Ein Verein beleuchtet das vielseitige Werk des deutschstämmigen Malers George Grosz. Ausstellungsort ist eine umgebaute Zapfstelle für Benzin.
Das Kleine Grosz Museum
Das neu gegründete Privatmuseum residiert im originalen Ambiente einer Tankstelle aus den fünfziger Jahren.
Bild: Hanna Seibel; Das Kleine Grosz Museum
Berlin Es ist ein echtes Juwel. „Das Kleine Grosz Museum“ präsentiert sich frisch nach seiner Eröffnung als eine nicht nur von Kennern frequentierte Kunstoase in Berlin-Schöneberg. Ihr Standort ist eine großzügig umgebaute und mit Ausstellungsraum ergänzte Shell-Tankstelle der fünfziger Jahre. Der Galerist Juerg Judin, der 2009 in die Tankstelle eingezogen war, begeistert sich selbst für das Werk von George Grosz.
Judin hat den neuerlichen Umbau in ein Grosz-Museum mit Café finanziert und an den 2015 gegründeten Verein „George Grosz in Berlin“ vermietet.
Der Verein, dem unter anderem Rechtsanwälte, das Bauunternehmen Kompass-Wohnen und die Max Beckmann-Erbin Mayen Beckmann beigetreten sind, betreibt das Museum. Es soll dem in seiner Geburtsstadt unterrepräsentierten Künstler „kurzfristig einen Kristallisationspunkt“ schaffen und mit thematischen Ausstellungen in das Gesamtwerk einführen.
Vorsitzender des Vereins ist der ehemalige Kunsthändler, Verwalter des privaten Grosz-Nachlasses und Expressionismus-Forscher Ralph Jentsch. Jentsch, Kurator zahlreicher Ausstellungen und Publikationen, hat im Laufe der Jahre hunderte Fälschungen entlarvt, einschließlich der mit falschen Aufklebern der Galerie Flechtheim bestückten Beltracchi-Fälschungen.
Er wird auch nicht müde, im Namen des Nachlasses um die Restitution von Grosz-Werken aus Museen in Bremen, Köln, Wien, Paris, New York und Tokio zu kämpfen.
Sechs Jahre lang hatte der Nachlass um die Herausgabe von 300 Werken gekämpft, die der New Yorker Kunsthändler Serge Sabarsky als nicht abgerechneten Bestand gelagert hatte. 2003 wurde der Prozess gewonnen. Arbeiten aus diesem Fundus waren dann erstmals in einer Ausstellung der Berliner Galerie Brockstedt zu sehen.
Das Kleine Grosz Museum von innen
Die Eröffnungsschau ist den frühen Jahren von George Grosz gewidmet.
Bild: Hanna Seibel; Estate of George Grosz, Princeton; VG Bild-Kunst, Bonn 2022
Die Eröffnungsschau ist den frühen Jahren von George Grosz gewidmet. Schon in der Akademiezeit zeigt sich ein hochbegabter Zeichner, der sich zunächst als Karikaturist empfindet. Aber schon bald, spätestens seit dem Jahr 1912, taucht der Künstler ein in zentrale Themen seines späteren Werks: Lustmord, Selbstmord, Überfall, Bordellszenen, Großstadtchaos.
Mit schonungslosen Zeichnungen von Weltkriegsleichen wird er zum politischen Chronisten, der er bis zu seinem Lebensende bleibt. In der 1917 datierten Federzeichnung „Deutsche Männer“ baumelt ein Selbstmörder am Strick über bauchigen Passanten und einem fetten Soupierenden.
Im unteren Bereich der Ausstellung hängen zur Einführung Schlüsselwerke aus allen Perioden, meist aus Berliner und Düsseldorfer Privatbesitz. Hier hängen Aquarelle der 1920er-Jahre, die berühmte Zeichnung des speckigen Großindustriellen mit Zigarre, starke Blätter der amerikanischen Zeit, darunter ein bereits 1934 entstandenes Aquarell, das Hitler in Affenmensch-Pose über einer Brandstätte zeigt.
Das Museum ist eine würdige Hommage. Aber dass es in Berlin an Wertschätzung des Grosz’schen Lebenswerks fehlt, lässt sich allerdings nicht behaupten. Die Galerie Nierendorf hatte stets ein großes Konvolut von Aquarellen und Zeichnungen parat. In bester Erinnerung ist die große Retrospektive in der Neuen Nationalgalerie 1995, die kaum einen Wunsch offenließ. 2008 wurden die erotischen Aquarelle in der sogenannten „Expressionale“ am Potsdamer Platz gezeigt.
2009 lief in der Galerie Nolan Judin eine Schau mit Werken der amerikanischen Jahre aus dem Nachlass und 2010 zeigte die Berliner Akademie der Künste die weniger bekannten, 1917 bis 1958 entstandenen Collagen des Künstlers. 2019 erwarb das Deutsche Historische Museum das apokalyptische Gemälde „Kain oder Hitler in der Hölle“, das zehn Jahre früher in der Schau bei Nolan Judin um 4 Millionen Euro notierte.
Dass Grosz ein Marktfaktor ist, steht außer Frage. Immer wieder sind es die Aquarelle, die Höchstpreise bringen. 2013 figurierten in einer Grosz-Ausstellung der Londoner Galerie von Richard Nagy Blätter, die für über 500.000 Pfund offeriert wurden. Immer wieder kommen in Auktionen Werke unter den Hammer, deren Preise durch die Decke gehen.
Die zentrale Ausstellung zur Eröffnung der Neuen Nationalgalerie zieht viele politisch-historische Verbindungslinien. Die ästhetische Einordnung hat weniger Gewicht.
Eines der teuersten war das 1915 entstandene Aquarell „Caféhaus“, das bereits im Jahr 2006 bei Christie’s auf 904.000 Pfund stieg, während die sieben Jahre später datierte „Soirée“ 2016 bei Lempertz für 446.400 Euro zugeschlagen wurde.
Der Hunger nach farbigen Werken der 1920er- und frühen 1930er-Jahre ist nach wie vor groß. Aber bei den Tuschzeichnungen, die immer wieder zahlreich in die Auktionen fließen, gibt es noch so manches in der Preisregion bis 20.000 Euro geschätzte Blatt.
Die Ausstellung „Schreiben Sie doch bitte Grosz statt Gross. Wie aus Georg Ehrenfried Gross der politische George Grosz wurde“ läuft bis 17. Oktober 2022 in Das kleine Grosz-Museum, Bülowstraße 18, 10783 Berlin. Eintritt nur mit vorab gebuchtem Ticket unter www.daskleinegroszmuseum.berlin. Der Katalog kostet 30 Euro.
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