Wie gehen deutsche Topköche in der Coronakrise kreativ mit dem Lockdown ihrer Unternehmen um? Wir stellen einige Beispiele vor.
Sascha Stemberg
„Ich hoffe, dass noch irgendwelche Schirme gespannt werden.“
(Foto: Haus Stemberg)
Velbert Sascha Stemberg hat sich ein Ziel gesetzt. Ein wichtiges. Gerade in der Unwägbarkeit dieser Zeit. „Wir möchten den Leuten ein Lächeln ins Gesicht zaubern“, sagt der Koch und Gastronom aus dem bergischen Velbert, dessen Haus Stemberg seit 2013 mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet ist. „Vor allem denen, die täglich für die Aufrechterhaltung des Gemeinwohls kämpfen.“ Für Menschen, die das Coronavirus systemrelevant gemacht hat – so schnell ändern sich Kategorien, siehe Bankenkrise.
Deswegen beteiligt sich Stemberg an „Kochen für Helden“, einer wohltätigen Aktion, die Ilona Scholl und Max Strohe mit ihrem Restaurant Tulus Lotrek in Berlin vor einiger Zeit initiiert haben und die bundesweite Kreise zieht und Teilnehmer findet. „Wir sind eh mit ganz kleiner Besetzung für unseren Take-away-Service am Start und dachten: Das ist einen tolle Nummer, da sind wir dabei“, erzählt Stemberg, wie kreativ und engagiert Topköche mit dem Lockdown ihrer Unternehmen umgehen.
Weil auch die Lieferanten mitziehen und frische Produkte spenden, „die sie aufgrund stagnierender Abnahme wahrscheinlich sonst irgendwann wegwerfen müssen“ (Stemberg), gibt es nun in schöner Regelmäßigkeit kostenlose Köstlichkeiten: Als Dankeschön an all jene „die den Laden in Zeiten der Krise zusammenhalten“ – so der Claim von „Kochen für Helden“.
Für die Freiwilligen der Velberter Tafel beispielsweise, die ihrerseits einen Lieferdienst für die Bedürftigen aufgestellt haben. In Form von jeweils einer prallen Tüte mit Herz- und Schmackhaftem sowie Süßem, als erste Aktion flugs aus dem gezaubert, was die Speisekammer im Haus Stemberg noch hergab. Oder geschmorter Tafelspitz vom Milchkalb samt exquisiter Beilagen für das Personal eines örtlichen Krankenhauses, über 60 Portionen.
Stemberg lässt die Öffentlichkeit via soziale Medien am karitativen Kochen teilhaben: „Nicht, um Selbstbeweihräucherung zu betreiben oder PR für uns zu machen“, das ist ihm wichtig. „Mir geht es darum, dass die Initiative weitere Nachahmer findet. Und dass gleichsam unsere Partner gewürdigt werden, die das Engagement unterstützen.“
Bis Karfreitag hat das Haus Stemberg eigentlich Betriebsferien. Stemberg lässt jetzt zudem schon künftige Urlaubstage abfeiern, erspart seiner 19-köpfigen Belegschaft so vorerst die Kurzarbeit. Am langen Oster-Wochenende freilich ist trotz der leeren Tische im Gastraum und auf der Terrasse das Licht in der Küche an.
Haus Stemberg hatte das Take-away-Angebot noch mal hochgeschraubt und überdies ein viergängiges Feiertagsmenü mit Auswahlmöglichkeiten und allem Zipp und Zapp zusammengestellt, vorgekocht und zum Anrichten daheim, samt Bedienungsanleitung und launigem Video-Tutorial, „damit es so aussieht wie im Restaurant“.
„Stemmis Box at Home“ nennt Stemberg seine mittlerweile ausverkauften Oster-Offerten: „Man darf halt nicht den Kopf in den Sand stecken, muss sich was einfallen lassen, weitermachen so gut es geht.“ Dem Handelsblatt hat er zum Thema „Kulinarik in Zeiten von Corona“ noch einige weitere Gedanken und Perspektiven offenbart.
Herr Stemberg, wie geht es Ihnen persönlich in dieser Ausnahmesituation?
Gut. Alle sind gesund, meine Eltern, meine Frau und meine Kinder, meine Mitarbeiter, ich selbst – das ist schon mal eine wunderbare Basis. Zu unserer Situation als alteingesessenes, etabliertes Unternehmen kann ich sagen, dass wir den Lockdown haben kommen sehen, rechtzeitig die Weichen gestellt und zum Beispiel den Take-away-Service gut vorbereitet haben, um das im Sinne unserer Mitarbeiter richtig zu steuern. Und wir haben unsere Gäste ebenso rechtzeitig eingestimmt.
Wie viel lässt sich mit so einem Angebot oder mit dem Oster-Special kompensieren?
Vielleicht 20, 30 Prozent. Maximal. Mit dem Take away kann ich keinen normalen Tag ersetzen, selbst wenn es besonders gut läuft. Darum geht es allerdings gar nicht.
Sondern?
Wir haben was zu tun. Wir tun unseren Lieferanten einen Gefallen, indem wir ihnen noch Ware abnehmen. Wir tun unseren Gästen einen Gefallen und damit wiederum uns, weil wir sie bei Laune halten, und sie uns gewogen bleiben. Nicht zuletzt: Die Mitarbeiter, sofern sie nicht in Urlaub sind, bleiben motiviert.
Was wünschen Sie sich von der Politik, auch als Unternehmer?
Das derzeitige Politiker-Bashing mag ich nicht. Oder das Gejammere. Jeder maßt sich an, seinen Senf dazu zu geben. Manche glauben, alles besser zu wissen. Doch diese Situation hatte niemand auf dem Schirm, damit muss jeder erst mal klarkommen, auch die Politik. Die wirtschaftliche Seite ist eine ganz schlimme, und niemand weiß, was noch passiert. Aber vorrangig geht es um Menschenleben.
Wie, glauben Sie, wird Gastronomie nach Corona sein?
Es werden leider einige Betriebe wegbrechen. Viele, die sich jung selbstständig gemacht haben. Das tut mir unglaublich leid und ich hoffe, dass noch irgendwelche Schirme gespannt werden, dass die Leute aufgefangen werden. Das ist ja nun mal nicht selbst verschuldet. Generell denke ich, dass sich das Konsum- und Sozialverhalten ändern wird. Es wird dauern, bis die Leute sich wieder umarmen und sich gemeinsam an einen großen Tisch setzen.
Und was wünschen Sie sich?
Ich weiß ja selbst nicht, ob wir es schaffen. Weil keiner weiß, wie lange es geht. Nach Ostern werden wir ebenfalls nicht um Kurzarbeit herumkommen; mein Vater und ich wollen indes schauen, wie wir die Mitarbeiter auffangen können. Von 60 oder 67 Prozent kann niemand leben. Ich hoffe, dass alle, die immer sorgfältig gearbeitet haben und vernünftig unterwegs waren, weiterhin angesehen sind und noch mehr frequentiert werden. Vielleicht macht diese Zeit vielen bewusst: was es bedeutet zu kochen, wenn man selbst jeden Tag zuhause ist und kochen muss. Wie toll soziales Leben in einem schönen Rahmen sein kann, mit Genuss und Emotionen.
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