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22.02.2023

17:47

Kunsthandel

Aktuelle Kunst aus Afrika erobert deutsche Galerien

Von: Frank Kurzhals

Bei Sammlerinnen und Museumskuratoren ist zeitgenössische Kunst vom afrikanischen Kontinent gefragt. Ein Blick auf die Szene in Frankfurt, Berlin und Hamburg.

„Khat“ ist dieser seitlich stark angeschnittene Inkjet-Print auf Fotopapier betitelt, den die Galerie Stevenson im Programm hat. Der Künstler lebt seit 2002 in Berlin. Galerie Stevenson, Amsterdam

Robin Rhode

„Khat“ ist dieser seitlich stark angeschnittene Inkjet-Print auf Fotopapier betitelt, den die Galerie Stevenson im Programm hat. Der Künstler lebt seit 2002 in Berlin.

Hamburg Zeitgenössische Kunst aus Afrika ist angesagt. Sie reüssiert aktuell als das jüngste Sammelgebiet in den Kunstmuseen Europas. Immer mehr Galeristen bieten sie als selbstverständliche Ergänzung zum bisherigen Programm an. Die großen internationalen Kunstmessen fungieren dabei als Beschleuniger der Wahrnehmung. Sie schlagen Schneisen in das Dickicht der kontinuierlich anschwellenden Angebote.

Aber Afrika, das ist ein Kontinent mit über 1,3 Milliarden Menschen in 55 Ländern, unzähligen Ethnien, einem überwältigenden Reichtum an Geschichte und Geschichten und einer nahezu unüberschaubaren Sprachenvielfalt. Das spiegelt sich natürlich auch in den Künsten des Kontinents wider und lässt sich deswegen kaum auf einen Nenner bringen. Obwohl gerade in der zeitgenössischen Kunst Afrikas zumindest Tendenzen zu erkennen sind.

Zu den Kennern der Szene zählt in Deutschland die Frankfurter Galerie Sakhile & Me. Bei Sakhile Matlhare und ihrem Mann Daniel Hagemeier steht zeitgenössische Kunst aus Afrika und ihrer Diaspora im Zentrum.

Dass auch nichtspezialisierte Galerien mittlerweile Kunst aus Afrika anbieten, wird von beiden nicht als wachsende Konkurrenz gesehen. Eher als Zeichen dafür, dass sich die lange Arbeit für eine Kunst, die in Europa lange als exotisch galt, gelohnt hat: Sie scheint nun endlich in der Gesellschaft anzukommen.

Tatsächlich spricht vieles für diese Beobachtung. Ein Indikator dafür mag der jährlich verliehene Preis, der renommierte „Goslarer Kaiserring“, sein. Er folgt den Spuren der etablierten Künste, zeichnet Positionen aus, die nur selten umstritten sind. Im vergangenen Jahr erhielt ihn der britische Künstler Isaac Julien. Er ist Mitbegründer des „Sankofa Film and Video Collectiv“, das sich der Entwicklung einer unabhängigen Schwarzen Filmkultur widmet.

Und das nicht der Exzentrik zu verdächtigende Barlach-Haus in Hamburg zeigte soeben eine umfassende Einzelschau des aus Benin stammenden Georges Adéagbo anlässlich seines 80. Geburtstages. Er zählt zu den Pionieren der Avantgarde-Kunst aus Afrika.

Die in Schottland lebende Künstlerin hat Wurzeln in Zimbabwe. Sie arbeitet schwerpunktmäßig mit Fotografie. Abgebildet ist „A Hint of Blue II“, ein Digitalprint auf Aluminium Dibond von 2021. Sekai Machache; Sakhile & Me

Sekai Machache

Die in Schottland lebende Künstlerin hat Wurzeln in Zimbabwe. Sie arbeitet schwerpunktmäßig mit Fotografie. Abgebildet ist „A Hint of Blue II“, ein Digitalprint auf Aluminium Dibond von 2021.

Die Phase, in der Kunst aus Afrika nur mit Collagen aus recyceltem Material verbunden wurde, ist längst vorbei. Daniel Hagemeier von Sakhile & Me stellt fest, „dass aktuell die figurative Malerei und auch die figurative Fotografie sowie abstrakte Wandskulpturen aus Textilien und recycelten Materialien zwar noch eine zentrale Rolle spielen, aber die abstrakte Malerei immer bedeutender wird.“

Sinazo Chiya von der international aktiven Galerie Stevenson, die in Kapstadt, aber auch in Johannesburg und Amsterdam aktuelle Kunst aus Afrika präsentiert, sieht das ähnlich: „Schräge, abstrakte und ungegenständliche Formen haben in verschiedenen Medien an Bedeutung gewonnen.“ Die Galerie hat gerade auch an der Cape Town Art Fair teilgenommen.

Den steinigen Weg zur internationalen Wahrnehmung afrikanischer Kunst haben eine Reihe von impulsgebenden Ausstellungen geebnet. Dazu gehören „Afrika Remix“ 2004, organisiert von Jean-Hubert Martin im Kunstpalast Düsseldorf, und 2015/2016 „The Divine Comedy: Heaven, Purgatory and Hell Revisited by Contemporary African Artists“. Diese Wanderausstellung erreichte von Washington aus auch das MMK in Frankfurt. 2015 lenkte der Nigerianer Okwui Enwezor auf der Biennale Venedig das öffentliche Interesse mit Wucht auf zeitgenössische Kunst aus Afrika.

Kuratoren mit afrikanischem Hintergrund sind nicht mehr Ausnahme, sondern Teil des Kunst-Betriebs. Neben Enwezors grandioser Kennerschaft für die globale Zusammenschau „Postwar“ im Münchener Haus der Kunst ist auch Bonaventure Soh Bejeng Ndikung zu nennen.

Der Berliner kamerunischer Herkunft hat 2009 den nicht-kommerziellen Kunstraum Savvy Contemporary gegründet und Afrika als Kunst-Kontinent in Deutschland eingeführt. Seit Anfang des Jahres ist der nicht unumstrittene Kurator, Kunstkritiker, und Biotechnologe Intendant des Berliner „Haus der Kulturen der Welt“.

Blick in die Ausstellung der Galerie Melbye-Konan. Galerie Melbye-Konan

Yannick Ackah

Blick in die Ausstellung der Galerie Melbye-Konan.

Eine Privatsammlung wie die des Deutsch-Amerikaners Artur Walther in Ulm konzentriert sich schon lange auf zeitgenössische afrikanische Fotografie. Das stellt so mancher erst jetzt mit einiger Überraschung fest.

Was in der Foto- und Kunstszene Afrikas läuft, bringen die Großveranstaltungen stets gut auf den Punkt: Dazu zählen die „Dak’Art Biennale“ in Dakar oder die „Bamako Encounters African Biennale of Photography“. Daniel Hagemeier sieht in immer wichtiger werdenden Künstlerresidenzen in Lagos und Dakar einen weiteren Kristallisationspunkt für das aktuelle Kunstschaffen.

So viele Möglichkeiten, sich über die aktuelle Kunstproduktion zu informieren, gab es noch nie. Die Plattform „contemporaryand.com“ ist dafür geradezu ein Füllhorn. Wer vor Ort Kunst aus Afrika studieren möchte, kann das auch in deutschen Galerien.

Sakhile & Me zeigt dieses Jahr vor allem Einzelausstellungen. Sie werden auch auf der Messe im Oktober in London, der „1–54 Contemporary African Art Fair“, und im November auf der „Art Cologne“ in Auswahl zu sehen sein. Das Augenmerk des Galeristen-Paars gilt Adelaide Demoah, Mbali Dhlamini und Tuli Mekondjo. Letztere wurde 2022 auch auf der New Yorker Armory Show gezeigt. Alles Namen, die noch nicht vertraut sind, aber das Potenzial dazu haben, in die Standards einzugehen.

Die Berliner Galerie Bode plant zum Gallery Weekend der Hauptstadt Ende April sogar zwei große Hallen mit Kunst aus Afrika zu bespielen. Eine Soloausstellung soll dem Werk von Cinthia Sifa Mulanga gewidmet sein. Auf der kürzlich zu Ende gegangenen Kunstmesse in Kapstadt zeigte die Galerie ihr Programm gleich auf zwei Ständen.

In der „Main Section“ waren Arbeiten von Cinthia Sifa Mulanga, Alteronce Gumby und Patrick Alston auf dem Stand, in der „Tomorrow/Today Section“ Deborah Segun. Auch die Galerie Bode hat Künstler-Residenzen fest im Blick, vor allem im Senegal und Ghana.

Ausstellungen von Museumsqualität kündigt auch die noch junge Hamburger Galerie Melbye-Konan an. Sie zeigt in diesem Jahr zum Beispiel mit Sess Essoh und Stacey Ravvero Positionen von der Elfenbeinküste und aus Nigeria.

„Khat“ ist dieser seitlich stark angeschnittene Inkjet-Print auf Fotopapier betitelt, den die Galerie Stevenson im Programm hat. Der Künstler lebt seit 2002 in Berlin. Galerie Stevenson, Amsterdam

Robin Rhode

„Khat“ ist dieser seitlich stark angeschnittene Inkjet-Print auf Fotopapier betitelt, den die Galerie Stevenson im Programm hat. Der Künstler lebt seit 2002 in Berlin.

Auch Stella Melbye-Konan beobachtet, dass „der Trend zum Figurativen, der maßgeblich vom ghanaischen Maler Amoako Boafo geprägt wurde, in den letzten Monaten etwas zurückgegangen“ ist und die „abstrakte und halb-abstrakte Kunst“ gefragt ist.

„Künstler wie Michaela Yearwood-Dan und Jadé Fadojutimi erreichen und überschreiten auf dem Sekundärmarkt die Millionen-Dollar-Marke und werden auf dem Primärmarkt für mehrere hunderttausend Dollar angeboten.“ Mit solchen Hinweisen möchte die Galeristin die Käuferschaft vom Auktionsmarkt zu den finanziell attraktiven Galerieangeboten locken. Das klingt dann doch nach einem Ringen.

Denn wenn der Auktionsmarkt die Galerien zu überholen versucht, dann profitiert er von dem, was die Galeristinnen und Galeristen an Arbeit geleistet haben. Wie dieses Rennen um die Käufergunst ausgeht, das ist aktuell vollkommen offen. Noch haben jedenfalls die Galerien und die Kunstmessen die Nase vorn.

Adressen: Galerie Sakhile & Me, Oberlindau 7, 60323 Frankfurt; Bode, Reinbeckstr. 29, 12459 Berlin; Galerie Melbye-Konan, Mittelweg 169, 20148 Hamburg, und im Alsterhaus am Jungfernstieg 16 -20,; Galerie Stevenson, Prinsengracht 371 B, Amsterdam

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