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21.01.2023

12:55

Rezension

Zur Zukunft der CDU: Konservativ – und cool?

Von: Thomas Sigmund

Die Bücher über Friedrich Merz und von Joe Chialo geben Aufschluss darüber, wohin sich Deutschlands größte Oppositionspartei entwickeln muss, um zukunftsfähig zu sein.

Der CDU-Vorsitzende wird als Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl 2025 gehandelt. IMAGO/Bernd Elmenthaler

Friedrich Merz

Der CDU-Vorsitzende wird als Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl 2025 gehandelt.

Das Jahr 2023 wird zur Bewährungsprobe für Friedrich Merz. Der CDU-Vorsitzende steht zwar bei den Landtagswahlen in Bremen, Berlin, Hessen und Bayern nicht zur Wahl. Doch Siege der Landesverbände färben immer auch auf den Parteichef ab. Für Niederlagen gilt dies umso mehr.

Und Bayern, das Bundesland, in dem die CSU regiert? Triumphiert Ministerpräsident Markus Söder, dürfte der bei der politischen Zukunft von Merz ein wichtiges Wort mitzureden haben. Söder schon wieder ante Portas – diesmal nicht bei Armin Laschet, sondern bei Friedrich Merz.

Dann beweist sich auch, ob der Titel der Merz-Biografie „Der Unbeugsame“ nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Gegenwart gilt. Nach der Lektüre des mehr als 300 Seiten dicken Buchs der freien Journalistin Jutta Falke-Ischinger und Daniel Goffart, Chefreporter der „Wirtschaftswoche“, besteht jedenfalls kein Zweifel daran.

Wer sich ein umfassendes Bild über die Person von Friedrich Merz und seiner Suche nach dem Markenkern der CDU machen will, kommt an dem Werk nicht vorbei. Denn auch für Merz steht fest. Es reicht nicht, sich allein als Mann der Wirtschaft und Bewahrer des konservativen Tafelsilbers zu profilieren. So ist keine Wahl zu gewinnen.

Mit viel Akribie sind die Autoren bis in die frühen Jahre des Sauerländers eingetaucht. Freunde, Lehrer und die Ehefrau von Merz sprechen über das Leben zwischen Schützenverein, katholischer Studentenverbindung „Bavaria Bonn“ und dem Juristen-Elternhaus. Dass Merz die Schule wechseln und eine Klasse wiederholen musste, dürfte viele überraschen. Bester in Latein wie Kanzler Olaf Scholz war Merz jedenfalls nicht.

Jutta Falke-Ischinger, Daniel Goffart: Der Unbeugsame
Langen Müller Verlag
München 2022
240 Seiten
25 Euro

Mit enormem Detailwissen lassen die Autoren Falke-Ischinger und Goffart die Leserinnen und Leser einen Blick hinter die Kulissen der Politik werfen, auch über das völlig zerrüttete Verhältnis zwischen Merz und Angela Merkel. Nach der verlorenen Bundestagswahl 2002 hatten Merkel und Edmund Stoiber Merz aus dem Vorsitz der Unions-Bundestagsfraktion gedrängt und ihm dafür das Amt des Bundestagspräsidenten angeboten.

„In Merz kochte es“, schreiben die Autoren. „Er fühlte sich von Merkel, vor allem aber von Stoiber betrogen. Das hatten sich die beiden ja schön ausgedacht! Nein, nicht mit ihm! Über das Amt des Parlamentspräsidenten würde er, wenn überhaupt, frühestens in zehn Jahren nachdenken, rief er, mühsam um Fassung ringend, Merkel und Stoiber zu.“

Das Buch ist über weite Strecken wohlwollend geschrieben, doch es legt auch die Finger in Merz Wunden. Seine Zeit beim größten Vermögensverwalter der Welt Blackrock nimmt nur ein paar Seiten ein.

Es ist in den letzten Jahren bereits sehr viel darüber geschrieben worden und Goffart und Ischinger fassen die Ergebnisse so zusammen: „Trotz der intensiven Beschäftigung ... mit der Tätigkeit von Merz kam nach monatelangen Recherchen nichts heraus, was man dem CDU-Politiker zum Vorwurf machen kann.“

Am Ende werfen Ischinger und Goffart aber eine zentrale Frage auf, die darüber mit entscheidet, ob Merz bei der Bundestagswahl 2025 der richtige Kanzlerkandidat für die CDU ist. Beide sprechen aus, was viele in seinem Umfeld sich nicht offen zu sagen trauen. Merz komme in der Öffentlichkeit und in Talkshows nicht gut rüber, habe unübersehbare Defizite bei Frauen und jungen Menschen.

Die perfekte Ergänzung

Dabei bräuchte Merz nur einen Blick in seinen Bundesvorstand zu werfen, um Abhilfe zu schaffen. Da gibt es viel Potenzial, um seine von den beiden Autoren skizzierten Schwächen auszugleichen. Einer, der hier gemeint ist, ist Joe Chialo. Er ist Mitglied im Bundesvorstand der CDU und erfolgreicher Musikmanager.

Er ist zwar ein Fan von Friedrich Merz. Vor allem wirkt er aber mit seiner Coolness und Begeisterung für Kultur gleichzeitig wie die perfekte Ergänzung zu ihm.

Dahinter steckt ein bewegtes Leben, über das er ungeschminkt in seinem Buch „Der Kampf geht weiter. Mein Leben zwischen zwei Welten“ , erzählt. Der Titel ist ein Motto, das sein Vater ihm mit auf den Weg gab und das ihm durch viele Schwierigkeiten half.

Joe Chialo: Der Kampf geht weiter
Murmann Verlag
Hamburg 2022
200 Seiten
24 Euro

Die Familie stammt aus Tansania. Joe Chialo, der Sohn eines Diplomaten, kam 1970 in Bonn zur Welt. Das hört sich im ersten Moment sehr privilegiert an. Doch sein Bruder und er verbrachten viele Jahre im Internat, sahen die Eltern oft nur an Weihnachten. Es fehlte Geld für die Reisen.

Nach einer Lehre zum Fräser und viel Kärrnerarbeit in der Musikindustrie gelang dann der Durchbruch. Heute betreut Chialo Künstler wie Santiano, Ben Zucker oder die Kelly Family.

Wenn Merz Zeit findet, sollte er sich die politischen Forderungen von Chialo durchlesen, die als fiktive Reden zwischen den eindrucksvollen biografischen Teilen zu finden sind. Es geht um Werte, Chancenvielfalt und um Afrika. Themen, die in Zeiten von Populismus, Ausländerfeindlichkeit und Hass und Hetze in den sozialen Medien der Schlüssel auch zum Wahlerfolg seiner Partei werden könnten.

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