PremiumDie deutsche Spitzengastronomie hat sich in den vergangenen zwölf Monaten trotz Corona weiter verbessert – meint der Guide Michelin. Mehr Sterne vergaben die Tester noch nie.
Guide Michelin
Die Tester des französischen Restaurantführers finden immer mehr Topadressen in Deutschland.
Bild: Adobe Stock
Düsseldorf Unübersichtliche Zugangsregelungen in verschiedenen Bundesländern, Maskenpflicht für Mitarbeiter, Sperrstunden oder Schließungen – die Gastronomen in Deutschland sind von der Pandemie gebeutelt worden. Umso überraschender muten die nun veröffentlichten Bewertungen der Inspektoren des französischen Restaurantführers Guide Michelin an. 327 Restaurants in Deutschland haben mindestens einen der bei Köchen nach wie vor begehrten Michelin-Sterne erhalten, so viele wie nie zuvor.
In der Spitze gab es trotz einer Abstufung des Vendome in Bergisch Gladbach für zusammen neun Restaurants Grund, sich über den dritten Stern zu freuen. Besonders groß wird die Freude in Piesport im Restaurant Schanz ausgefallen sein. Der gleichnamige Küchenchef Thomas Schanz erhält erstmals die Höchstwertung. Die übrigen Betriebe wurden erneut mit der höchstmöglichen Wertung ausgezeichnet.
Überraschend ist, dass nicht nur die bestehenden Restaurants ihre Qualität steigern konnten, sondern auch die Zahl der Restaurants mit einem Michelin-Stern nochmals um 31 Adressen auf nun 272 gestiegen ist. „Es sind sowohl bestehende Restaurants, die ihre Qualität steigern konnten, als auch neue Betriebe“, sagt Ralf Flinkenflügel, Chefredakteur der deutschen Ausgabe des Guide Michelin.
Unter den acht neuen Restaurants mit zwei Sternen sind zwei überhaupt erstmals im Guide aufgeführt. „Wir waren überrascht über die vielen Mails von Gastronomen, die uns schrieben, dass sie neu eröffnet hätten“, sagt Flinkenflügel.
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Das sind verblüffende Nachrichten, denn die Gastronomie in Deutschland ist 2021 im zweiten Jahr in Folge wegen der Coronaregelungen massiv beeinträchtigt gewesen. Die Umsätze der speisengeprägten Gastronomie sind 2020 im Vergleich zu 2019 um 34 Prozent gesunken, 2021 blieb das Niveau ähnlich niedrig. 23.145 Betriebsneugründungen gab es in der Gastronomie 2021 laut Statistischem Bundesamt, die Zahl der Betriebsaufgaben lag hingegen bei 25.646.
Auch die Zahl der Mitarbeiter im Gastgewerbe ist gesunken. Lag die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Angestellten 2019 noch bei 1,1 Millionen, sank sie 2021 auf 980.000. Ein ähnliches Bild bietet sich bei den geringfügig Beschäftigten im Gastgewerbe.
Allein wer in den vergangenen Monaten in der gehobenen Gastronomie essen gehen wollte, bekam bei der Reservierung überraschend oft eine Absage. „Es gab einen riesigen Nachholbedarf der Gäste“, sagt Flinkenflügel. Gute Zeiten für Neugründer, zumal diese ihre Restaurants anders planen.
„Die Zahl der gut ausgebildeten Köche in der ausgezeichneten Gastronomie steigt jedes Jahr“, sagt Flinkenflügel. Viele junge Köche setzten auf kleine Teams, die auch den Fachkräftemangel auffangen können, wenn der Chefkoch nicht nur die Gerichte inspiziert, sondern auch gleich mit umfangreichen Erklärungen den Gästen selber serviert.
Mit der gestiegenen Zahl junger Restaurants kristallisiere sich auch immer mehr ein eigenständiger Umgang mit Zutaten heraus. Vegane und vegetarische Gerichte sind heutzutage in hochwertigen Menürestaurants keine Ausnahme mehr, Einflüsse aus verschiedenen Küchen sind selbstverständlich. „Und die deutschen Köche sind technisch sehr gut“, sagt Flinkenflügel.
Das gilt mit Sicherheit für den jüngsten Zugang im Kreis der Drei-Sterne-Köche, Thomas Schanz im gleichnamigen Restaurant im beschaulichen Piesport an der Mosel. Es gilt aber auch für Benjamin Chmura, der lange Jahre in Frankreich arbeitete. 2021 startete der gebürtige Kanadier mit deutscher Mutter, der in Brüssel aufwuchs, als Chefkoch in der mit viel Aufmerksamkeit verfolgten Wiedereröffnung des legendären Restaurants Tantris in München.
Nach Sanierung und Renovierung des denkmalgeschützten Gebäudes verantwortet Chmura die Küche, die einst Eckart Witzigmann, Heinz Winkler und Hans Haas bekannt machte. Chmuras zeitgemäße französische Küche wurde auf Anhieb mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Das „Maison Tantris“, das nun aus französischem Restaurant, Bar und dem Restaurant DNA besteht, hat in Summe sogar drei Sterne, denn auch die Chefköchin des DNA, Virginie Protat, wurde für ihre Gerichte mit einem Michelin-Stern belohnt. Zudem erhält der Betrieb die Auszeichnung „New Opening of the Year“.
Nur wenige Restaurants mussten abgewertet werden, teils sind die Sterne wegen Geschäftsaufgabe verloren gegangen. Die wohl spektakulärste Entscheidung betrifft das Restaurant Vendome im Grand Hotel Bensberg in Bergisch Gladbach. Joachim Wissler hat nach vielen Jahren den dritten Stern verloren und wird nun in der Liste der 46 Restaurants mit zwei Michelin-Sternen geführt.
Wenn die Köche und Gastronomen am Tag der Verleihung ihre Auszeichnung feiern, dürfte trotz der Einbußen die Freude überwiegen. Die Restaurants haben inzwischen auch ihre eigenen Antworten gefunden, wie sie den eklatanten Personalmangel auffangen: Viele Restaurants servieren weniger Auswahl und oft nur ein Menü mit vegetarischen Alternativen, öffnen nur noch abends, und das auch nur an vier Tagen.
Für die Tester des Guide Michelin durchaus ein Problem. „Bei einigen Restaurants dauerte es ein paar Wochen, bis der Inspektor einen Tisch reservieren konnte“, sagt Flinkenflügel.
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