Der kanadische Journalist James B. MacKinnon hat ein leidenschaftliches Plädoyer für einen freiwilligen Konsumverzicht geschrieben – als Beitrag zum Klimaschutz.
Kleidergeschäft
Gemessen am Gewicht kaufen die Menschen heute fünfmal mehr Kleidung als in den 1950er-Jahren.
Bild: Reuters
Downshiften, Kleiderfasten, Konsumverzicht – der Trend zu freiwilliger Enthaltsamkeit hat gerade in der Coronazeit neuen Auftrieb bekommen. Zurückgeworfen auf sich selbst stellten viele Menschen fest, wie leicht sie Dinge entbehren können – und wie sehr sie damit die Umwelt schonen.
Konsumverzicht als Akt des Klimaschutzes – davon ist auch der kanadische Journalist James B. MacKinnon überzeugt. „Wenn es um den Klimawandel, das Aussterben von Spezies, die Erschöpfung der Wasserreserven, die Verseuchung mit Giftmüll, die Entwaldung und andere Krisen geht, hat die Frage, wie viel jeder von uns konsumiert, mittlerweile größere Bedeutung als die Frage, wie viele von uns es gibt“, schreibt er in seinem gerade erschienenen Buch „Der Tag, an dem wir aufhören zu shoppen. Wie ein Ende der Konsumkultur uns selbst und die Welt rettet.“
Darin führt er aus, welche Auswirkungen es haben würde, wenn die Gesellschaft mit einem Mal aufhört, überflüssige Dinge zu kaufen. Wie würde die Wirtschaft reagieren, wie würde sich die Arbeitswelt verändern, was würde ein Konsumverzicht mit unserem Leben und unserem Denken anstellen? Die erlösende Antwort: Es kann nur besser werden.
Die Vorstellung, der Konsumappetit werde eines Tages an eine natürliche Grenze stoßen, ist natürlich nicht neu. Der englische Ökonom William Stanley Jevons sagte dasselbe über die materielle Wirtschaft vor immerhin mehr als 150 Jahren.
In seinem unterhaltsam geschriebenen Sachbuch schreitet nun auch MacKinnon die Stationen eines weltweiten Konsumrückgangs ab. Er spricht mit Protagonisten, wie Levi’s-Nachhaltigkeitschef Paul Dillinger, der unumwunden zugibt, dass die Textilindustrie von „unnötigem Konsum“ lebe. Dillinger, dessen Firma Geld damit verdient, dass die Mode ständig neue Jeansschnitte fordert, hat einen kritischen Blick auf seine Branche.
James B. MacKinnon: Der Tag, an dem wir aufhören zu shoppen.
Penguin Verlag
München 2021
449 Seiten
16,99 Euro
Wie groß der unnötige Konsum ist, verdeutlicht MacKinnon anhand von Zahlen: Gemessen am Gewicht kaufen die Menschen heute fünfmal mehr Kleidung als in den 1950er-Jahren. Und: Die Beratung McKinsey hat berechnet, dass sechs von zehn Kleidungsstücken innerhalb eines Jahres nach ihrer Erzeugung im Müll landen.
MacKinnon hat, wie er selbst einräumt, sein Buch „in der Tradition faktengestützter Gedankenexperimente und fantasievoller Neugestaltung der Realität“ geschrieben. So beschreibt er etwa bei einem Besuch des Ökonomen Peter Victor den Ruheständler wie in einem Roman.
Um dann zu dessen volkswirtschaftlicher Betrachtung zu gelangen: Wenn die Menschen weniger Güter und Dienstleistungen nachfragen, sinkt die wirtschaftliche Aktivität, in der Folge reduziert sich das Arbeitsaufkommen, und die Menschen arbeiten weniger – und haben mehr Freizeit. Sein Fazit: Die Menschen könnten weniger kaufen – ohne die Volkswirtschaft zu ruinieren.
Konsum hat aber nicht nur volkswirtschaftliche Effekte, sondern auch psychologische Gründe. „Die Werbung zielt zumeist auf Geltungskonsum; und von dieser Art von Konsum sprechen wir normalerweise, wenn wir vom Shoppen sprechen“, schreibt MacKinnon. „Da wir unablässig den Konsum einsetzen, um uns in Relation zu den Menschen in unserer Umgebung zu positionieren, sprechen die Gelehrten heute oft von „positionalem Konsum.“ Das kann etwa „eine Hiut-Jeans, ein Löffel von Robbe & Berking oder ein mit den Susuwatari-Wollmäusen aus dem Totoro-Universum bedrucktes T-Shirt“ sein.
Doch Zufriedenheit oder gar Glück benötigt andere Quellen als Konsum. MacKinnon besucht zahlreiche Menschen auf der ganzen Welt, von den USA über Finnland bis nach Japan, die einen ebenso genügsamen wie zufriedenstellenden Lebensstil für sich gefunden haben.
Die Idee ist nicht neu. Der Begriff „freiwillige Einfachheit“ wurde bereits 1936 von dem amerikanischen Sozialphilosophen Richard Gregg geprägt. Ein Vorbild für uns alle, wie MacKinnon meint.
Das Konsumverzichtsbuch ist nicht das erste Werk des Autors. Der 51-Jährige hat bereits ein Buch über regionale Lebensmittel sowie einen Kriminalroman geschrieben. MacKinnon, so scheint es, beschreibt gern seine Umwelt und berichtet dabei von kleinen Begebenheiten.
Und so ist sein neuestes Buch ein leidenschaftliches Plädoyer für den freiwilligen, zumindest teilweisen Konsumverzicht an dessen Ende durchaus auch konkrete Vorschläge stehen. Die reichen von Angaben zur Lebensdauer in der Produktkennzeichnung über Vorschriften für die Reparatur von Produkten bis hin zu Jobsharing-Programmen und eine Verkürzung der Arbeitstage oder -wochen, sodass die Menschen auch in einer langsameren, kleineren Wirtschaft Arbeit finden.
Und er rät seinen Lesern am Ende: „Halten Sie an. Wie viele andere Menschen werden Sie möglicherweise entdecken, dass das Leben mit weniger eines der Geheimnisse eines glücklicheren Lebens ist.“
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