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01.09.2022

09:09

Kunstmarktdienstleister

Artnet AG: Was sich ändern soll, damit das Unternehmen dividendenfähig wird

Von: Stefan Kobel

Nur mit knapper Mehrheit hat es Gründer Hans Neuendorf in den Aufsichtsrat geschafft. Rüdiger Weng drängt weiterhin auf große Veränderungen in der Struktur des Internetpioniers.

Der Druck von 1969 erzielte in einer Artnet-Versteigerung im März 2022 150.000 Dollar. Quelle: Artnet

Ed Ruscha „Mocha Standard“:

Der Druck von 1969 erzielte in einer Artnet-Versteigerung im März 2022 150.000 Dollar. Quelle: Artnet

Berlin Die Palastrevolte ist beim Berliner Kunstmarktdienstleister Artnet AG ausgeblieben. Der Kampf um die Mehrheit ist auf der online abgehaltenen Hauptversammlung am vergangenen Freitag denkbar knapp zugunsten von Hans Neuendorf ausgegangen, dem Artnet-Gründer, Ex-Vorstandsvorsitzenden und Aufsichtsratsmitglied.

Die Kampfabstimmung um einen Aufsichtsratsposten gegen den Gründer und CEO der WFA, Weng Fine Art AG, Rüdiger Weng (60) konnte das 85-jährige Familienoberhaupt mit 50,7 zu 49,3 Prozent des anwesenden Kapitals für sich entscheiden. Allerdings wurde Neuendorf für das abgelaufene Geschäftsjahr nicht entlastet, da er selbst nicht über seine eigene Entlastung abstimmen durfte. Beide Kontrahenten kontrollieren jeweils rund ein Viertel der Aktien und ringen seit Jahren um die Vorherrschaft bei dem Internetpionier.

Einzig der Aufsichtsratsvorsitzende, der Berliner Rechtsanwalt Pascal Decker, genießt das Vertrauen fast aller Beteiligten: „Ich freue mich über die breite Unterstützung der Aktionäre von 95 Prozent der abgegebenen Stimmen“, erklärt er dem Handelsblatt.

„Ich werde diesen Vertrauensbeweis nutzen, die Erneuerung von Artnet in den kommenden beiden Jahren mit aller Kraft voranzutreiben. Allen Beteiligten muss klar sein, dass sich bei Artnet einiges ändern muss, damit das Unternehmen dividendenfähig wird.“

Kurz vor der Hauptversammlung waren der Halbjahresbericht sowie ein Sonderprüfungsbericht veröffentlicht worden, die bei Teilen der Aktionäre jeweils Anlass zur Sorge waren. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum hat sich das Defizit bei einem um 8 Prozent auf 12,9 Millionen Dollar gesunkenen Umsatz massiv ausgeweitet auf 1,2 Millionen Dollar.

2021 hatte das Minus noch bei 300.000 Dollar gelegen. Ein Grund für den Verlustzuwachs ist die Erweiterung des Führungsteams, unter anderem durch eine neu ins Unternehmen geholte Vorständin.

Vier Kinder in der Firmenleitung

Dem aktivistischen Aktionär Weng stoßen besonders der hoch dotierte Beratervertrag Neuendorfs sowie die Häufung seiner Kinder im Unternehmen auf. Abgesehen von einem Sohn, der das Unternehmen kurz vor der Hauptversammlung verlassen hat, sind mit Jacob Pabst (CEO), Albert (Chief Strategy Officer) und Sophie Neuendorf (Vice President) insgesamt vier Familienmitglieder in herausgehobenen Positionen tätig.

Freiwillige Sonderprüfung erst spät veröffentlicht

Diese Umstände waren Anlass für Weng und gleichgesinnte Aktionäre, auf der letzten Hauptversammlung eine „Freiwillige Sonderprüfung“ zu erzwingen. Deren Ergebnis wurde allerdings erst veröffentlicht, als die Frist zur Einreichung von Fragen zur aktuellen Hauptversammlung bereits abgelaufen war. Inhalt und Ergebnis des Berichts interpretieren beide Parteien unterschiedlich.

Der CEO von Artnet verzichtete in den letzten beiden Jahren auf die variablen Bestandteile seiner Vergütung. Quelle: Artnet

Jacob Pabst:

Der CEO von Artnet verzichtete in den letzten beiden Jahren auf die variablen Bestandteile seiner Vergütung. Quelle: Artnet

Pabst sieht sich bestätigt und erklärt: „Der Sonderbericht hat ergeben, dass die Vorstandsvergütung angemessen ist, und sich laut professionellen Beratern aus New York sogar im unteren Drittel vergleichbarer Firmen befindet.“ Zudem habe er in den letzten beiden Jahren auf die variablen Bestandteile seiner Vergütung verzichtet.

Den Kritikern reicht Pabst die Hand: „Aufsichtsrat und Vorstand sind offen für konstruktive Gespräche mit allen Aktionären und verfolgen diese auch proaktiv.“ Zugleich glaubt er jedoch: „Der Vorstand kann für die Artnet AG keine strategischen Vorteile durch eine kommerzielle Zusammenarbeit mit der WFA AG sehen, die über die normalen Geschäftsbeziehungen mit allen anderen Artnet Kunden hinausgeht.“

Der Internetpionier ist Artnet-Gründer, Ex-Vorstandsvorsitzender und Aufsichtsratsmitglied. Der Beratervertrag des heute 85-Jährigen steht auf dem Prüfstand. Quelle: Artnet

Hans Neuendorf:

Der Internetpionier ist Artnet-Gründer, Ex-Vorstandsvorsitzender und Aufsichtsratsmitglied. Der Beratervertrag des heute 85-Jährigen steht auf dem Prüfstand. Quelle: Artnet

Immerhin scheint der Druck Wirkung zu zeigen. Auf der Hauptversammlung deutete Pabst an, dass der Beratervertrag von Hans Neuendorf nicht erneuert werden könnte. Und auch Decker erklärt auf Nachfrage: „Der Sonderbericht gibt wichtige Hinweise zum Beratervertrag von Hans Neuendorf, die der Aufsichtsrat nun in Ruhe analysieren wird. Das Ergebnis dieser Analyse wird die Entscheidung über die Verlängerung des Vertrages zum Jahresende beeinflussen.“

Rüdiger Weng hingegen liest aus dem Bericht, dass es „bei Artnet eine enorme Anzahl von Verstößen der gesamten Verwaltung gegen Aktienrecht und Corporate Governance, mögliche Veruntreuungen und etliche Unklarheiten in der Buchhaltung“ gegeben habe.

Weng strebe jetzt eine gesetzliche Sonderprüfung an. „Diese hat nach unserer Einschätzung aber das Potenzial, die gesamte Verwaltung hinwegzufegen“, glaubt er. „Daneben könnte es Gespräche mit Parteien geben, die Interesse an einem Einstieg bei Artnet haben.“ Der Kampf um Artnet ist also noch lange nicht entschieden.

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