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22.03.2023

16:10

Marktanalyse

Der Altmeistermarkt ist lebendig

Von: Christian Herchenröder

Ob mythologische oder christliche Themen, Stillleben oder Stadtansicht – die Alten Meister sind derzeit wieder gesucht: Auf der Tefaf-Messe wie in Auktionen.

Die Stadtansicht aus Venedig stammt aus der Sammlung Paul Allen. Christie's konnte sie für 11,8 Millionen Dollar versteigern. Foto: Christie's

Canaletto "Canale Grande mit Blick auf Santa Stae":

Die Stadtansicht aus Venedig stammt aus der Sammlung Paul Allen. Christie's konnte sie für 11,8 Millionen Dollar versteigern. Foto: Christie's

Berlin Die Auktionen belegen es, die Ankäufe der Museen und vor allem die Präsenz der Gemälde-Händler auf der am Sonntag mit glänzenden Verkäufen zu Ende gegangenen Maastrichter „Tefaf“-Messe: Der Altmeistermarkt ist lebendig. Nach der Corona-Pause, die den Absatz lähmte, ist jetzt auf der Tefaf wieder ein marktfrisches Angebot von Weltrang abzuschreiten.

Dazu tragen berühmte Galerien wie Agnews, Colnaghi und Wildenstein bei, aber auch junge Händler leisten ihren Beitrag. Zwar sind nicht wie in früheren Jahren museale Werke von Rubens oder Frans Hals zu bewundern. Aber die Messe schafft es immer wieder, Gemälde zu versammeln, die den Geschmack einer neuen Sammlerschicht ansprechen sollen.

Präsentiert werden Gemälde der italienischen Renaissance, des Manierismus und Barock - zum Beispiel Guido Renis mit 1,3 Millionen Euro bezifferter „Hieronymus“ bei Canesso oder der „Hieronymus“ des Caravaggio-Vorbilds Antonio Campi bei Altomani & Sons.

Ferner fallen auf dieser Messe Porträts, Veduten und die altniederländische Malerei auf – etwa das herausragende Triptychon mit der „Anbetung der Könige“ des in Rom geschulten Brüsseler Malers Pieter Coecke van Aelst beim New Yorker Händler Nicholas Hall. Der Preis wird nicht genannt, aber das attraktive Werk wurde im Juni 2021 im Madrider Auktionshaus Subastas zum Hammerpreis von 160.000 Euro zugeschlagen.

Zwei exzeptionelle italienische Gemälde sind bei Bob Haboldt: Eine Madonna mit Kind des Florentiner Renaissancemalers Mariotto Albertinelli für 400.000 Euro und eine „Heilige Familie“ des Vasari-Schülers Jacopo Zucchi in strahlendem römischem Kolorit zu 750.000 Euro. Eine außergewöhnliche Canaletto-Vedute ist der Blick auf die Londoner Westminster Bridge mit einer Schiffsprozession des Jahres 1750, das bei dem Londoner Händler Charles Beddington mit 3,2 Millionen Euro ausgepreist ist.

Das Gemälde in den typisch römischen, klaren Farben bot Bob Haboldt auf der Tefaf-Messe an. Foto: B. Haboldt

Jacopo Zucchi "Heilige Familie":

Das Gemälde in den typisch römischen, klaren Farben bot Bob Haboldt auf der Tefaf-Messe an. Foto: B. Haboldt

Die Maastrichter Messe ist stets nicht nur Spiegel eines Geschmackswandels, sie zeigt auch die Veränderung des Marktbildes. Altgediente Händler wie Otto Naumann und Johnny van Haeften sind abgetreten, Londoner Prestigegalerien wie Agnews und Colnaghi wurden von neuen Besitzern aufgekauft. Jüngere Galerien wie etwa Lullo Pampoulides, die seit 2016 in London residieren, die auf italienische Kunst spezialisierte Londoner Callisto Fine Art oder die Lissabonner Galerie Mendes haben ihr Programm stark ausgeweitet. Und auch bei Agnews und Nicholas Hall hängen Werke des 19. Jahrhunderts.

Was Start-up-Gründer kaufen

Es gibt eben nicht mehr so viel Altmeister-Gemälde der ersten Künstlergarde. Das heißt, dass sich die dreißig- bis vierzigjährigen neuen Käufer aus dem Lager der Start-ups, die nach Aussage des Pariser Händlers Maurizio Nobile bis 100.000 Euro für eine Neuerwerbung ausgeben, auf qualitätvolle Gemälde weniger prominenter Meister konzentrieren müssen.

Das fördert allerdings deren Kennerschaft. In Maastricht hängen Stillleben der mittleren Preiskategorie, aber auch mehr Porträts als früher, die Paradestücke eines Geschmackswandels sind.

Die Bestätigung, dass der Altmeistermarkt gesund und entwicklungsfähig ist, liefern die Auktionen. Gerade im letzten Jahr und besonders im Januar 2023 gab es in New Yorker, Londoner und Pariser Versteigerungen eine Fülle von Hochpreisen, die Werken hervorragender Provenienz galten und das Vertrauen in dieses traditionelle Marktgebiet stärkten.

Stillleben wieder gefragt

In den New Yorker Januar-Auktionen waren so viele erstrangige Werke unter dem Hammer wie seit Jahren nicht mehr. Stillleben aus der Sammlung des Spaniers J.M. Grasset übertrumpfen ihre Schätzpreise und halfen dieser jahrelang schwach bewerteten Sparte zu neuem Glanz.

Hauptbeispiel ist ein Blumenstück von Jan Davidsz. de Heem, das 1987 für 200.000 Pfund erworben wurde und jetzt 2,7 Millionen Pfund erlöste. Aber auch französische Stillleben sind gefragter denn je. Das zeigen verdreifachte Schätzpreise für die lieblichen Blumenstücke von Anne Vallayer-Coster bei Sotheby’s, besonders aber das im März 2022 im Pariser Auktionshaus Artcurial für 24,3 Millionen Euro dem Kimbell Art Museum zugeschlagene Erdbeer-Stillleben von Jean-Simeón Chardin.

Das allerdings ist mit staatlicher Ausfuhrsperre belegt. Das texanische Museum hatte im November auch ein Erdbeergemälde der französischen Stillleben-Malerin Louise Moillon von einem amerikanischen Sammler erworben, das erst im März in Paris für 1,6 Millionen Euro ersteigert worden war.

Marktgigant: Peter Paul Rubens

Noch splendider waren die Spitzenpreise für Werke der durch Scheidung vermarkteten Sammlung Mark Fisch und Rachel Davidsohn, die den glänzenden Marktstatus für Barockmalerei unterstreicht. Wenig bekannt ist die Marktvergangenheit des teuersten Bildes der Auktion:

Rubens‘ Gemälde „Salome empfängt das Haupt Johannes des Täufers“ erzielte 26,9 Millionen Dollar. 1998 hatte es bei Sotheby’s 5,5 Millionen Dollar eingespielt. Im Jahr 2000 hatte es der Spielcasino-Unternehmer Steve Wynn im Doppelpaket mit einem Rembrandt-Porträt für 30 Millionen Dollar erworben.

In dem Bildnis geht es auch um Luxus, Seidenrascheln und kostbare Teppiche. Foto: Bob Haboldt

Eglon van der Neer "Dame mit Hündchen":

In dem Bildnis geht es auch um Luxus, Seidenrascheln und kostbare Teppiche. Foto: Bob Haboldt

Rubens ist und bleibt der Spitzenreiter auf dem Altmeistermarkt seit dem noch immer gültigen Rekordpreis von 49,5 Millionen Pfund - damals 76 Millionen Dollar, die 2002 „Der Bethlehemitische Kindermord“ bei Sotheby’s erzielte.

Bis 30 Millionen Dollar ist das „Porträt eines Mannes als Kriegsgott Mars“ geschätzt, das im Mai bei Sotheby’s im Rahmen einer Moderne-Auktion versteigert wird. Im Jahr 2000 hatte es im selben Haus 8,2 Millionen Dollar eingespielt und wurde anschließend als Leihgabe im Metropolitan Museum aufgewertet.

Die Landschafts- und Marinemalerei schwächelt

Auch in der Fisch Davidsohn-Auktion wurde die starke Marktposition des internationalen Caravaggismus mit Millionenpreisen für Valentin de Boulogne, Orazio Gentileschi und Bernardo Cavallino bestätigt. Für andere Sammelsparten gilt das nicht: für das niederländische Bauerngenre und für holländische Landschafts- und Marinemalerei, die nach wie vor schwächeln.

Dafür haben die auf dem Markt zahlreich vertretenen Werke von Jan Brueghel d.J. nicht erst seit der Sammlung Allen bei Christie’s neuen Aufwind. Dort erlöste eine Werkgruppe mit den Darstellungen der fünf Sinne, die noch 2001 im selben Haus 3,8 Millionen Dollar eingespielt hatten, 8,6 Millionen Dollar: die ultimative Bestätigung.

Dass der Markt für Malerei der Renaissance seit dem umstrittenen, 450 Millionen Dollar teuren Leonardo nur mit Rekordpreisen von 92,2 Millionen Dollar für Botticelli und 10,7 Millionen Dollar für Agnolo Bronzino aufwarten kann, zeigt nur, wie rar Spitzenmaterial in diesem Sammelgebiet geworden ist.

Begehrte Stadtansichten

Dafür sind erstrangige italienische Stadtansichten des 18. Jahrhunderts nach wie vor stark in den Auktionen und im Handel vertreten. Die jüngsten Hochpreise in den Auktionen reichen von 4,5 Millionen Dollar für eine starkfarbige Ansicht des Canale Grande in Sotheby’s Grasset-Auktion bis zu den für eine hellere Canale Grande-Vedute in Christie’s Allen-Auktion gebotenen 11,8 Millionen Dollar.

Solche Zuschläge entkräften die Marktskepsis, die sich in einem Dezember-Artikel von ArtNewspaper in der bangen Frage niederschlug: „Befindet sich der Altmeistermarkt im endgültigen Niedergang?“ Klare Antwort: Nein.

Es sind ja nicht nur die Auktionen, die den Markt stützen, sondern immer wieder auch die Museen mit ihren hochkarätigen Ankäufen bis hin zu Rembrandts Porträt eines Fahnenträgers, das sich das Amsterdamer Rijksmuseum im letzten Jahr für 175 Millionen Euro gönnte.

Händler sind Geschmackspioniere

Vergessen wir nicht den Handel. Er ist Nährboden und Geschmacks-Vorreiter und er hat in seinem Spezialgebiet die fundierte Expertise. „Bequeme Sammler kaufen in Auktionen“, sagt der seit 1983 in New York, Amsterdam und Paris aktive Altmeister-Händler Bob Haboldt.

„Ein wirklich ernsthafter Sammler“, fährt er fort, „ist ein Jäger und nutzt etablierte Händler und ihr Wissen“. Bob Haboldt betont, dass die Händler im Gegensatz zu der Auktions-„Industrie“ das breite Marktfeld und damit auch die weniger modischen Meister im Blick hätten.

Fazit: Bilder im zweistelligen Millionen-Wert sind das Spielfeld der Auktionen. Aber die Hochpreistendenz ist nicht die Essenz eines Marktes, der langfristiger und weniger spekulativ als der für die junge Kunst orientiert ist. Der Altmeistermarkt gewinnt seine Wertschätzung aus einer intimen Kenntnis der Maler und ihrer Schule.

Der Händler fördert in profunder und latenter Überzeugungsarbeit die Lust an Alter Kunst, die Auktionen plakatieren sie. Darum ist die Maastrichter Messe so wichtig, weil sie den Händlern und ihrem breiten Programm ein Forum gibt.

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