Prozessgenerierte Kunst und ein klares Bekenntnis zum Globalen Süden schärfen das Profil der Kunstmesse „Art Dubai“.
Projizierte Kunst
Die „Art Dubai“ ist nicht die einzige Messe, die sich bemüht, prozessgenerierte Kunst aus dem Schatten der NFT-Diskussion zu holen und sammelwürdige Wandformate zu präsentieren.
Bild: Cedric Ribeiro; Getty Images for Art Dubai
Dubai Die 16. Ausgabe der am Sonntag beendeten „Art Dubai“ fand in dem zurzeit wirtschaftlich besonders aktiven Zentrum der Vereinigten Arabischen Emirate statt. Bei Weitem keine junge Messe, hat sie das politische Auf und Ab der Region im Kontext der Weltöffentlichkeit miterlebt und stets widergespiegelt. Seit Langem als wichtigste Kunstmesse im Nahen Osten gepriesen, litt die Messe jedoch nach Jahren des Aufschwungs unter dem problematischen Image, das Dubai politisch prägt.
Konnte die Messe 2017 und 2018 noch über 90 Galerien aus mehr als 40 Ländern verzeichnen, waren es 2019 nur mehr 59 Galerien aus 34 Ländern. 2020 und teilweise 2021 machte die Pandemie auch der Art Dubai einen Strich durch die Rechnung. Seit 2022 gibt sie sich verjüngt und versucht, sich mit Innovationen und einem klaren Bekenntnis zum globalen Süden von anderen regionalen Messen zu unterscheiden.
Dabei ist es ihr gelungen, unter der künstlerischen Leitung des Spaniers Pablo del Val 130 Galerien zusammenzubringen. Leider ist die Qualität vor allem an den Rändern gemischt. 100 Galerien hätten der Messe besser gestanden.
Besonders spannend war die neue digitale Abteilung. Hier präsentieren 22 Galerien, Sammlungen und Produktionsfirmen digitale Kunst. Die Art Dubai ist nicht die einzige Messe, die sich bemüht, prozessgenerierte Kunst aus dem Schatten der NFT-Diskussion zu holen und sammelwürdige Wandformate zu präsentieren.
Doch der Erfolg war uneinheitlich. Die Unit-Galerie aus London verkaufte neue Arbeiten des gehypten NFT-Künstlers Tyler Hobbs – jeweils zu 240 Ether, um die 370.000 Dollar. Galerist Joe Kennedy sieht gleich die Zukunft in „Bluechip-generativer Kunst“.
Experimenter
Die Galerie aus Indien brachte Gemälde und Wandreliefs mit zur Kunstmesse „Art Dubai“.
Bild: Spark Media for Art Dubai
Gazelli aus London widmete dem Briten Brendan Dawes eine Soloshow . Dessen „Persische Träume“ verbinden antike und aktuelle Bildmotive durch Künstliche Intelligenz, klassische Choreografie und Algorithmen. Darüber hinaus sprechen sie durch die Zusammenarbeit mit Komponisten auch das Ohr an.
Leider übersah man in den dunklen Räumen die Kopfhörer für das akustische Erlebnis. Jedes Unikat kostet 36.000 Dollar. Die meisten der Arbeiten in dieser Sektion waren nicht nur mit Kryptowährung, sondern auch mit gewöhnlichem Geld zu bezahlen. Ein weiterer Versuch, das neue Medium auch in breiteren Sammlerzirkeln zu etablieren.
Im Unterschied zu früheren Ausgaben verband die Messe zwar noch immer moderne und zeitgenössische Positionen. Aber diesmal waren die Klassiker in die allgemeine Messe integriert und nicht abgelegen isoliert. Somit konnte man historisch faszinierende Einzelpositionen von Künstlerinnen wie Mona Saudi bei Lawrie Shabibi – zu Preisen zwischen umgerechnet 18.000 und 160.000 US-Dollar – oder Monir Shahroudy Farmanfarmaian bei The Third Line verfolgen.
Zeitgenössische Positionen wurden von Galerien aus der Region, dem weiteren asiatischen Umfeld und ausgesuchten Galerien aus Europa vertreten. Kunst aus dem Nahen Osten und Asien dominierte. Der Blick auf neue Arbeiten bot Besuchern einen guten Eindruck nicht nur von stilistischen Besonderheiten, sondern auch von den ganz eigenen Problemen postkolonialer Länder.
Leider sind die recht kleinen Stände oft auch nur mit kleinen Arbeiten bestückt. Die Art Dubai ist eben keine Messe, wo man das große Geld parkt. Die Preise rangieren von wenigen Tausend Dollar bis zu angeblich sechsstelligen Beträgen.
„Art Dubai“ 2023
In der neuen digitalen Sektion präsentieren 22 Galerien, Sammlungen und Produktionsfirmen digitale Kunst.
Bild: Art Dubai
Einer der wenigen experimentellen Stände war der von Sanatorium aus Istanbul: Hier bespielte der Künstler Kerem Ozan Bayraktar den ganzen Raum mit einem fiktiven Büro, das in einem Wald von Zimmerpflanzen unterzugehen schien. Bei Lawrie Shabibi zeigte der Deutsch-Iraner Timo Nasseri neue Arbeiten, die in ihren Abstraktionen und mit dem Aufwand im Detail gut ankamen.
Nasseri hat zurzeit auch eine Einzelausstellung in der Galerie aus dem Dubaier Galerienviertel Alserkal. Permanente Räume haben dort mittlerweile auch die Custot Gallery, vielen als Teil von Waddington Custot aus London bekannt, und der omnipräsente Emmanuel Perrotin. Beide stellen gleichfalls auf der Messe aus.
Das Plus der Art Dubai: Sie wiederholt nicht das ewig gleiche Bild von Messen wie „Frieze“ oder „Art Basel“. Die Messe trägt sowohl den „Expats“ in der Stadt Rechnung als auch internationalen Besuchern aus aller Welt. Aber auch Einheimische werden sicher Interessantes finden. Allerdings ist deren Sammeltätigkeit aus religiösen Gründen so privat, dass wenig bekannt ist.
Anders sieht es mit der in jüngster Zeit stark angewachsenen Zahl an Expats aus. Deutsch hörte man an jedem Tag auf den Messegängen. Ein Münchener Sammler, der zum zweiten Mal auf der Messe war, besuchte Freunde in Dubai und kaufte nebenbei Kunst.
Auch Matthias Mühling, Direktor des Lenbachhauses in München, war als Teil der eingeladenen Kuratoren präsent. Er studierte das Angebot genau, auch im Hinblick auf die Erweiterung der heimischen Sammlung. Das museale Interesse war dabei gerechtfertigt, fand die Messe doch zeitgleich mit der Biennale in Schardscha statt. Das bedeutete, dass einige Galeristen Künstler zeigten, die auf der Biennale vertreten sind.
Das Kunstmuseum Bonn entführt sein Publikum auf eine Reise durch die abenteuerliche Welt der computergestützten Fotografie.
Dazu gehört die Berliner Galeristin Barbara Thumm, die zum ersten Mal in Dubai ausstellt, da sowohl María Magdalena Campos-Pons als auch El Hadji Sy Installationen auf der Biennale haben. Ob sich das für sie finanziell lohnt, war zum Zeitpunkt des Gesprächs noch nicht klar. Aber auch die wichtige indische Galerie Chemould Prescott Road setzt auf die Biennale und auf Inder, die in Dubai leben.
Fast 30 Prozent der Ausländer in Dubai kommen aus Indien, das wie die Vereinigten Arabischen Emirate weiterhin ein steigendes Bruttoinlandsprodukt verzeichnet. Die 2019 gegründete Ishara Foundation in Alserkal sei die einzige Stiftung mit Fokus auf südasiatische Kunst außerhalb Südasiens, sagte Messechef del Val.
Obwohl die Gerüchteküche um russisches Geld auf der Messe brodelte, ist es nicht wahrscheinlich, dass Oligarchen ihr Geld in junge Kunst aus dem globalen Süden investieren. Sowieso nur in Ausnahmefällen als Kunstsammler bekannt, investieren sie ihr Geld eher in Grundbesitz, Uhren, Schmuck und teure Autos. Wenn man wissen wolle, was Russen in Dubai machen, solle man sich an die globalen Auktionshäuser und deren lokale Büros wenden, hieß es. Denn die weiten ihr Engagement in der Region aus.
Aber auch ohne Russen muss die Messe weiterhin einen Spagat machen – ein engagiertes Programm: Kritische und nicht immer leicht zu verstehende Kunst hat es nicht einfach in der eher als Party- und Geldmetropole bekannten Stadt, die allen Reichen der Welt gerne ein Zuhause bietet.
Kulturell sieht es hier aber immer noch dürftig aus. Künstlerische Initiativen sind oftmals klein und versteckt. Und es gibt immer noch kein Kunstmuseum. Trefflich bemerkte eine Sammlerin aus der Region in einer Diskussion auf der Messe, dass erst wenn Kunst im öffentlichen Raum gefördert werde, sich die Kunst- und Sammlerszene in Dubai ausweiten würde. Es gibt also noch viel zu tun. Dem zuzusehen ist spannend und eine Reise wert.
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