Die zögerliche Entfernung eines offen antisemitischen Banners in Kassel beschädigt die Weltkunstausstellung.
Taring Padi „People‘s Justice“
Das umstrittene Großbanner des indonesischen Künstlerkollektivs wird entfernt.
Bild: Uwe Zucchi/dpa
Düsseldorf Die interne Kontrolle hat in Kassel versagt. Obwohl sie immer wieder verlangt wurde. Obwohl seit Anfang des Jahres der Antisemitismus-Verdacht gegen die Documenta fifteen (d 15) im Raum steht. Der Skandal, der Kassel und die Documenta diese Woche erschüttert, hat vier Aspekte.
Erstens benutzt das Banner „People‘s Justice“ des indonesischen Kollektivs Taring Padi menschenverachtende Stereotype: einen Schläfenlockenträger mit haifischartigen Reißzähnen, gelbem Jackenrevers, SS-Runen am Hut. Das Wimmelbild wurde, wie berichtet, am Dienstag erst verhüllt, dann abgebaut.
Zweitens räumt niemand aus dem hiesigen Kuratorenteam den Antisemitismus-Verdacht durch Recherche nach dem bereits 2002 gemalten Plakat aus. Beschwichtigungen und Versicherungen genügen offenbar.
Drittens ist die Klassenkampfszene nicht zur Vorbesichtigung auf dem zentralen Friedrichsplatz installiert worden, sondern erst zur Eröffnung am Samstag, als alle Journalisten und Fachbesucher bereits abgereist waren.
Viertens hüllt sich das zehnköpfige Leitungskollektiv Ruangrupa, das auf dieser Documenta den Blick des globalen Südens ins Zentrum rückt, beharrlich in Schweigen.
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Seit einem halben Jahr ist Ruangrupas Nähe zum BDS öffentlich bekannt. Der BDS ist eine transnationale Bewegung, die Israelis aus Finanzaktivitäten sowie Kultur- und Wissenschaftsveranstaltungen fernhält. Angesetzte Diskussionsrunden der d 15 sind mit nicht nachvollziehbarer Begründung abgesagt und nicht wieder angesetzt worden, was dringend notwendig wäre.
Taring Padi „People‘s Justice“
Ein Detail des Banners zeigt das Stereotyp eines Schläfenlockenträgers mit haifischartigen Reißzähnen, gelbem Jackenrevers, SS-Runen am Hut.
Bild: Uwe Zucchi/dpa
Mit dem von Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, geforderten Rücktritt der Documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann wäre es keineswegs getan. Kassel, Hessen und der Bund als Geldgeber der 43 Millionen-Schau müssen strukturelle Veränderungen umsetzen.
Bundeskulturministerin Claudia Roth fordert den Einfluss des Bundes auf die Schau zurück. Auch Gästen muss klar sein, wo die feine Trennlinie zwischen Kritik an Israel und stereotyper Hetze verläuft. Wo die Kunstfreiheit endet, weil sie die gleichfalls im Grundgesetz verankerte Menschenwürde untergräbt.
Schormann hat um Entschuldigung gebeten. Es sei versichert worden, dass auf der Documenta fifteen keine antisemitischen Inhalte zu sehen sein würden. „Dieses Versprechen haben wir leider nicht gehalten. Und das hätte nicht passieren dürfen.“
Die alle fünf Jahre stattfindende Documenta hat an herkömmlicher Kunst wenig zu bieten. An ihre Stelle treten Interaktion und Projekte von Aktivisten.
Ganz anders sieht das Jörg Sperling. Der dpa gegenüber kritisierte der Vorsitzende des Documenta-Forums die Entfernung des Werks: „Eine freie Welt muss das ertragen“. Die Arbeit sei eine Karikatur und seiner Meinung nach von der Kunstfreiheit gedeckt. „Die Kunst hat ein Thema aufgebracht, das außerhalb der Kunst liegt: das Verhältnis von Palästinensern und Israelis. Dieses Problem kann die Kunst nicht lösen, das kann auch die Documenta nicht lösen.“
Doch dieser Skandal beschädigt alle Beteiligten und vor allem die Documenta als Weltkunstausstellung. Ihren Status als Leitbild-Veranstaltung hat sie bereits eingebüßt.
Der Skandal schadet auch den ausstellenden Künstlerinnen und Künstlern, von denen eine Handvoll großartige Kunstwerke geschaffen hat, die nichts mit der allgemein vorherrschenden Agitationskunst zu tun haben.
Taring Padis Agitprop hat auch negative Auswirkungen auf das Besucherinteresse aus Sammlerkreisen. Es nimmt – nicht nur beim Bundeskanzler – weiter ab.
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