Vor 20 Jahren ging in Köln die Alfred Ehrhardt Stiftung an den Start. Nun überlegt die Familie von Sohn Jens Ehrhardt, wie sie das Erbe des vielseitigen Künstlers künftig bewahren will.
Alfred Ehrhardt Stiftung
Ende 2009 zog die Kunststiftung von Köln nach Berlin auf die Auguststraße. Hier bereichert sie mit einem kontinuierlich wechselndem Ausstellungsprogramm das Kulturleben Berlins.
Bild: Carsten Eisfeld; Alfred Ehrhardt Stiftung
Düsseldorf Ein besseres Zuhause konnte das Lebenswerk Alfred Ehrhardts (1901-1984) kaum finden als eine finanziell gut ausgestattete Stiftung, die es erhält und kontinuierlich öffentlich zugänglich macht. Zu verdanken hat dies der vom Bauhaus geprägte Künstler seinem Sohn, dem Fondsmanager und Vermögensverwalter Jens Ehrhardt.
Seit die von Jens Ehrhardt gegründete Alfred Ehrhardt Stiftung (AES) vor 20 Jahren an den Start ging, hat sie so viel für das Werk des Vaters getan, wie es vielleicht nur ein monografisches Künstlermuseum hätte bewerkstelligen können. Zuerst in Köln, wo sie am 25. Januar 2003 in der Nachbarschaft fotoaffiner Galerien und Institutionen eröffnete; ab Ende 2009 dann in Berlin. Dort schlug sie in einem schön restaurierten Altbau auf der Auguststraße ihr Domizil auf.
Wie es nun nach 20 Jahren weitergeht, darüber macht sich Stiftungsdirektorin Christiane Stahl schon länger Gedanken. Drei Szenarien wären vorstellbar: Das günstigste Modell wäre die Übergabe des Oeuvres in die Obhut eines Museums, wobei die Stiftung eine Stelle finanzieren könnte.
Denkbar wäre auch der Erwerb einer Immobilie, die durch die Vermietung der nicht selbst genutzten Räume und den Verkauf zeitgenössischer Fotografie finanziert werden könnte. Schließlich wird seit etwas über einem Jahr auch der Gedanke ventiliert, ein eigenes Privatmuseum zu gründen.
In den 1980er-Jahren war Alfred Ehrhardt nur wenigen Kennern ein Begriff. Das änderte sich erst, als der Galerist Gerd Schnakenwinkel mit seiner GAFF Galerie für Fotografie in Rotenburg an der Wümme sich seiner annahm und die erste umfangreiche museale Einzelausstellung 2001 in der Kunsthalle Bremen initiierte.
Blick in die Ausstellung zum 20-Jährigen Bestehen
In der Abteilung „Der Blick auf das Negativ“ konnten alle Stadien der Bildverwertung ausgehend vom Negativ im Vergleich betrachtet werden, vom zeitnah zur Aufnahme abgezogenen „Vintage Print“, über den „Later Print“ bis hin zum Abzug für die hauseigene Edition. (Foto: Barbara Seyerlein; Alfred Ehrhardt Stiftung)
Damals stand das fotografische Werk Ehrhardts im Zentrum der Aufmerksamkeit, insbesondere seine im Stil der Neuen Sachlichkeit fotografierten Nah- und Detailaufnahmen von Watt-Strukturen, Kristallen, Muscheln und Schnecken, die auch Kunstsammler begeistern. In diesen Kontext hinein verortete sich auch Ehrhardts Schaffen als Filmemacher, das sich in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre aus der fotografischen Arbeit heraus entwickelte und seinen Höhepunkt im Kultur- und Dokumentarfilm der sechziger Jahre fand.
Stück für Stück hat die Stiftung unter der Leitung von Christiane Stahl Ehrhardts Gesamtwerk konservatorisch gesichert, aufgearbeitet und in zwei Bänden publiziert. Der letzte erschien jüngst über das von der Bauhauszeit inspirierte malerische, grafische und zeichnerische Oeuvre. In Vorbereitung ist ein dritter Band über die Filme. Sie werden aufgrund ihrer besonderen konservatorischen Herausforderungen inzwischen im Filmarchiv des Bundesarchivs aufbewahrt.
Gregor Sailer „Underground Submarine Deep Water Dock“
Die aktuelle Einzelausstellung der Alfred Ehrhardt Stiftung thematisiert den Klimawandel und die wirtschaftliche Nutzung der Arktis.
Bild: Alfred Ehrhardt Stiftung; VG Bild-Kunst, Bonn 2023
Insgesamt wurden in den letzten 20 Jahren 20.000 Silbergelatineabzüge und 13.000 Negative inventarisiert, 1000 Glasnegative restauriert, die zwölf wichtigsten, preisgekrönten Experimentalfilme digitalisiert und das Dokumentenarchiv gesichert.
In der Öffentlichkeit macht sich die Alfred Ehrhardt Stiftung vor allem mit ihrem attraktiven Ausstellungsprogramm bemerkbar, das sie mit inzwischen drei fest angestellten Mitarbeiterinnen stemmt. Die Themen gehen ihr dafür so schnell nicht aus.
Neben historischen Fotografinnen und Fotografen im Umfeld von Alfred Ehrhardt geht es vor allem um zeitgenössische Fotografie und Medienkunst, die sich bezogen auf die von Ehrhardt behandelten Themen mit dem Begriff der „Natur“ und den „Konstruktionen des Natürlichen“ befassen.
Offener, zugänglicher, politischer – so baut Ulrike Lorenz die Klassik Stiftung Weimar um. Die Präsidentin spricht über neue Vermittlungsansätze, Digitalprojekte und eine Graphic Novel über Goethe.
Zurzeit verfügt die AES über ein seit zwölf Jahren unverändert gebliebenes Stiftungskapital von rund 230.000 Euro und ein jährliches Budget, das bei 400.000 bis 450.000 Euro liegt. Im Vorstand sitzen neben dem Vorsitzenden Jens Ehrhardt, Christiane Stahl, Ludger Derenthal, Leiter der Fotosammlung der Kunstbibliothek an den Staatlichen Museen Berlin, und Jens Ehrhardts Tochter Inger.
Am Ende stellt sich die Frage, wie lange Jens Ehrhardt, heute 80, seine schützende Hand über seine Herzensangelegenheit halten kann und wie sich die nächste Generation dazu verhalten wird.
Aktuelle Ausstellung: „Gregor Sailer. The Polar Silk Road“, Alfred Ehrhardt Stiftung, Auguststraße 75, 10117 Berlin, bis 2. April, geöffnet Di. bis So. 11 bis18 Uhr
„100 Jahre Bauhaus – Schülerarbeiten aus dem Vorkurs von Alfred Ehrhardt 1930-1933“, Alfred Ehrhardt Haus (Geburtshaus), Strobelplatz 2, 07819 Triptis, geöffnet So. 14 bis 17 Uhr.
Deckenmalereien von Alfred Ehrhardt in der Klosterkirche von Lamspringe, hier mit 360 Grad-Rundgang. Geöffnet ab Mai bis Mitte Oktober Mo. bis Fr. von 11 bis 12 Uhr, Do. zusätzlich von 14.30 bis 15.30 Uhr, So. von 15 bis 17 Uhr.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×