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17.11.2022

14:10

Kunstmesse

Rundgang über die Art Cologne: Entdeckungen jenseits des Mainstreams

Von: Susanne Schreiber

Die 55. Art Cologne präsentiert sich größer als im Vorjahr und mit neuem Hallenplan. Alle deutschen Galerien von Gewicht sind dabei. Die Kunst ist international, jung und nicht zu teuer.

Ex-Kanzlerin Angela Merkel im roten Blazer in einer Gruppe verkleideter Gamerinnen auf der Art Cologne (Ausschnitt). Simon Vogel; Galerie Nagel Draxler Berlin/ Köln/ München

Christine Wang „Gamescom“

Ex-Kanzlerin Angela Merkel im roten Blazer in einer Gruppe verkleideter Gamerinnen auf der Art Cologne (Ausschnitt).

Köln Angela Merkel ist auf der „Art Cologne“. Im roten Blazer, die Hände zur Raute geformt, lächelt die Ex-Kanzlerin herzlich, um sie herum für‘s Rollenspiel verkleidete Gamerinnen. „Gamescom“ heißt das attraktive, aus Memes zusammengesetzte Frauenbild der Amerikanerin Christine Wang am Stand der Galerie Nagel Draxler aus Berlin. Ausgepreist ist das Figurenbild mit 17.000 Euro, zuzüglich Mehrwertsteuer.

Die 55. Ausgabe der Art Cologne bringt zusammen, was Sammlerinnen und Sammler von Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts beglückt. Sie ist mit 190 Galerien größer als 2021 und wartet dazu mit einem neuen Hallenplan auf. Der ermöglicht durch Plazas an den Ecken zugleich große Räume für voluminöse Skulpturen, Blickachsen auf die angrenzenden Branchengrößen und Ruheplätze.

Aus Österreich reisen 17 Aussteller an, aus Belgien und Holland 15, aus Frankreich und der Schweiz je acht Galerien. Der Ausländeranteil bei den Galerien liegt bei 37 Prozent. Auch wenn Mega-Galerien wie David Zwirner und Hauser & Wirth wieder fernbleiben, alle deutschen Galerien von Gewicht sind dabei.

Aber vor allem ist die Kunst international, jung und nicht zu teuer. Hier lassen sich noch Entdeckungen machen jenseits des genormten, hochpreisigen Mainstream-Angebots der Messen in Basel oder London. So lenkt die Galerie Gebr. Lehmann in Halle 11.2 den Blick auf anspielungsreiche Hinterglasbilder von Beate Hornig. Gemalt, gekratzt, mit Stoff hinterlegt, entfalten sie einen Sog. Zu haben sind sie für 1600 bis 2300 Euro.

Verblüffend sind auch die Cut-outs von Claire de Santa Coloma bei Klaus-Gerrit Friese. Feinste Muster und Cluster, geschnitten in helles Papier, spielen mit Licht- und Schatteneffekten, zu Preisen ab 4700 Euro. Carsten Fock bei Jochen Hempel überrascht mit Landschaftszeichnungen, die Erwartungen gekonnt brechen und doch Lichtstimmungen einfangen (7000 Euro).

Aber auch wer in große Namen investieren möchte, wird auf der Art Cologne fündig. Samuelis Baumgarte konfrontiert die Poesie von Miro und Calder. Aeneas Bastian bietet Joseph Beuys‘ Konzertflügel-Skulptur für 5,2 Millionen Euro an. Die Galerie von Vertes hängt ein Gartenbild von Claude Monet für 6,5 Millionen Euro zu eng neben eine Abstraktion von Gerhard Richter für 5,5 Millionen Euro. Was beide verbindet, ist die ähnliche Farbpalette.

Wie ausgeschnitten und collagiert wirken die monochrom farbigen Flächen auf dem großformatigen Bild „Why Opinions Form“ (2021), das mit Öl auf Leinen gemalt wurde. Thaddaeus Ropac auf der Art Cologne 2022

Jonathan Lasker

Wie ausgeschnitten und collagiert wirken die monochrom farbigen Flächen auf dem großformatigen Bild „Why Opinions Form“ (2021), das mit Öl auf Leinen gemalt wurde.

Die Galerie Ropac hält große Bilder von Georg Baselitz, Jonathan Lasker und Imi Knoebel bereit. Dessen pastellig getönte „Figura: Chi“ wechselt für 235.000 Euro die Hände. Berühmte Namen von Stammkünstlern sowie Erstpräsentationen von Aufsehen erregendem Nachwuchs findet man auch bei Rodolphe Janssen aus Brüssel und Kamel Mennour aus Paris.

Bei ersterem fällt das Thema Emigration in den Porträts von Omar Mahfoudi auf (ab 1300 Euro), bei Letzterem eine hinreißende Großzeichnung auf Packpapier von einem Falken. Asiatische Falkenverehrung verbindet sich da mit europäischer (20.000 Euro).

Omar Mahfoudi wird im Rahmen der Förderkojen der New Positions gezeigt. In dieser Reihe figurieren auch die objekthaften Bilder von Carolin Eidner bei der Galerie Scheibler. „Ästhetisch und sinnlich stehen sie für mich in der Nähe von Miro und Twombly. Sie sind so poetisch wie Paul Klee oder Sigmar Polke,“ sagt Aurel Scheibler dem Handelsblatt. „Durch ihre Offenheit und scheinbare destruktive Qualität stehen sie ganz in unserer Zeit und weisen doch darüber hinaus.“

Selten sind radikal abstrakte Gemälde so ausbalanciert wie bei Sophie Heinrich am Stand der Galerie Pfab. „Sie arbeitet äußerst präzise, malt große Formen, meist Dreiecke, die sich dann neben präzise gesetzten, oftmals tastend wirkenden Linien wiederfinden. Es ist eine Malerei, die keine Korrekturen erlaubt, die großen langen Linien müssen beim ersten Versuch sitzen.“

Am Stand von Filiale und der Galerie Bärbel Grässlin prallen energische Malerpranken aus zwei Generationen aufeinander. Die filigranen Erkundungen von Alicia Viebrock beginnen bei 10.000 Euro, Herberts Brandls kompaktere Bilder bei 35.000 Euro. Für Bärbel Grässlin „ist die Art Cologne die Mutter aller Kunstmessen, die trotz wirklich starker internationaler Konkurrenz immer noch einen hohen Stellenwert im Karussell der Messen hat.“

Bei der mit dem Art Cologne-Preis ausgezeichneten Galeristin Monika Sprüth von Sprüth Magers fällt ein gelungenes Kabinett mit Gemälden und Glasskulpturen von Andreas Schulze auf. Die Preise liegen hier zwischen 5000 und 40.000 Euro.

Die beiden Berliner Galeristen haben ihre Solopräsentation der Textilkünstlerin Sofie Dawo (1926—2010) gewidmet. Art Cologne 2022

Auf dem Stand von Jochum Rodgers

Die beiden Berliner Galeristen haben ihre Solopräsentation der Textilkünstlerin Sofie Dawo (1926—2010) gewidmet.

Erstmals dabei ist Mehdi Chouakri. Einer seiner Hingucker ist ein Unikat von Sylvie Fleury: ein Make up-Döschen im XXL-Format. Dabei erinnern die Puderkissen in „Precious Rocks“ an die „shaped canvases“ der US-Malereigeschichte. Erwartet werden 83.000 Euro.

In der Halle 11.1. wird die Kunstgeschichte verhandelt. Hier entfalten die Galerie Thomas Derda mit Kölner Konstruktiven und Eric Mouchet ein Panorama der deutsch-französischen Avantgarde-Kunst. Im Zentrum steht Robert Michel, dessen beidseitig bemaltes Hauptwerk von 1919/20, „Das Schiff“, 800.000 Euro kosten soll. Papierarbeiten beginnen bei 2500 Euro. Arbeiten von befreundeten Zeitgenossen wie Schwitters und Willi Baumeister runden das Angebot ab.

Wie eine Schatzinsel ruht die „Art + Objekt“ mit 13 Kojen im Zentrum der unteren Halle. Sie ist, was von der einst im November abgehaltenen „Cologne Fine Art“ übrig ist. An den besten Ständen zeigen die angewandten Künste, warum ein Designer-Tisch oder ein barockes Möbel Kunstwerke sind.

Auf diesmal „nur“ 36 Quadratmetern präsentiert der Händler ausgewählte Werke, für die er programmatisch steht: japanische Kalligraphie und Malerei von Inoue Yuichi (Mitte), informelle Malerei aus dem Nachlass von Günter Dohr , Skulpturen von Abraham David Christiansen (l.), Heiner Koch und Hede Bühl (r.), im Vordergrund eine frühe, nur in sehr kleiner Stückzahl und besonderen Maßen hergestellte Tagesliege von Mies van der Rohe. Galerie Kirbach; VG Bild-Kunst u.a. für Bühl

Der Stand der Galerie Kirbach in der Sektion „Art + Objekt“

Auf diesmal „nur“ 36 Quadratmetern präsentiert der Händler ausgewählte Werke, für die er programmatisch steht: japanische Kalligraphie und Malerei von Inoue Yuichi (Mitte), informelle Malerei aus dem Nachlass von Günter Dohr , Skulpturen von Abraham David Christiansen (l.), Heiner Koch und Hede Bühl (r.), im Vordergrund eine frühe, nur in sehr kleiner Stückzahl und besonderen Maßen hergestellte Tagesliege von Mies van der Rohe.

Das barocke Möbel findet sich bei Dr. Schmitz Avila & Söhne. In den Stand von Sebastian Jacobi locken zwei bemerkenswerte Tische. Der dreibeinige runde Esstisch von Erich Dieckmann soll 4500 Euro kosten. Für Mies van der Rohes Tisch mit Ebenholzplatte von 1930 muss der Kenner 120.000 Euro hinblättern. Jacobi ist mit seiner Firma Meinweiss home auch Organisator der Art + Object.

Den besten Stand haben Jochum Rodgers. Die beiden Berliner widmen ihre Solopräsentation der aus dem Blickfeld verschwundenen Textilkünstlerin Sofie Dawo (1926—2010). Die Saarbrücker Professorin arbeitete freier als Anni Albers.

Dawos ungegenständliche Zeichnungen fangen Rhythmus und Esprit der Zero-Zeit so kühn wie schwungvoll ein (5500 Euro). Unikate wie ein großer Teppich mit Relief sollen 60.000 Euro kosten. Hier lernt die Besucherin, dass es auch vor Rosemarie Trockels fremdgestrickten Wollbildern Bilder aus Faden und Gewebe gab.

Messedirektor Daniel Hug gab bekannt, dass der Novembertermin der Art Cologne künftig erhalten bleibt. Es war bis 2006 ihr angestammter Termin. Die Art + Object wird hoffentlich erweitert. Gute Design-Händler mit Interesse gäbe es. Und Platz ist auch vorhanden.

Parallel zur Art Cologne sei der Besuch der Ausstellung „Worth Fighting For“ in der alten Opelwerkstatt an der Kölner Oskar-Jäger-Straße 97-99 empfohlen. Hier treten auf einer Fläche von 2400 Quadratmetern die Werke ukrainischer und internationaler Künstlern in einen Dialog vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Möglich gemacht haben es PinchukArtCentre, M HKA, ArtAsyl e.V., Rotary Club Köln-Ville, Zilkens Fine Art lnsurance Broker GmbH und zahlreiche ungenannte Spender.

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