Auch wenn die Stadt Düsseldorf vorgeprescht ist: Experten sehen Essen als Topstandort für das geplante „Bundesinstitut für Fotografie“.
Treppe ins Ruhr Museum Essen
Die Zeche Zollverein könnte Standort für das neue nationale Fotoinstitut werden.
Bild: Reuters
Düsseldorf Düsseldorf hat sich vielleicht zu früh gefreut. Im nun vorgelegten „Konzept für ein Bundesinstitut für Fotografie“ spricht sich ein vierköpfiges Expertengremium unter der Leitung des Kurators Thomas Weski für den Standort Essen aus – und damit gegen die NRW-Landeshauptstadt. In Essen hat das Sammeln von Fotografie eine lange, bis in die Zwanzigerjahre zurückreichende Tradition: Es gibt das Museum Folkwang mit seiner umfassenden Kollektion, die Folkwang-Universität mit Deutschlands erstem Lehrstuhl für Fotografie, die riesige Bildersammlung auf Zeche Zollverein und die Krupp-Stiftung.
„Essen hat die besten Chancen, sich zu einem Leuchtturm für Fotografie zu entwickeln“, heißt es in dem von Kulturstaatsministerin Monika Grütters beauftragten Konzept. Vor acht Monaten hatte die CDU-Politikerin die alte Idee eines nationalen Fotozentrums in einer öffentlichen Veranstaltung in Berlin auf die Tagesordnung gesetzt. Zunächst, um ausloten zu lassen, in welcher Weise sich Deutschlands fotografisches Kulturerbe am effektivsten sichern lässt, bevor es der Kunstmarkt verwertet – oder es auf dem Müll landet.
Klar ist, dass sich Düsseldorf mit seinem parallelen Vorstoß für ein „Deutsches Fotoinstitut“ keinen guten Dienst erwiesen hat. An Grütters und dem Expertengremium vorbei hatte sich die Stadt mit einem Konzept des erst im Herbst 2019 gegründeten „Vereins zur Gründung und Förderung eines Deutschen Fotoinstituts e.V.“ 83 Millionen Euro Fördergelder gesichert, je zur Hälfte bewilligt vom Bundestag und vom Land Nordrhein-Westfalen. Hinter der Initiative steht Düsseldorfs prominenter Fotokünstler Andreas Gursky. Sein Mitstreiter Moritz Wegwerth möchte sich auf Anfrage des Handelsblatts aktuell zu Weskis Konzept noch nicht äußern.
Grütters und das Expertengremium reagierten damals irritiert. Die Kulturstaatsministerin freute sich zwar über die „unerwartet schnelle Schützenhilfe“ durch den Bundestag, monierte jedoch die voreilige Festlegung auf den Standort Düsseldorf. „Erst mit dem nun vorliegenden Konzept kann seriös über den Standort entschieden werden.“ Und die Experten hätten sich im Ergebnis für Essen ausgesprochen, betonte sie in Berlin.
Kurator Weski konstatiert, das „Deutsche Fotoinstitut, Düsseldorf“ bliebe durch die Einschränkung auf die aktuelle künstlerische Fotografie hinter den Möglichkeiten einer umfassenden, kunst- und kulturhistorischen Perspektive auf das fotografische Kulturerbe zurück.
Besucher des Städel in Frankfurt
Vor Andreas Gurskys „Montparnasse“ in einer Ausstellung über die Becher-Klasse aus dem Jahr 2017.
Bild: Hannelore Foerster/Getty Images, VG Bild-Kunst
Dass die von Grütters ins Auge gefasste Institution kein neues Museum werden sollte, war zumindest Ute Eskildsen von Anfang klar. Die Mitautorin des Konzepts, die selbst jahrzehntelang die Fotosammlung am Museum Folkwang aufbaute, sah keinen Sinn in einer konkurrierenden Institution. Sie plädierte für eine Kooperation mit bereits bestehenden Häusern, vergaß aber nicht, darauf hinzuweisen, dass diese mehrheitlich ohne ausreichendes Personal und ohne auskömmliche Finanzierung arbeiten.
Das neue Bundesinstitut für Fotografie soll diese Mängel nicht kompensieren. Es soll vor allem dafür da sein, um Vor- und Nachlässe herausragender deutscher Fotografen zu sichern, aufzuarbeiten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen – auch in Form von Ausstellungen. Bestehende Einrichtungen sollen vom Know-how profitieren.
„Unser Umgang mit den historischen und gegenwärtigen Beständen fotografischer Bildproduktion wird entscheidend mitbestimmen, was in Zukunft vergessen oder aber in Erinnerung bleiben wird“, gab Weski in Berlin zu bedenken. Wunschvorstellung ist ein Institut, das der Fotografie als Medium „in der ganzen Bandbreite ihrer Anwendungen“, inklusive der zeitgenössischen Fotografie, dient.
Befürchtungen, Weski und seine Mitstreiter, zu denen auch Thomas W. Gaethgens, ehemaliger Leiter des Getty Research Institute in Los Angeles, und die Fotorestauratorin Katrin Pietsch gehören, würden der gegenwärtigen Fotokunst den Vorzug geben, erweisen sich damit als unbegründet.
Das von Weski umrissene Institut erscheint mit 54 avisierten Mitarbeiten wie ein großer Wurf, ist im jetzigen Stadium jedoch nur eine Wunschvorstellung. Über einen Etat kann derzeit nur spekuliert werden. Fest steht, dass hier internationale Standards gesetzt werden sollen, auch technologisch. Damit ist das Institut vielleicht vergleichbar mit dem Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe, das vor einigen Jahren vom Landesrechnungshof wegen seiner hohen Jahresausgaben von fast 20 Millionen Euro kritisiert wurde.
Zwei Beispiele illustrieren, welch immenser Arbeitsaufwand auf das neue Bundesinstitut für Fotografie zukommt. Ludger Derenthal, Leiter der Sammlung Fotografie am Museum für Fotografie in Berlin, bekam den Nachlass von Leni Riefenstahl geschenkt und hatte es anschließend mit über 700 Umzugskisten Archivgut zu tun. Und die private Alfred Ehrhardt Stiftung in Berlin wird erst 2022 nach 20 Jahren den Nachlass des Namensgebers inventarisiert und digitalisiert haben.
Der Weg zum nationalen Fotozentrum ist lang und bleibt weiter umstritten. Jens Bove, Leiter der Deutschen Fotothek in Dresden, hätte nach wie vor eine vernetzte Lösung bevorzugt. Verteilt auf die schon vorhandenen exzellenten Bildarchive – mit einer Koordinierungs- und Beratungsstelle im Zentrum.
Mehr: Umstrittenes Fotozentrum: Das Für und Wider einer auf Bundesebene angesiedelten Anlaufstelle für Archive und Nachlässe
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