Über die Hintergründe eines Verdrängungswettbewerbs: Der Art Basel ist es gelungen, sich in der Kunstmetropole Paris zu etablieren und die Konkurrenz beiseite zu schieben.
Grand Palais
Schön aber unpraktisch für eine Kunstmesse. Zurzeit wird renoviert.
Bild: Fiac Paris
Paris Es war ein Coup, als die MCH Group AG Ende Januar zweierlei verkünden konnte: Erstens als Global Player mit der „Art Basel“ auch in Paris eine Messe zu veranstalten und zweitens das an dem Ort und an dem Termin zu tun, den bislang die Konkurrentin „Fiac“ (Foire internationale d’art contemporain) besetzt hatte.
Warum aber vermietet die Réunion des Musées Nationaux – Grand Palais (RMN-GP) das Grand Palais an die Schweizer und nicht mehr an die Fiac? Deren langjähriger Betreiber, RX France, hatte sich auf allen Seiten unbeliebt gemacht. Das ergab die exklusive Handelsblatt-Recherche.
RX France, eine Tochter der englisch-holländischen Gesellschaft RELX Group, hatte im Herbst 2021 angekündigt, 200 von 600 Mitarbeitern zu kündigen, ohne eine Begründung bekannt zu geben. Die Leitung der beiden von RX France betriebenen Messen Fiac und „Paris Photo“ sollte eine einzige Direktorin übernehmen. Wird das Jennifer Flay sein, die langjährige Fiac-Direktorin, die gemeinsam mit Martin Béthenod die Pariser Kunstmesse auf internationales Niveau gehievt hatte?
Die Antwort blieb der Generaldirektor von RX France, Michel Vilair, dem Handelsblatt gegenüber schuldig. Er spreche zuerst mit seinem Team, teilte er im Januar 2022 telefonisch mit. Die Fiac ist Geschichte, denn die Art Basel wird nur die „Art Paris“ im Frühjahr, niemals aber eine Konkurrentin neben sich dulden. Als Trostpflaster darf RX France die Paris Photo behalten.
Vor Weihnachten wurde durch eine Indiskretion der Ausschreibungstext mit den Oktober- und November-Terminen für eine Kunst- und eine Fotomesse bekannt. Namentlich genannt waren die Fiac und die Paris Photo nicht mehr.
RX France reagierte sofort mit der Einreichung eines Schnellverfahrens vor einem Pariser Gericht. Dieses ließ die Firma Anfang Januar abblitzen, weil sie keinen schriftlichen Vertrag mit der Vermieterin RMN-GP für die kommenden zwei Jahre zur Ausrichtung der Messen vorweisen kann. Naivität oder Arroganz?
Jennifer Flay
Noch lässt RX France offen, welchen Posten die Messedirektorin der „Fiac“ übernehmen wird.
Bild: Fiac Paris
Arroganz wird auch dem CEO der RMN-GP, Chris Dercon, der in Berlin als Direktor der Volksbühne jämmerlich gescheitert war, vorgeworfen. In Paris aber bewies er Hemmungslosigkeit: Als Dercon erfuhr, die Art Basel sei an Paris interessiert, verwies er auf den einzigen Weg, die offizielle Bewerbung. Deren Zeitfenster war dann so knapp bemessen, dass nur gut vorbereitete Kandidaten – wie die Art Basel und wohl auch die „Frieze“ aus London – rasch antworten konnten.
RX France will weiter gerichtlich vorgehen, hat aber schlechte Karten, denn Galeristen und Sammlern ist der Betreiber einer Messe letztendlich egal. Entscheidend für die „Qualität einer Messe ist die seiner Aussteller und der Werke, die sie präsentieren“, resümiert Franck Prazan von der Galerie Applicat-Prazan. Das unterstreichen auch die Galeristen Kamel Mennour, Samia Saouma-Hetzler, Hervé Loevenbruck, Anne-Claudie Coric von der Galerie Templon und Diane Lahumière im Gespräch. Auch Sammler, wie der Belgier Alain Servais, stimmen Prazan zu.
Auf der Paris Photo präsentieren etliche Galerien ihr vollständiges Programm dicht an dicht. Auf afrikanische Kunst fokussiert ist die Akaa.
Überdies werfen alle befragten Marktteilnehmer die neue europäische Vorrangstellung von Paris in die Waagschale. Den Rang der Seine-Stadt begründen sie mit phänomenalen Museen, luxuriösen Privatinstitutionen sowie französischen und neuerdings auch internationalen Galerien, die hier nach dem Brexit Filialen eröffneten.
Der Galerist Thaddaeus Ropac, der Chris Dercon gut kennt und kürzlich das „Grand Palais Ephémère“ für eine Anselm Kiefer-Schau anmietete, weist zwar auf die Bedeutung der „starken Marke Fiac“ hin. Er meint jedoch: „In Marken muss ständig investiert werden, was der Veranstalter vielleicht versäumt hat. Der neue Partner wird dieser großartigen Messe einen neuen Elan geben“.
MCH Group AG, deren Aktionär Lupa Systems von James Murdoch 32,3 Prozent Anteile an der Gruppe Messe Schweiz hält, hat sich für die kommenden sieben Jahre gegenüber dem Vermieter RMN-GP engagiert. Der Preis für die verlangte Grundmiete beträgt für 2022 1,2 Millionen Euro, solange das Original-Grand Palais renoviert wird. Von 2024 bis 2028 werden es 1,6 Millionen Euro sein. Kenner rechnen weitere 3 Millionen Euro für den technischen Aufwand dazu.
Kritische Stimmen befürchten deshalb, die Art Basel würde die Standkosten für die Galerien erheblich erhöhen. Die Vermieterin RMN-GP teilt aber mit, dass sich die MCH den Ausstellern gegenüber zur Deckelung der Stand- und Durchführungskosten verpflichtet hat. Das soll das französische Kulturministerium überwachen.
Stehen die Kunstmessen vor dem Aus? Die Londoner Kunstmarktjournalistin Melanie Gerlis lässt 60 Jahre Messehistorie Revue passieren.
Warum leistet sich die MCH diesen Luxus? Um weltweit die Art Basel zu einem Monopol auszubauen? Marc Spiegler, seit 2012 alleine Global Director der Art Basel, lehnt im Telefongespräch mit dem Handelsblatt den Begriff „Monopol“ ab. Er ersetzt ihn durch „Hegemonie“, die er mit dem geopolitischen Wirtschaftstrend der Kunstwelt erklärt.
„Galerien wie Perrotin, Mennour oder Gagosian haben in vielen Städten Filialen, die sie lokal anpassen, so wie wir das praktizieren. Schließlich haben wir uns nur alle zehn Jahre in einer anderen Stadt etabliert: 2002 in Miami Beach, 2011 in Hongkong, 2022 in Paris“, erläutert Spiegler.
Der Kölner Messedirektor Daniel Hug bezeichnet dies als „Kolonialismus“. Er übersieht, dass Marc Spiegler mit einem Schlag zwei Konkurrentinnen eliminierte oder mindestens schwächte: die Fiac und die Frieze. Der Pariser Vertrag soll in Kürze unterzeichnet werden.
Mehr: Kunstmessen im Clinch: Nach dem Coup der Art Basel: Die Zukunft der Fiac ist unklar
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×