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12.04.2019

09:26

Nachhaltigkeit

Der Boom von Unverpacktläden – Wie Plastik-Vermeidung zum Geschäftsmodell wird

Von: Philipp Frohn

Immer mehr überwiegend kleine Geschäfte werben mit dem Verzicht auf Plastikverpackungen. Doch auch etablierte Konzerne wittern zusätzlichen Gewinn.

Ein Großteil der Deutschen spricht sich für das Konzept des verpackungsfreien Einkaufens aus. dpa

Obst und Gemüse

Ein Großteil der Deutschen spricht sich für das Konzept des verpackungsfreien Einkaufens aus.

Düsseldorf Die Deutschen produzieren so viel Plastikmüll wie kein anderes Land in der EU. 220,5 Kilogramm pro Kopf und Jahr fallen dabei an, gab das Umweltbundesamt im vergangenen Jahr bekannt. Insgesamt türmt sich hierzulande also ein 18,16 Millionen Tonnen schwerer Plastikberg auf.

Dosierhilfen, kleinere Portionen für Single-Haushalte, der Trend zum Online-Versandhandel und der Konsum von „To go“-Produkten treiben den Gebrauch von Wegwerfprodukten in die Höhe.

Doch es gibt auch eine Gegenbewegung. „Zero Waste“ heißt die Lebensphilosophie, die sich zum Ziel gesetzt hat, auf den ökologischen Fußabdruck zu achten und möglichst wenig Abfall zu produzieren. Auch einige Unternehmen beginnen damit, diese Ideen in ihr Geschäftsmodell zu integrieren – allen voran die Unverpacktläden.

In diesen kleinen Geschäften, die gerade in vielen Großstädten eröffnen, folgt der Verkauf der Maxime der Nachhaltigkeit. Das Konzept: In den Läden können die Kunden die Lebensmittel und Kosmetik selbst abfüllen, bezahlt wird nach Stückzahl und Gewicht. Gläser, Tüten und Dosen, um die Produkte zu transportieren, bringen die Kunden selbst mit. In Plastik verpackte Lebensmittel wird man hier deshalb nicht finden.

Auch sollen die Kunden dazu bewegt werden, nur so viele Produkte einzukaufen, wie sie wirklich benötigen – was auch der Lebensmittelverschwendung entgegenwirken soll.

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Gregor Witt hat mit „Tante Olga“ im November 2016 den ersten Unverpacktladen in Köln gegründet. „Als Vater von vier Kindern liegt mir unsere Erde am Herzen. Ich kämpfe für ein Leben ohne Müll und Verschwendung, den ökologischen Landbau, die Energiewende und für mehr Frieden und Achtsamkeit auf dieser Welt“, sagt er.

Das sind hehre Ziele. Doch wer sie verwirklichen möchte, findet in Deutschland noch wenige Läden wie „Tante Olga“: Im Jahr 2018 zählte das Blog „Plastikfreiheit„ rund 50 verpackungsfreie Läden landesweit, allen voran in Metropolen wie Berlin und Köln. Doch der Trend greift um sich. Auch in mittelgroßen Städten wie dem niederrheinischen Moers und dem rheinland-pfälzischen Bad Kreuznach eröffnen demnächst erste Unverpacktläden.

Großes Interesse, wenig Kaufbereitschaft

Der Trend entspricht einem Kundenbedürfnis. 71 Prozent der Bundesbürger finden das Konzept gut, zeigt eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Splendid Research aus dem vergangenen Jahr. Allerdings hatten bis dahin nur acht Prozent der Befragten in einem Unverpacktladen eingekauft.

Ein Grund dafür liegt offenbar in der fehlenden flächendeckenden Präsenz, die auch mit stetigen Neueröffnungen solcher Geschäfte nicht geschlossen werden kann. Immerhin geben 51 Prozent der Befragten an, keinen Unverpacktladen in ihrer Nähe zu haben.

Doch es schenit, als solle sich daran künftig etwas ändern. Denn parallel zur steigenden Anzahl kleiner Läden rüsten auch große Supermarktketten ihr nachhaltiges Produktsortiment auf. Nachdem bereits Einwegtragetaschen aus vielen Supermärkten verschwunden sind, soll nun auch in Plastik verpacktes Gemüse der Vergangenheit angehören. Rewe zum Beispiel verabschiedet sich demnächst davon, seine Bio-Gurken in Plastik einzuschweißen – ein großes Ärgernis für viele Kunden.

Zudem will der zweitgrößte deutsche Lebensmitteleinzelhändler bis zum Jahr 2030 sämtliche Produkte der Eigenmarken umweltfreundlich anbieten. „Das Thema Plastik ist derzeit in aller Munde“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Rewe-Gruppe, Lionel Souque, der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ im vergangenen Jahr. „Und das zu recht.“

Auch an der Frischetheke etablieren Einzelhändler wie Edeka zunehmend Alternativen zu Plastikverpackungen. In einem Pilotmarkt in Büsum testet Edeka an der Wursttheke den Einsatz von Mehrwegboxen. Mit Erfolg: Nach Edeka-Angaben zeigen sich von der Idee zur Reduzierung von Verpackungsmüll begeistert.

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