechtsstreitigkeiten rund um KI-generierte Werke sei noch offen, sagte Polcz. „Die Gerichte müssen nun eine Position im Umgang mit diesen Techniken finden.“
In San Francisco geht die Kunstszene bereits einen Schritt weiter. Gallerist Steven Sacks hat kurzerhand eine ganze Ausstellung in der Stadt ausschließlich Werken gewidmet, die mittels KI entstanden sind.
Der Gründer der New-Yorker Galerie Bitforms machte sich einen Namen mit digitaler Kunst. Steven Sacks sagte: „Es scheint immer Kontroversen zu geben, wenn fortschrittliche Werkzeuge auf den Markt kommen und Künstler sie nutzen.“ Nun testet Sacks erneut die Grenzen. In San Francisco organisierte Sacks eine ganze Ausstellung mit KI-Kunstwerken. Dabei geht es natürlich auch darum, den Markt zu testen. Sind etablierte Kunstkäufer bereit, viel Geld für Bilder zu zahlen, die von Algorithmen generiert wurden?
Mehrere Unternehmensberatungen und Marktforscher sind überzeugt, dass per Algorithmus generierte Bilder, Videos oder andere Objekte einen gewaltigen Markt kreieren werden. Die Beratungsgesellschaft Acument rechnet mit einem jährlichen Wachstum von 34,3 Prozent zwischen den Jahren 2022 bis 2030. Zu Ende des Jahrzehnts soll der Markt ein Volumen von 111 Milliarden Dollar erreichen.
Der Marktforscher Grand View Research geht in einer Studie von einem Marktvolumen von 109 Milliarden Dollar im Jahr 2030 aus. Und Polaris Market Research erwartet in einer Studie sogar einen Markt mit einem globalen Umsatz von 201 Milliarden Dollar im Jahr 2032.
Dabei gehen alle drei Studien davon aus, dass die KI-Systeme sehr viele Branchen abdecken werden. Hochwertig kreierte Bilder ließen sich nicht nur in der Kunst, sondern auch im Werbegeschäft, im Modemarkt, in der Bildung und Medizin nutzen.
Ob sich solch gigantische Prognosen erfüllen werden, ist aber noch völlig unklar. Das Auktionshaus Sotheby’s versteigerte schon im Jahr 2019 ein mithilfe von KI kreiertes Kunstwerk für 40.000 britische Pfund. Damals führte die Versteigerung zu großem Interesse. Mittlerweile spielen KI-Kunstwerke bei Sotheby’s eher eine untergeordnete Rolle.
Erstpublikation: 20.02.2023, 10:34 Uhr.
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