Galerien, ein Auktionshaus und eine Spedition entdecken ihr Klima-Bewusstsein. Sie wollen ihren CO2-Ausstoß reduzieren. Der Preis könnten weniger Messen sein.
Ólafur Elíasson „Life“
Grün gefärbtes Wasser strömt in die fensterlosen Ausstellungsräume in der Fondation Beyeler. Ein spezielles Erlebnis.
Bild: neugerriemschneider; Tanya Bonakdar Gallery; Foto: Pati Grabowicz
Hamburg Die Arbeiten der argentinischen Künstlerin Analia Saban fallen durch ihr ungewöhnliches Material auf. Massive Betonblöcke, die sich über Holzständer wälzen, sperrige und fragile Konstruktionen aus Draht und Stoffen oder Glas – die Galerie, die diese Arbeiten zu Ausstellungen rund um die Welt verschicken muss, steht vor einer anspruchsvollen Aufgabe.
Hinzu kommt, dass Analia Saban, Jahrgang 1980, zur wachsenden Gruppe der Künstlerinnen und Künstler gehört, die sich ernsthaft Gedanken über den Klimaschutz machen; und es nicht nur bei theoretischen Überlegungen belassen möchten. So wurden die Exponate für ihre jüngste Ausstellung in der Berliner Galerie Sprüth Magers mit dem Schiff über den Atlantik transportiert. Das dauerte seine Zeit, aber einen Transport mit dem Frachtflieger hätte die Künstlerin abgelehnt.
Vielleicht war es die plötzliche Unterbrechung der täglichen Gewohnheiten durch die Corona-Pandemie, vielleicht der zunehmende Druck durch Künstler, vielleicht das eigene Nachdenken über die immer fragwürdigeren, äußerst kohlenstoffintensiven Usancen des weltweiten Kunstmarkts. Auf jeden Fall wird in Galerien, Auktionshäusern und Kunstspeditionen plötzlich die Frage heiß diskutiert, wie sie ihr Tun klimafreundlicher gestalten können.
Ein Privatmuseum wie die Fondation Beyeler in Basel liefert hierzu die passenden Bilder. Ólafur Elíasson setzt in der Installation „Life“ neun dem Seerosenteich zugewandte Ausstellungsräume unter Wasser: giftgrünes Wasser mit Schlingpflanzen. Wer von der Brühe umgeben, auf den Holzstegen die leeren Wände betrachtet, dem drängt sich die Klimafrage machtvoll auf.
Vor einem Jahr gründeten 14 Galeristen in London die Gallery Climate Coalition (GCC). Die Initiative wollte konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz in der alltäglichen Arbeit festlegen und die CO2-Emissionen aus dem Betrieb der Galerien innerhalb von zehn Jahren halbieren, ganz so, wie es das Pariser Klimaabkommen vorsieht. Eine Idee, die offensichtlich einen Nerv getroffen hat. Inzwischen ist die Mitgliederzahl der GCC in England auf über 400 gewachsen. Auch Branchenriesen wie Hauser & Wirth und Gagosian sind dabei.
Ólafur Elíasson „Life“
Bei Nacht ist die Installation auf Holzstegen auch zugänglich - sogar ohne Eintritt.
Bild: neugerriemschneider; Tanya Bonakdar Gallery; Foto: Mark Niedermann
Im Frühjahr 2021 zog eine Gruppe Berliner Galeristinnen und Galeristen nach und gründete einen deutschen GCC-Ableger. „Es ist schon lange an der Zeit, dass wir über Nachhaltigkeit nachdenken, da der Kunstmarkt generell durch Transporte, Reisen, Produktion und so weiter viel CO2 erzeugt“, begründet Carolin Leistenschneider, Partnerin in der Haverkampf Galerie, ihr Engagement für die GCC. Es ginge darum, „jetzt die Weichen neu zu stellen“.
Ihren Mitgliedern bietet die GCC neben der Vernetzung mit Gleichgesinnten vor allem zwei Hilfsmittel: einen CO2-Rechner, mit dem die Galerien ihre Klimaauswirkungen berechnen können, und eine Website mit einer Vielzahl an praktischen Schritten, um diese Auswirkungen zu verringern.
Der Londoner Galerist Thomas Dane, einer der GCC-Gründer, hat den Rechner entwickelt. Damit könne eine Galerie feststellen, welche Bereiche ihrer Tätigkeit – Reisen, Transporte, Lager – besonders viel Kohlendioxid erzeugen würden, sagt Dane. Dass es sich dabei nicht um vernachlässigbare Größen handelt, hat Dane selbst aufgezeigt: Als eine der ersten Galerien hat er eine Klimabilanz veröffentlicht. Über 200 Tonnen CO2 pro Jahr hat die Galerie emittiert, wobei ein Großteil auf Luftfrachten, Geschäftsreisen des Personals und die Gebäudeklimatisierung entfiel.
Den Rechner würde sie künftig auch verwenden, kündigt Carolin Leistenschneider an, nicht zuletzt, um die angepeilten Veränderungen von Jahr zu Jahr zu ermitteln. Außerdem plant die Galerie Haverkampf konkrete Schritte: Transporte von Werken zu Kunden und Ausstellungen als Beiladung und zu Messen gemeinsame Transporte mit anderen Galerien möglichst per Seefracht. „Dazu planen wir mehr Zeit ein und empfehlen das auch unseren Kunden, die meist kooperativ sind“, sagt die Galeristin.
Blick in Analia Sabans Ausstellung in der Galerie Sprüth Magers
Ihre Werke kamen per Schiff aus Argentinien. Den Frachtflieger lehnt sie ab.
Bild: Timo Ohler
Wie viele Möglichkeiten es gibt, Klimaschutzmaßnahmen im Galeriealltag umzusetzen, führt die Website der GCC auf. Beispiel Logistik: Die Berliner GCC-Mitglieder planen nach eigenen Angaben die Einrichtung eines gemeinsamen „Null-Emissions-Lagers“. Dazu sind unter anderem folgende Empfehlungen zu finden: Nutzung von erneuerbaren Energien für Strom und Klimatisierung, Wiederverwendung und Recycling von Kisten, Wahl von Logistikpartnern aus dem Umland von Berlin. Transporte und Reisen sollen generell eingeschränkt werden.
Kleine Schritte, die sich summieren sollen. Vielleicht sogar bis zur Klimaneutralität, also der berühmten „netto null“ bei den Emissionen. Das soll durch konkrete Schritte erreicht werden, nicht durch Kompensation – also Ausgleichszahlungen –, die von der GCC „nicht empfohlen“ werden.
Schon bis 2030 möchte das Auktionshaus Christie‘s klimaneutral sein. Erste Schritte waren die 2019 angekündigte Verringerung der Druckmenge bei den Auktionskatalogen um 75 Prozent innerhalb eines Jahres und die Umstellung auf erneuerbare Energie in der Londoner Zentrale.
„Wir haben unseren Betrieb neu überdacht und zum Beispiel unser neues Live-Auktionsformat und weitere digitale Innovationen eingeführt“, sagt Christie’s-Sprecherin Emma Cunningham. Die „digitale Transformation“ soll dem Klimaschutz dienen – und das Geschäft ankurbeln.
Denn das giftgrüne Wasser im Museum Beyeler ist eine Kunstinstallation von Ólafur Elíasson. Der Künstler beschäftigt sich mit Natur und Klimawandel.
Auch der Kunstspediteur Hasenkamp hat sich der GCC angeschlossen, obwohl man dort seit jeher auf Einsparungen bei Material und Transportstrecken setzen würde, wie Hans-Ewald Schneider, geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens, sagt. „Vor 40 Jahren haben wir wiederverwendbare Kisten auf den Markt gebracht. Seit 15 Jahren klimatisieren wir unser Kunstlager mit Hilfe von Geothermie“, so Schneider.
„Wir arbeiten bei den Lufttransporten nur mit modernen Flotten zusammen, die neuesten Abgasnormen entsprechen. Und zusammen mit den Kunden versuchen wir, die Strecken zu optimieren, um Kilometer einzusparen.“
Das neue Engagement der Galerien sieht Schneider indes mit Skepsis. Aus eigener Erfahrung: „Jeder Galerist fragt zuerst nach dem Preis“, sagt er. „Dann ist der Günstige der Gewinner, und der fährt mit den ältesten Lkw.“ Er plädiert für eine Bepreisung des CO2-Ausstoßes, damit sich Klimaschutzinvestitionen auch lohnen.
Wie nachhaltig ist also das derzeitige Engagement für Nachhaltigkeit in der Kunstszene? Im Lockdown, als alle Aktivitäten heruntergefahren waren, große Pläne zu schmieden und zu verkünden, mag es recht einfach sein. Doch was ist, wenn allerorten die Messen wieder öffnen, die Sammler wieder reisen und der Druck, sich überall zu zeigen, wieder zunimmt?
„Die Frage ist berechtigt“, sagt GCC-Gründer Thomas Dane. „Wenn wir eine weltweit aktive Gruppe werden, können wir vielleicht die erforderliche Power bekommen, neue Maßstäbe in der Kunstbranche zu setzen. Dann können wir zum Beispiel auch darüber nachdenken, ob wir so viele Messen wirklich brauchen. Und ob nicht zum Beispiel eine Regionalisierung der Messen ein gangbarer Weg wäre.“
Mehr: Òlafur Elíasson im Interview: „Die Schönheit okkupieren“
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