Vor 45 Jahren eröffnete Vera Munro ihre Galerie im Haus der Schwiegereltern. Die Hamburger begegneten ihr mit eisiger Reserviertheit.
Vera Munro
Die erste Galerie richtete Munro vor gut 45 Jahren im ersten Stock des schwiegerelterlichen Wohnhauses ein.
Bild: Galerie Vera Munro
Hamburg Eisige Reserviertheit schlug der Galeristin Vera Munro in Hamburg entgegen, als sie dort ihre erste Ausstellung präsentierte. Das war 1977, vor gut 45 Jahren, im ersten Stock des schwiegerelterlichen Wohnhauses. Damals begann sie, „ohne den Hintergedanken an Feminismus, gleich mit einer Künstlerin, mit Michelle Stuart. Dann folgten Positionen von Fontana, Knoebel und auch Beuys“, erinnert sie sich.
Zeitgenössische Kunst und Hamburg, das war zu dieser Zeit offensichtlich noch eine intensive Hassliebe. Das amüsiert und entrüstet Vera Munro im Rückblick noch immer. „Die ist verrückt, die Frau Vera“, hieß es damals, „das ist doch die mit den grauen Platten und den Messerstechereien.“ Damit waren die Arbeiten von Gerhard Richter und die geschlitzten Leinwände Lucio Fontanas gemeint. Die Anfangszeiten waren aber auch hart, „weil ich mit sehr wenig Geld, für das, was ich vorhatte“, anfing.
Doch das sind tempi passati. Längst ist Vera Munro eine der bekanntesten deutschen Galeristinnen und auch die Hamburger haben mittlerweile Respekt vor ihrer Leistung. Vielleicht, so ihre leise Vermutung, weil viele, wenn auch erst sehr spät, erkannt haben, dass sich mit den von ihr ausgestellten Werken hätte gutes Geld machen lassen. Eine Ironie der Geschichte.
Kunst, davon ist sie überzeugt, „wird immer das Vergnügen einer Minderheit sein, der happy few“. Um diese „happy few“ zu finden, musste Vera Munro Hamburg immer mal wieder kurzzeitig den Rücken zukehren, um auf den bedeutenden Kunstmessen ihr Programm vorzustellen. So nahm sie seit dem ersten Jahr schon an der Art Basel teil, „weil Hamburg als Standort für Galerien zu wenig Interessenten anlockt, obwohl es hier viele Sammler gibt. Nur wenige sind allerdings an moderner oder zeitgenössischer Kunst interessiert.“
Ihr Mann Nick Munro, ein überaus erfolgreicher Schlagerkomponist, Texter und Produzent, der einige Ikonen des deutschen Schlagers schuf, bestärkte sie in ihrer Arbeit. „Ich bin immer gegen den Strom geschwommen, das hat mich oft zu einer Außenseiterin werden lassen. Der künstlerische Mainstream hat mich nie interessiert.“ Da ist es gut, im privaten Umfeld eine starke Stütze zu haben. Denn die Anfeindungen blieben noch einige Zeit, wechselten aber im Modus.
Kohei Nawa
Blick in die Ausstellung "THROWN" 2018 in der Galerie Vera Munro
Bild: Galerie Vera Munro
Der neue Vorwurf lautete, sie sei zu schön, um ernsthaft auch eine gute Galeristin sein zu können. Das wäre alles doch nur ein Hobby. Sie war zu diesen Zeiten noch ein international gefragtes Fotomodell. Shootings brachten sie in die große Welt und ihr dann schnell die Erkenntnis, dass all dies zwar aufregend, aber nicht ausreichend ist.
Erst vor einigen Jahren blickte Vera Munro in der Sommerpause ihrer Galerie auf diese Zeit zurück. Auf der Website, die sonst Ausstellungen von Günther Förg, Gerwald Rockenschraub, Helmut Dorner oder, aktuell, Jean-Marc Bustamente ankündigt, war nun das Foto eines höchst makellosen weiblichen Rückenaktes zu sehen.
Gemeint war damit aber wesentlich mehr als nur eine süffisante Replik auf die lange Tradition der Rückenakte in der Kunstgeschichte. Als Bildunterschrift war zu lesen „Die Galeristin nach der Gartenarbeit beim Studieren eines Förg Katalogs“. Diese für Munro typisch feinsinnige und gleichzeitig ironische Bemerkung bezog sich mit sanftem Triumph auf ihre Anfangszeit und auf ihre längt verstummten Kritiker.
Was ist ihr wichtig, was motiviert sie als Galeristin? Munros Antwort darauf ist verblüffend und gleichzeitig sofort einleuchtend. Es ist das Gespräch mit den Künstlern, „ich bin deren Komplizin, um zu inspirieren oder künstlerische Probleme zu diskutieren. Das ist es, was mich fasziniert und was die Künstler schätzen.“ Vor den Sammlern oder Museumsleuten begäben sich weder Künstlerinnen noch Künstler gern in solch eine Diskussion, das könnte schnell als Blöße, als künstlerische Schwäche ausgelegt werden.
Vera Munro baut auf das Vertrauen ihrer Künstler, sie ist deren Sparringspartnerin und damit größte konstruktive Kritikerin. Das fordert und fördert alle. Sie stößt Kunstprojekte an, begleitet sie, bringt sie in die richtigen Sammlungen. Dafür braucht sie Zeit. Deswegen waren mögliche Dependancen ihrer Galerie, ob nun in Seoul, Hongkong oder New York nie eine ernsthafte Frage. „Und die Erfahrung zeigt ja auch, dass die Hipster aus Seoul einkaufen, aber dann oftmals nicht zahlen.“ Diskussionszeit mit Künstlern schlägt Flugzeit für Zweigstellenbesuche.
Rückenakt mit Hintersinn
„Die Galeristin nach der Gartenarbeit beim Studieren eines Förg Katalogs“. Diese Replik bezog sich mit sanftem Triumph auf ihre Anfangszeit und auf ihre längt verstummten Kritiker.
Bild: Galerie Vera Munro
„Small is beautiful“, diese wie aus der Zeit gefallene und gleichzeitig wieder höchst aktuelle Erkenntnis hat sie schon früh geleitet. Small, das ist für sie auch die Konzentration auf einen Hauptarbeitsort, die Galerie in Hamburg. Das gibt ihr Kraft. So kann sie eines ihrer kostbarsten Talente zielsicherer einsetzen, nämlich die künstlerischen Talente anderer zu erkennen und zu fördern. Wobei sie sich auf „Mid-Career-Artists“ konzentriert. Also diejenigen, die bereits einen Teil des Karriereweges gegangen sind, aber den größeren, vielleicht auch erfolgreicheren noch vor sich haben.
Munro, die aus einer Fabrikantenfamilie stammt, studierte nach einer kaufmännischen Ausbildung Kunstgeschichte, fand dann aber, dass die aktuelle Kunst für sie wesentlich attraktiver ist als die stundenlangen akademischen Analysen von Arbeiten der vergangenen Jahrhunderte. Gegenwärtigkeit ist seitdem ihre Stärke geblieben.
Ihre Galerie gewann an Renommee, sie wurde größer, schon bald musste sie für ihre Unternehmung neue Ausstellungsräume suchen. 1985 kaufte sie eine alte herrschaftliche Villa in Hamburg-Eppendorf. „Das Konzept, das sich die zu der Zeit noch jungen Architekten Herzog & de Meuron mit mir zusammen für den Altbau überlegt hatten, trägt noch immer“. Es sind schöne, auf die ausgestellten Werke konzentrierte Räume mit einem später gelungen auf das Dach des Hauses gesetzten, neuen Ausstellungsraum, dem vielleicht schönsten in Hamburg.
Damit sie diese Räume weiterhin gut mit Ausstellungen bespielen kann, konzentriert Munro auch ihre Messeaktivitäten, denn „es gibt zwar insgesamt immer mehr Kunstmessen, aber leider mit einer immer schlechteren Qualität“. Diesen Weg will sie nicht mitgehen.
Stattdessen hat sie vor einigen Jahren eine andere Idee entwickelt, auch, um der zeitgenössischen Kunst in Hamburg ein neues Gravitationszentrum zu geben. Zusammen mit ihrem Mann konnte sie noch vor dessen Tod 2013 eine Stiftung ins Leben rufen, die „Nick und Vera Munro Stiftung“. Sie lässt ausgewählten Künstlern freie Hand, um ein Projekt umzusetzen, das sich ohne diese Unterstützung nicht finanzieren ließe.
Rosemarie Trockel war die erste, die 2020 von der Stiftung eingeladen wurde. Aktuell ist ein komplexes Werk von Talya Feldmann, „Cut from Blue Sky“, ausgestellt, in dem es um die mediale Darstellung von Gewalt geht. Es ist die erste Ausstellung der US-Amerikanischen Künstlerin in Deutschland.
Grundidee der Stiftung ist es außerdem, die geförderten Werke nach der Galerie-Präsentation einem Museum, nicht zwingend einem Museum in Hamburg, zu übereignen. Das ist mehr als nur eine schöne Geste. Es ist Kunstförderung in einer Stadt, die es der Galeristin schon immer etwas schwerer gemacht hat, Ideen umzusetzen.
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