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20.01.2022

12:45

Kulturpolitik

Förderkreise im Museum: Verschwimmende Interessen

Von: Frank Kurzhals

Die öffentliche Hand hat die Ankaufsetats der meisten Museen abgesenkt. Umso wichtiger sind deren finanzkräftige Freundeskreise. Die inszenieren sich als Plattform gesellschaftlicher Repräsentanz.

Stephan und Ingvild Goetz, Thomas Girst und Dorothée Wahl (von links nach rechts). PIN.Verein; Foto: Sabine Brauer

Kunstförderer bei der PIN.-Auktion 2021 in München

Stephan und Ingvild Goetz, Thomas Girst und Dorothée Wahl (von links nach rechts).

Hamburg Fördervereine in Museen sind Interessenvertretungen. Sie werden immer wichtiger. Aber wessen Interessen vertreten sie? Nicht immer die des Museums. Das zeigt der Blick auf einen der älteren Fördervereine.

Der Bremer „Förderkreis für Gegenwartskunst“ entstand 1971 in Opposition zur Museumsleitung der Bremer Kunsthalle, die selbst von einem Kunstverein getragen wird. In Bremen dominierte bis tief in die 1970er-Jahre eine alteingesessene und konservative hanseatische Kaufmannschaft, die der zeitgenössischen Kunst keine große Liebe entgegenbrachte.

Der damalige Direktor Günter Busch war ebenfalls gegenwarts-skeptisch. Er wollte „in allen Epochen der europäischen Kunstgeschichte sammelnd und ausstellend gleichzeitig tätig“ sein, und sich auf keinen Fall zu sehr auf die zeitgenössische Kunst konzentrieren. Genau das wollte eine damals noch kleine Gruppe reformbewegter Bremer ändern.

Gegen Direktor Busch engagierten sie sich in der Kunsthalle für mehr Gegenwartskunst und gründeten einen kämpferisch aufgestellten Förderkreis. Sie wollten nicht mehr zurückblicken auf Zeiten, in denen alles vermeintlich besser war, sondern sich lust- und kunstvoll mit der Gegenwart auseinandersetzten.

Aus dieser so spannungsvollen wie selbstbewussten Tradition heraus finanziert der Förderkreis immer noch jährlich eine Ausstellung und daraus einen Ankauf. Es hatte einst gut zehn Jahre und 14 Ausstellungsfinanzierungen gedauert, bis der Förderkreis auch mit dem Direktor Freundschaft schließen konnte.

Christoph Grunenberg, Direktor der Bremer Kunsthalle seit 2011, ist voll der Anerkennung über den Förderkreis. „Wir haben nahezu keinen designierten Ankaufsetat; ohne den Förderverein, die verschiedenen Unterstützerkreise und privaten Mäzene wären wir sehr eingeschränkt, wenn es um Ankäufe geht.“ 

Die Organisatoren der PIN. Benefizauktion 2021 Sabine Brauer Photos

Katharina von Perfall, Robert Ketterer und Dorothée Wahl

Die Organisatoren der PIN. Benefizauktion 2021

Das Verhältnis von staatlicher Unterstützung zu den selbst erwirtschafteten Mitteln liegt in der Kunsthalle Bremen oft genug bei 40 zu 60 Prozent. Von diesen Eigenmitteln stammen dann bis zu 70 Prozent wiederum aus Mitgliedsbeiträgen, Sponsoring, öffentlichen und privaten Stiftungen und Spenden. Es sind kommunizierende Röhren.

„Mit der über die Jahrzehnte kontinuierlichen Abnahme finanzieller Unterstützung durch die öffentliche Hand hat die Bedeutung der Fördervereine und Freundeskreise, die Häuser wie unseres unterstützten, zugenommen.“ Und damit auch deren Macht und Einfluss, sagt Grunenberg.
Deswegen ist der Leitsatz „teile und herrsche“, ohne dass es ausgesprochen wird, in nahezu allen Museen Deutschlands das favorisierte Prinzip, um die Abhängigkeit von einer Stelle nicht allzu groß werden zu lassen. Nicht nur in der Bremer Kunsthalle.

Das Firmensponsoring nimmt ab

Ohne diese Form von Interessenvertretung in Vereinen hätte die zeitgenössische Kunst jedenfalls weniger Unterstützung, um in Museen angemessen vorzukommen. Kunstvereine und Galerien wären dann die zumeist auch noch eng verwobenen Monopolisten.

Aktivitäten des Förderkreises sind außerdem immer ein gesellschaftliches Ereignis, eine beliebte Plattform gesellschaftlicher Repräsentanz. Kunsthallen-Direktor Grunenberg beobachtet schon länger, dass die Bedeutung des Firmensponsoring weiter abnimmt, Stiftungen und private Geldgeber stattdessen einspringen. Aber warum ist das so?

Von Thomas Girst, der bei der BMW Group für das Kulturengagement zuständig ist, kommt ein erfahrungsgesättigter Hinweis. „Museen werden auch deswegen immer weniger direkt von Unternehmen durch finanzielle Unterstützung gefördert, weil ihnen oftmals die notwendige Agilität fehlt. Als gäbe es ein rotes Absperrband der Bürokratie, das Schnelligkeit und Pragmatismus verhindert.“

Der Künstler gestaltete das erste BMW Art Car 1975. Es fuhr im 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Hier steht es 2021 vor der Neuen Nationalgalerie in Berlin. BMW Art Car Collection; VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Alexander Calder

Der Künstler gestaltete das erste BMW Art Car 1975. Es fuhr im 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Hier steht es 2021 vor der Neuen Nationalgalerie in Berlin.

Da scheint es zielführender zu sein, neben vielen anderen Projekten, die Girst für BMW verfolgt, auch Fördervereine zu fördern. In München ist das „PIN. Freunde der Pinakothek der Moderne“, ein Verein von immerhin knapp 900 Mitgliedern.

Die Zusammenarbeit mit dem Förderkreis, sagt Girst, sei für beide Seiten produktiv. „Als es um die vergangene Auktion ging, konnten wir zum Beispiel unkompliziert unterstützen. Ein Anruf bei Jeff Koons, und er hat sofort und gern eine Arbeit für die Auktion zur Verfügung gestellt. Das ist Partnerschaft auf Augenhöhe.“

Die Auktion, das ist bei PIN. die jährlich stattfinden Benefiz-Auktion im November, bei der sich trifft, was Rang und Namen hat und wo Werke versteigert werden, die ebenfalls Rang und Namen haben. Gleich und gleich gesellt sich gern.

„Lange Zeit galten Unternehmen für den Kulturbetrieb als ‚Cash-Cow‘. Sie mussten nur geschickt gemolken werden und hatten dann aber ihre Schuldigkeit getan“, räsoniert Girst. „Es galt als anrüchig, sich als Museum in Unternehmensnähe zu begeben. Diese Sicht weicht glücklicherweise einer konstruktiveren Haltung, einem Dialog, der immer stärker unter Partnern, und nicht als voneinander Abhängigen wahrgenommen wird.“ 

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Das bestätigt auch Dorothée Wahl, die Vorsitzende des PIN.-Vorstandes: „Es ist ein Miteinander von Geldgebern und Geldnehmern“. Die Aufgaben seien verteilt.

„Wir nehmen keinen Einfluss auf die Museumsarbeit. Die Kuratoren und Kuratorinnen stellen uns ihre Projekte vor. Wir balancieren dann aus, was finanziell möglich ist,“ ergänzt Wahl. Und es muss reichhaltig balanciert werden. „Unser Freundeskreis PIN. unterstützt aktuell mit deutlich über 2 Millionen Euro die Arbeit der Pinakothek der Moderne und des Museums Brandhorst.“

Das „rote Absperrband der Bürokratie“, das Girst bei seiner Arbeit immer wieder vor Augen hatte, dürfte noch länger dafür sorgen, dass die staatsfernen Förderkreise für Museen an direkter Bedeutung gewinnen. Sonst wären nahezu nirgendwo mehr Ankäufe möglich.

Je enger aber die Vernetzung zwischen Geldgebern und -nehmern wird, umso weniger deutlich ist, wer welche und wessen Interessen vertritt. Da kann es schon sein, dass ein Vereinschef einer Künstlerin zu einer wertsteigernden Ausstellung verhilft, von der er selbst etliche Werke besitzt. Und so von deren Karriere profitiert. Das mag mehr noch als in Deutschland in den USA Thema sein.

Ohne Förderkreis jedenfalls läuft nichts für die zeitgenössische Kunst in Deutschland. Kunst und Geld sind die ältesten Verbündeten. Die Kunstgeschichte ist voller Beispiele, das jüngste Kapitel der Förderkreise fügt sich da nahtlos ein.

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