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25.02.2023

09:45

Rezension

Wie Verbraucher im Alltag getäuscht werden – und was sie dagegen tun können

Von: Markus Hinterberger

Ob Versicherung, Werbung oder Verpackungen: Alles kann leere Versprechungen enthalten. Ron Perduss will mit seinem Buch „Abzocke“ über Täuschungen im Konsumentenalltag aufklären.

In einem Mietvertrag können unrechtmäßigen Klauseln gemogelt werden –  Perduss zeigt in seinem Buch was dann zutun ist. dpa

Mietvertrag

In einem Mietvertrag können unrechtmäßigen Klauseln gemogelt werden – Perduss zeigt in seinem Buch was dann zutun ist.

Frankfurt Das Sprichwort „Trau, schau, wem“ gilt als Mantra der Vorsichtigen. Schenke niemandem leichtfertig Vertrauen! Das gilt besonders auch für Verbraucher, wenn sie wirklich wissen wollen, was sie kaufen.

Denn es geschieht nicht selten, dass die Werbung oder die Verpackung Dinge versprechen, die das eigentliche Produkt ziemlich sicher nicht halten kann. Positiv betrachtet, gehört dieses „Mehr Schein als Sein“-Gehabe zum Geschäftsleben dazu.

Negativ besehen handelt es sich um Abzocke. Ein großes Wort, das an schmierige Vertreter erinnert, die arglosen Menschen Knebelverträge für Dinge aufschwatzen, die eigentlich niemand braucht.

Aber Abzocke im Kleinen gibt es auch an anderer Stelle. Solche kleinen und großen Betrüger aufzuspüren ist Ron Perduss‘ Leidenschaft. Schon früh hat der gelernte Bankkaufmann die Seiten gewechselt und seinen Platz hinter dem Mikrofon und vor der Kamera gefunden.

In Radio und Fernsehen zeigt er seitdem, wo Menschen Gefahr laufen, Geld zu verlieren. Nun hat er seine Erlebnisse im Buch „Abzocke – Wie Sie im Alltag getäuscht werden“ aufgeschrieben.

Fokus auf die freie Wirtschaft

Wo sich andere auf einzelne Betrugsmaschen stürzen, spannt Perduss den großen Bogen, keinen Bereich des Alltags spart er aus. Ron Perduss ist vor allem im Großraum Berlin, aber dank N-TV und RTL inzwischen auch bundesweit als Verbraucherjournalist bekannt.

Anders als Comedy-Star Mario Barth, der gemeinsam mit Rainer Holznagel vom Bund der Steuerzahler den harten Aufklärer staatlicher Verschwendung gibt, nimmt sich Perduss die private Wirtschaft vor. Da geht es um Mogelpackungen bei Lebensmitteln, intransparente Verträge oder den Betrug mit Kryptowährungen, die es gar nicht gibt.

Das klingt nach einem „Alles Betrüger“-Denken im Hinterkopf. Ein Eindruck, der sich in weiten Passagen von „Abzocke“ auch bestätigt. Das macht das Buch auf der einen Seite schwer verdaulich, vor allem, wenn man mehrere Kapital hintereinanderliest. Auf der anderen Seite lässt es sich dank vieler anschaulicher Beispiele aber sehr gut und schnell lesen.

Mitunter zeichnet Perduss jedoch so viel schwarz, dass dem Leser respektive der Leserin Zweifel kommen können, ob es überhaupt irgendwer ernst meint mit seinen Kunden, Verbrauchern und Klienten. Da wäre ein bisschen mehr Grau, sprich Zwischentöne und Ausgewogenheit, durchaus wünschenswert.

Ron Perduss: Abzocke
Südwest Verlag
München 2023
192 Seiten
18 Euro

Besonders deutlich wird das im Kapitel „Zur Miete wohnen“. Hier gibt es da die arglosen Mieter, die doch nur ein Zuhause (auf Zeit) wollen, und dort raffgierige, potenziell betrügerische Vermieter. Dass in Deutschland Politik und Rechtsprechung in der Tendenz eher mieterfreundlich sind, kommt nur am Rande durch.

Positiv und sehr nutzwertig sind die Passagen, in denen Perduss zeigt, welche unrechtmäßigen Klauseln in Mietverträge gemogelt werden können. Denen stellt er die Stellen des Bürgerlichen Gesetzbuchs gegenüber, mit denen diese Klauseln ausgehebelt werden können.


Schwächen bei Finanzprodukten

Das Kapitel „Banken und Versicherungen“ ist da stark, wo Perduss aus seinem eigenen – vergangenen – Berufsalltag berichtet. Sehr anschaulich erzählt er von seinen Erfahrungen aus seiner Lehre bei einer Berliner Bank und seinem Arbeitsalltag bei der damals noch in Deutschland im Privatkundengeschäft aktiven Citi-Bank.

Über seine Ausbildung schreibt er: „Hier musste ich zum ersten Mal bitter lernen, dass vieles im Fokus stand bei der Beratung in meiner Bank – nur der Kunde war es nicht immer. Das war vielleicht keine explizite Vorgabe von ‚ganz oben‘. Aber am Ende dann doch irgendwie.“ Anschließend beschreibt er, wie er aus der Phalanx der Verkäufer und Provisionsritter ausscherte, und zählt die Probleme auf, die Anlageprodukte von Banken und Versicherungen haben.

Die Fallstricke bei Bausparverträgen, Rentenversicherungen und anderen Anlageprodukten aufzuzählen mag wichtig und richtig sein, und es ist ein großes Verdienst, dass Perduss seine Strahlkraft als „Mann vom Fernsehen“ nutzt. Aber für einen großen Wurf müsste das Buch hier tiefer gehen.

Mehr Literatur:

Besonders bei den Produkten, die Kunden in Bankfilialen verkauft bekommen, braucht es mehr Erklärungen. So können etwa Bausparverträge für Rentner sinnvoll sein, auch wenn sie qua Alter keinen Kredit mehr bekommen, um ihr Eigenheim zu renovieren.

Auch Rentenversicherungen können sich für Menschen lohnen, die ihr Geld partout nicht in Fonds und ETFs investieren wollen, auch wenn sie sich im Vergleich weniger rentieren und viel kosten. So, wie es im Buch beschrieben ist, kann der Eindruck entstehen, alles, was in der Bank angeboten wird, sei Mist.

„Abzocke“ bietet viel Hilfe, um in den verschiedenen Bereichen des Verbraucherlebens erkennen zu können, wie und wo Gefahren lauern können, durch die man Geld verlieren könnte. Beim Thema Finanzen geht das Buch jedoch leider nicht darüber hinaus, die Usancen im Vertrieb zu erklären.

Perduss beschreibt, welche falschen Anreize Provisionen setzen können. Er wägt aber nicht die Vor- und Nachteile der Produkte ab, damit Verbraucher erkennen können, ob es sich lohnt, sich dieses oder jenes verkaufen zu lassen.

Vielleicht ist das auch gar nicht seine Absicht. Es hätte den rund 190 Seiten sicher noch 50 bis 100 hinzugefügt und das ohne Frage sehr informative Bändchen zu einer Art Vademecum für den oft beschworenen mündigen Verbraucher gemacht. Natürlich immer versehen mit dem Hinweis, dass das, was im Buch beschrieben ist, in der Regel Extrembeispiele sind und sich die Zahl der harten Abzocker glücklicherweise in Grenzen hält.

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