Die Documenta Fifteen ist fortgesetzt wegen Antisemitismus im Gespräch. Doch die Weltkunstschau hat zahlreiche Werke zu bieten, die den genauen Blick verdienen. Eine persönliche Empfehlungsliste mit Ortsangaben.
Das Kuratoren-Kollektiv Ruangrupa
Die Macher der Documenta 15 leben in Jakarta. Sie luden keine Einzelkünstler ein, sondern weitere Kollektive, die wiederum weitere Gäste, Künstlerinnen oder Kollektive einluden.
Bild: André Zelck für Handelsblatt
Kassel Die Documenta Fifteen (d15) in Kassel wird von dem Kollektiv Ruangrupa aus Indonesien geleitet. Sie teilen Ressourcen und Wissen. Aber auch Abhängen mit Freunden ist wichtig. Dafür hat Ruangrupa das Ruru-Haus eingerichtet. Dort Ecke Königsstraße/Treppenstraße kann man Wasser, den Katalog und Bücher kaufen, findet aber auch Sitzgelegenheiten, Tickets und Toiletten.
Malgorzata Mirga-Tas
Bild: André Zelck für Handelsblatt
Eine der herausragenden Entdeckungen der d15 ist die Polin Malgorzata Mirga-Tas. Sie stellt ihre Serien textiler Wandbilder im ersten Stock des Fridericianums im Umgang aus. Dort versammelt die „Off-Biennale Budapest“ eine ganze Reihe hochinteressanter, aber bislang zu wenig beachteter Künstlerinnen und Künstler der Roma.
Malgorzata Mirga-Tas
Bild: André Zelck für Handelsblatt
Die Künstlerin Mirga-Tas greift sich berühmte Kompositionen der abendländischen Kunstgeschichte. Die Bilder aus Renaissance und Barock „überschreibt“ sie mit der Geschichte der Roma und Sinti. Hier dient die „Flucht nach Ägypten“ der Selbstermächtigung einer Roma-Künstlerin, die so neue Geschichtsbilder erschafft.
Malgorzata Mirga-Tas
Bild: André Zelck für Handelsblatt
Die vierundvierzigjährige Malgorzata Mirga-Tas stellt bedauernd fest, dass es keine Maler unter den Künstlern ihrer Vorfahren gebe. Berühmt geworden sind diese in der Regel eher als Musiker. Deshalb skizziert sie mit Stift auf Leinen Porträts ihrer nächsten Umgebung und collagiert sie in die poppig-barocken Bilder aus Stoffresten.
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Richard Bell
Bild: André Zelck für Handelsblatt
Richard Bell kämpft mit seiner „Aboriginal Tent Ambassy“ auf dem Friedrichsplatz für die Rechte von Australiens Ureinwohnern. Mit dem Gemälde aus Schrift auf weiß angetönten Mustern „White Lies Matter“ im Treppenhaus des Fridericianums gelingt dem Maler mit der Auslassung des Buchstaben „v“ eine sarkastische Umkehr von „Black Lives Matter“.
Erick Beltran
Bild: André Zelck für Handelsblatt
Der mexikanische Künstler Erick Beltran bespielt mehrere Räume im recht ansehnlichen Museum für Sepulkralkultur in Kassel. Seine Ausgangsfrage lautet: Wie lässt sie die Vielheit der Menschen in der Einheit darstellen? Dafür greift er auf deutsche Drucke des 15. und 16. Jahrhunderts zurück. Waldmenschen, antike Götter und der „Papst als Wilder Mann“ von Melchior Lorch symbolisieren die Mächte, die die Massen leiten und fehlleiten.
Erick Beltran
Bild: André Zelck für Handelsblatt
Beltran entwickelt mit collagierten Tafeln, Bildzitaten, Schrift und einem Reliefguss ein komplexes Gedankengebäude. Die räumlich ausgreifende und faszinierende Arbeit heißt „Manifold“ und betrachtet die Beziehung von Einheit und Vielheit.
Erick Beltran
Bild: André Zelck für Handelsblatt
Der in Spanien lebende Künstler Beltran erklärt leidenschaftlich gerne. Anregung zu seinem System über die Vielen und die Wenigen an der Spitze fand er u.a. in der Theorie „The Kings Two Bodies“ aus dem Elisabethanischen Zeitalter. Der eine Körper des Königs ist natürlich und sterblich. Der andere ist politisch und wird Bild in Porträts oder Symbolen.
Dan Perjovschi
Bild: André Zelck für Handelsblatt
An den schwarzen Säulen mit weißen Graffitis kommt in Kassel keine Besucherin vorbei. Dan Perjovschi hat der Documenta fifteen damit so etwas wie ein Signet gegeben. Er versteht seine Installation als Zeitung. Die kurzen Wortspiele zielen häufig auf Menschlichkeit. So wird aus „Sol“ für Sonne am Ende „Solidarity“.
Lawrence Shabu Mwangi
Bild: André Zelck für Handelsblatt
Die langgestreckte Documenta-Halle wurde vom Wajukuu Art Project zum Teil mit rostigem Wellblech verkleidet, so dass der Ort ein bisschen an das Slum Lunga Lungain Nairobi erinnert. Dort ist „Wrapped Reality“ von Lawrence Shabu Mwangi zu entdecken. Zwei schwarze menschliche Gestalten hängen - gefangen in einer Reuse - über Spiegeln, alten Tapes und rotem Sand.
Lawrence Shabu Mwangi
Bild: André Zelck für Handelsblatt
Im Gespräch erzählt Mwangi, dass das „Gefängnis“ der beiden Gestalten einem Geflecht abgeschaut sei, mit dem in Lunga Lunga Hühner zum Markt gebracht werden. „Wir sind alle gefangen in der modernen Welt des Konsums auch in Deutschland. Wir sehen den anderen als Feind“, erklärt Mwangi seine Absicht im Gespräch.
Lawrence Shabu Mwangi
Bild: André Zelck für Handelsblatt
Lawrence Shabu Mwangi erläuterte dem Handelsblatt seine Idee für „Wrapped Reality“: „Wir sind doch alle interaktive Wesen, die den anderen brauchen. Wir sollten nicht als Individuen leben.“ Solcherlei Lobpreis der Gemeinschaft ist von mehreren Ausstellenden zu hören. Das ist offenbar die Leitlinie, die Ruangrupa vorgab.
Más Arte MásAcción (MAMA)
Bild: André Zelck für Handelsblatt
Más Arte MásAcción (MAMA) ist ein Kollektiv aus Kolumbien, das sich der Klimagerechtigkeit und Biodiversität im Mangrovenwald verschrieben hat. Diskussionen mit dem Publikum in Kassel über politische Prozesse, Ethik und Gender-Diversitäten finden in einem herrlich phantasievollen Truck statt. Innen ist er ausgestattet mit Sitzbank, Computer und Bildschirmen.
Atelier van Lieshout
Bild: André Zelck für Handelsblatt
Ökologische Themen sind zentral für Más Arte Más Acción. Darum reist auch immer eine Urwaldtoilette mit. Entworfen hat sie das bekannte Künstlerkollektiv Atelier van Lieshout aus Rotterdam. Für einmal wurde ein Designauftrag aus dem globalen Süden in den Norden vergeben, nicht umgekehrt.
Fernando Arias und Jonathan Colin von Más Arte MásAcción (MAMA)
Bild: André Zelck für Handelsblatt
„Was bedeutet Fortschritt in einem von der Regierung vernachlässigten Gebiet?“, fragt Fernando Arias. Er hat MAMA zusammen mit Jonathan Colin 2011 gegründet. Fortschritt in einem von Drogenhandel und Ausbeutung der Erde geprägten Hafenstädtchen im Regenwald bedeute eben nicht den Hafen zu vergrößern, erzählen sie. Sondern sanften Tourismus und Fischerei zu stärken, statt mehr Tropenholz zu exportieren. Um damit indigene Gruppen, die seit Jahrhunderten mit den ökosensiblen Mangroven zu leben verstehen, zu stärken.
Ngugi Waweru
Bild: André Zelck für Handelsblatt
Die Messer-Installation stammt von Ngugi Waweru aus dem kenianischen Nairobi. Die gebrauchten, oft stark abgenutzten Schlachtmesser erzählen etwas vom Leben und Überleben im Slum Lunga Lunga, aber auch von der Nachhaltigkeit. In dem Slum sorgt das Wajukuu Art Project, das Ngugi Waweru nach Kassel eingeladen hat, für Kunst und Perspektiven.
Mehr: Ausstellung in Kassel: Documenta 15: Wir müssen die Welt verbessern
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