Die Art Basel verpasst auch ihrer neuen Messe in Paris den bekannten Einheitslook. Über die hohe Kunst des Brandings mit Kunst.
Grand Palais Ephémère
Schauplatz der Kunstmesse „Paris+ par Art Basel“.
Bild: Patrick Tourneboeuf
Paris Es war ein Akt der Piraterie, als die Réunion des Musées Nationaux den Vertrag mit der bekannten und beliebten „Fiac“, der wichtigsten Kunstmesse in Frankreich, nicht verlängerte. Statt der Fiac bekam die MCH, die Muttergesellschaft der „Art Basel“, den Zuschlag für das Grand Palais und das Grand Palais Ephémère; ein Zelt, das während der Renovierung als Ersatzstandort dient.
Die Schweizer dürfen ihre Veranstaltung zwar nicht „Art Basel Paris“ nennen, doch sie haben ihre Konkurrenz kaltgestellt. Unter dem umständlichen Namen „Paris+ par Art Basel“ will die MCH eine Schnitte vom prosperierenden Kunstmarkt in Paris und Frankreich.
Dass Chris Dercon, der den Schweizern das Einfallstor in der Réunion des Musées Nationaux geöffnet hat, schon wieder weiterzieht in eine Pariser Privatsammlung, wirkt befremdlich. Das passt eher zu einem Plot aus einer Netflixserie über die Kunst und ihre Verbündeten. Warum Dercon die Fiac plattmachen wollte, bleibt ein Rätsel.
Doch die Rechnung der MCH geht auf. Die neue Messe Paris+ brummt. Am gestrigen Mittwoch drängten sich Sammlerinnen und Sammler in den viel zu engen Gängen des überkuppelten Zelts im Grand Palais Ephémère dicht an dicht.
Paris+ sieht jetzt aus wie die Art Basel. Das individuelle und charmante französische Flair wird ersetzt durch eine international bewährte Marke, made in Switzerland. Ihr vertrauen Sammler in der ganzen Welt. Die Folge ist aber, dass die Messestände überall gleich aussehen. Angeboten wird, was teuer ist. Und daher sind auch die Besucher betuchte Sammler, aber es sind ebenfalls die, die man bei den Basler Messen erwartet.
Die Ähnlichkeiten betreffen auch die Zweiteilung: Was am Oberrhein unten abgeht, ist big business, was im ersten Stock verkauft wird, ist weniger umsatzträchtig, dient aber der Imagepflege. Wer in Paris vorne ausstellt, ist Marktmacher. Wer hinten platziert wird, ist ein geduldeter Entdecker. Nicht verwunderlich ist, dass viele der kleineren Pariser Galerie nach hinten abgeschoben wurden.
Ai Weiwei „Sleeping Venus (After Giorgione)“ (2022)
Der chinesische Künstler modellierte Giorgiones berühmtes Venus-Gemälde aus Legosteinen.
Bild: neugerriemschneider
Vorne kann man die Kunst des Brandings an den Ständen der Großgalerien mit weltweiten Niederlassungen gut studieren: Sie machen ihr Geschäft mit Künstlerinnen und Künstlern, die selbst zur teuren Marke taugen. Im hinteren, niedrigeren aber viel besser belüfteten Zelt, dürfen dann kleinere Galerien mit junger Kunst zu Preisen auch unter 100.000 Euro ausstellen.
Die Welt ist im Krisen- und Kriegsmodus; doch das spiegeln die Künstler auf dieser Messe nicht. Das Angebot ist weitgehend apolitisch. Jean-Michel Othoniel hat für die Galerie Perrotin eine Wandskulptur aus spiegelnden Backsteinen geschaffen: Während die Welt fast auseinanderfällt, halten die akkurat gestapelten Steine (der Kunst) noch zusammen. Sie sorgen sogar noch für Glanz.
Die Kunst darf heiter sein, als solle sie Trost spenden in einer grau bedrohlichen Welt. Philip Taaffe breitet bei Luhring Augustine Blumen, Blüten und Pflanzen in bunten Farben aus wie auf einer Tapete von knapp 3 Metern.
Die Art Basel hat sich das Grand Palais im Oktober gesichert. Während der Novembertermin für die Paris Photo steht, muss die Fiac sehen wo sie bleibt.
Es finden sich auffällig viele belanglose Nachschöpfungen nach alter Kunst: Etwa Piotr Uklanskis Ölbild „Jane Morris als Proserpina“ nach dem ikonischen präraffaelitischen Bild von Dante Gabriel Rosetti. Ai Weiwei modelliert bei Neugerriemschneider aus Legosteinen die Venus von Giorgione – den klassischen Schönheitsmythos schlechthin. Ein anderer Trend ist Malerei, die sich an asiatischen Comics orientiert wie Tomokazu Matsuyamas polygonales Großformat bei Almine Resch.
Im hinteren Zelt mit Kunst zu kleineren Preisen sind zehn Pariser Galerien eingestreut. Neben einer feinen Dieter Roth-Solopräsentation bei Papillon fallen ein paar Stände mit Bildern von Malern aus Afrika auf. Bei Cécile Fakhoury breitet Roméo Mivekannin seine doppelte Aneignung aus: Nach dem Vorbild einer Odalisque von Benjamin Constant malt er einen Mann in gleicher Pose und dann noch einen Schwarzen. Der Maler steckt in jedem Bild.
Einen großen Auftritt hat der Maler, der sich Hilary Balu nennt, bei der Galerie Magnin-A. In figurativer Bildsprache geht es um Flucht und gedankliche Fluchträume für Schwarze.
Mit nur drei Tagen Abstand zur Frieze und Frieze Masters in London, ist es nicht verwunderlich, dass viele die neue Paris+ par Art Basel mit den Londoner Messen vergleichen. Einige internationale Besucher machen eine Europareise und sind von London gleich nach Paris weitergezogen. Das geht auch einigen Galerien so, deren Angestellte nun die zweite Woche jeden Tag an einem Stand stehen. Manche sprechen schon am Eröffnungstag in Paris von Messemüdigkeit.
Über die Hintergründe eines Verdrängungswettbewerbs: Der Art Basel ist es gelungen, sich in der Kunstmetropole Paris zu etablieren und die Konkurrenz beiseite zu schieben.
Aber natürlich hat der Vergleich zwischen London und Paris wichtigere Ursachen als die Überzahl an Messen. Im Wettbewerb der Städte geht es darum, ob London weiterhin die Kunstmarktmetropole in Europa bleibt oder ob Paris nicht nur aufholen kann, sondern vielleicht sogar das Zepter übernimmt. Das interessiert natürlich die Basler MCH.
Aber zurück zur Messe. Auffallend war das Angebot von Skulpturen und Gemälden von Alberto Giacometti. Ein wichtiges Plus für Paris ist auch, dass einige große New Yorker Galerien schon seit Jahren die Seine der Themse vorziehen und bisher auf der Fiac ausstellten. Gladstone, Paula Cooper, Regen Projects und Marian Goodman findet man schon seit einiger Zeit nicht mehr in London. Auch Galerien wie Capitain Petzel oder nächst St. Stephan bevorzugen Paris.
Es gibt mehr amerikanische Kunst in Paris – und das natürlich zum Nachteil auch der französischen Künstler, die eher in den Hintergrund treten. Deren Preise spielen zum Großteil auch nicht auf dem Level der New Yorker Künstler. Erfrischend abweichend ist eine ganze Wand, die der Galerist Karsten Greve dem Franzosen Loïc Le Groumellec widmet, der nach einigen Jahren der Abwesenheit zur Galerie zurückgekehrt ist.
Anders sieht es hingegen bei der jungen Kunst aus, in der die Frieze sehr stark war, und das auch mit gutem finanziellen und kuratorischen Erfolg für die Künstler. Einige der angesagtesten Galerien stellen auf der „Paris International“, einer Satellitenmesse aus. Sie kommen wohl nicht in die Paris+, obwohl es auch dort eine Sektion für junge Galerien gibt, die allerdings sehr zahm daherkommt. Auch hier dominieren Gemälde in den Solopositionen, die oft einfach immer zu gleich aussehen.
Die neue Kunstmesse „Paris + by Art Basel“ übernimmt neben dem Palais auch die zusätzlichen Spielorte der verdrängten Vorgängermesse Fiac.
Das liegt wohl vor allem daran, dass in Paris insgesamt das breite Spektrum von globalen Galerien aus der ganzen Welt fehlt. Man sieht es aber auch in London. Ebenso spiegelt es sich im Publikum. Auf der Paris Plus sah man Franzosen, Amerikaner und dann Europäer; alle andere Regionen der Welt musste man eher suchen.
Bei den Galeries Émergantes kamen drei der 16 Galerien nicht aus Europa oder Nordamerika, während bei Frieze in der Fokus-Sektion zehn von 36 Galerien aus dem weiteren „Rest der Welt“ stammen. Die unterschiedlichen Schwerpunkte sind nur ein Beispiel, spiegeln sich aber auch in den diversen Besuchern in London wider.
Dort sind die Besucher auch jünger, wenn man die überwiegend über 50-Jährigen in Paris sieht. Den Galerien sind die treuen Art Basel-Sammler natürlich recht. Gute Sammler bringen gute Geschäfte.
So gibt sich der Kunstberater Mark Hughes aus Australien völlig zufrieden: „Gute Qualität, gute Besucher, gute Geschäfte. Ob der Markt allerdings langfristig eine weitere große Art Basel im Herbst vertragen kann, wird sich wie immer erst im zweiten oder dritten Jahr der Messe zeigen.“
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