Die südindische Metropole Bangalore hat ihr erstes Privatmuseum. Gründer ist der Unternehmer und Sammler Abhishek Poddar. Ein Gespräch über seine Ambitionen und die Kunstszene seines Landes.
Abhishek Poddar
Der Unternehmer, Kunstsammler, Museumsgründer und Philanthrop ist die treibende Kraft hinter dem Projekt MAP Museum of Art and Photography
Bild: MAP Museum of Art and Photography, Bangalore; Orange & Teal
Bangalore In Indien wächst die Zahl der Kunstsammler seit Jahren rasant. Einer der prominentesten unter ihnen ist Abhishek Poddar. Als Unternehmer managt er das Teeimperium Matheson & Bosanquet und die Sprengstoff-Firma Sua Explosiv & Accesories. Als Kunstenthusiast hat er mit seiner Frau Rhadika eine der größten und bedeutendsten Sammlungen moderner und zeitgenössischer Kunst Indiens aufgebaut. „Die Kunst ist ein wichtiger Teil der Reise meines Lebens“, sagte er im Interview mit dem Handelsblatt.
Eine Etappe seiner Lebensreise steht gerade im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Vor wenigen Tagen wurden nach coronabedingter Verzögerung in der Acht-Millionen-Stadt Bangalore, dem Silikon Valley von Indien, die Türen des “MAP Museum of Art and Photography“ geöffnet.
Etwa 60.000 Objekte von der indischen Volkskunst über Textilkunst bis zur zeitgenössischen Kunst bewahrt das Museum momentan. Ein Alleinstellungsmerkmal aber sind große Werkkomplexe europäischer und indischer Fotografen von Steve McCurry bis Dayanita Singh.
Gründer, treibende Kraft und Treuhänder ist Abhishek Poddar. Als der Staat die Zuschüsse für den Bau wieder und wieder hinausschob, verkaufte er 41 Gemälde bei Christie´s in Mumbay. Mit dem Erlös finanzierte er den Bau und animierte andere zu Engagement und Sponsoring.
Viele versteigerte Gemälde zählten zur ersten Garnitur seiner Sammlung, wie etwa das fast abstrakt, reduziert gemalte Paar des Moderne-Pioniers Tyeb Metha. Das Bild hing einst im Wohnzimmer der Poddars, bevor es 2016 dann inklusive Aufgeld für umgerechnet 10 Millionen Dollar versteigert wurde.
MAP Museum of Art and Photography in Bangalore
Das gerade eröffnete Museum ist der neue Kulturmagnet im Zentrum der 8-Millionen City Bangalore, dem High Tech-Zentrum Indiens.
Bild: MAP Museum of Art and Photography, Bangalore/Iwan Baan
Millionen-Dollar-Erlöse erzielten auch Syed Haider Razas im Stil eines geometrisierten Gebetsbildes gehaltene Leiwand „Bija“ und Vasudeo S. Gaitones Abstraktion von 2001. Manche der Kunstwerke wurden als „Treasure of India“ eingestuft und standen aufgrund ihrer kulturellen Bedeutung unter Ausfuhrverbot.
Heute hat Indien ein dichtes Netz an Galerien. Poddar bezeichnet sie als Marktmacher. Als der 1968 geborene in den 1980er Jahren zu sammeln begann, hatten Maler und Bildhauer kaum Agenten und Galeristen. „Ich schrieb damals Künstler an, besuchte sie, um Geschichten für das von mir gegründete College-Magazin zu bekommen“, erzählt er. Freundschaften entstanden zu der Bildhauerin und Erneuerin der Bronzekunst, Meera Mukherjee, oder zu dem indischen Post-Expressionisten Narayan Shridhar Bendre.
Wie einen Guru verehrte er Manjit Bawa, der mit einem Hauch Spiritualität in den 1960er- und 70er-Jahren die indische Miniatur in die Moderne und auf die große Leinwand umsetzte. „Sie alle haben mir eine andere Welt eröffnet“, ist Poddars Fazit. Von Anfang an kaufte er ihre Werke, ausgestattet mit einem schmalen Budget seiner Industriellen-Familie. Mittlerweile rangieren diese Künstler im oberen Preissegment.
Ungewöhnlich war auch sein frühes Interesse für Fotografie. Als 12-Jähriger begegnete er in seinem Elternhaus dem Franzosen Henry Cartier-Bresson. „Er hat den Samen für mein Verständnis gelegt, dass Fotografie eine Kunst ist“, erinnert sich der Sammler.
Mit seiner Frau betrieb er ab 2006 die erste Galerie für zeitgenössische indische Fotografie, „aber finanziert haben wir die Galerie mit zeitgenössischen Design“. Museen und Sammler interessierten sich wenig. 2011 gründete er die Art and Photography Foundation, „um den großen fotografischen Schatz dieses Landes populär, aber auch um die indische Kultur bewusst zu machen“.
Im Foyer des MAP Museum of Art and Photography in Bangalore
Transparenz und eine Verbindung von Innen und Außen prägen das Entree des Museumsgebäudes von Mathew & Gosh Architects.
Bild: MAP Musuem of Art and Photography; Iwan Baan
Die Ignoranz gegenüber der Fotografie forcierte sein Bestreben zur Museumsgründung, aber ebenso ein generelles Manko in der Wahrnehmung moderner indischer Kunst. Viele Galeristen und Sammler sind der Meinung, dass die staatlichen Museen in den letzten 30 Jahren die Entwicklungen der Kunstszene kaum publik gemacht haben.
„Ich habe mich vor Jahren gewundert, dass ich die Retrospektiven großer indischer Künstler in sehr fernen Ländern sehen musste“, so Poddar. Die Tate Modern etwa präsentierte in einer breit angelegten Soloshow Bhupen Khakhar, Indiens ersten Pop-Artisten. Mit mehr als 130 Exponaten ehrte das Metropolitan Museum in New York den abstrakt-minimalistischen Nasreen Mohamedi. Das war ein Stachel im Fleische des Philanthropen.
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Privatmuseen sind in Indien immer noch eine Seltenheit. Aber sie sind Zeichen eines neuen Selbstverständnisses von Kunstsammlern. Sie wollen mit ihren Kollektionen in die Öffentlichkeit treten, Zugang zu neuen Kunstformen schaffen. „Das ist keine Bewegung, aber wir sind in Indien an einem Punkt, wo Kunst und Kultur eine stärkere Bedeutung bekommt.“
Der ehemalige Banker ist überzeugt, dass das mit der Prosperität des Landes zu tun hat. „Hier ist viel Geld im Umlauf, auch bei der jungen Generation.“. Und andererseits hat sich eine eigenständige, zeitgemäße Künstlerszene herausgebildet, die international wahrgenommen wird. „Die Museen sammeln nur sehr wenig moderne Kunst, das machen die Privaten.“, meint der Museumsgründer aus Bangalore.
Die Biennale in der indischen Hafenstadt Kochi feiert die beunruhigende Kraft der Kunst. Sie ist Indiens größtes, nicht-kommerzielles Kunst-Event. Ihr verspäteter Beginn wirft jedoch einen Schatten auf die Organisatoren.
Für Poddar ist Kunst mehr als ein Lifestyle-Produkt. „Ich habe die Kunst immer als einen Transmitter für Bildung und Werte empfunden.“ Er glaubt an die Fähigkeiten der Kunst, Menschen zu inspirieren und neue Perspektiven zu öffnen.
Viele Jahre schon ist Poddar Trustee der Kochi-Muziris-Biennale. Und das MAP mit seiner öffentlichen Bibliothek, seinen Kurs-Angeboten und der Art Academy ist keine Nebenfiliale der Sammlung Poddar, sondern soll ein Ort sein, wo das kulturelle Erbe ebenso erfahrbar ist wie die Visionen der Zukunft.
Schon in der Zeit, als das Museum sich nur online präsentierte, sind Konvolute aus Künstlernachlässen, Schenkungen und Sammlungen historischer Kunst aus anderen Quellen dazugekommen. „Ich will mit diesem Museum einer breiten Öffentlichkeit Zugang zu Kunst und Kultur ermöglichen, ich will sie demokratisieren; denn im Moment ist sie in Indien immer noch eine exklusive und leider keine inklusive Angelegenheit.“
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