Aus dem Handelsblatt-Archiv: Ein eigenes Buch zu schreiben – das ist ein Traum von Vielen. In Wahrheit ist es aber vor allem eines: anstrengend. So gelingt der Weg zum Erstlingswerk.
Frau tanzt inmitten von Büchern
Knapp 70.000 Buchtitel sind 2020 in Deutschland neu auf den Markt gekommen, viele davon Sachbücher und Ratgeber.
Bild: imago images/fStop Images
Düsseldorf Zurzeit liefert sich Laura Malina Seiler ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Hape Kerkeling. Zum Start ihres neuesten Buchs „Zurück zu mir“ im Oktober 2021 verdrängte die Autorin für Achtsamkeitsthemen den Komiker von Platz eins der Sachbuch-Bestsellerliste.
Auch wenn Kerkeling mit seinem Katzenschmöker „Pfoten vom Tisch“ inzwischen wieder an ihr vorbeigezogen ist, kennt Seiler das Gefühl, ihren Namen ganz oben auf den Leselisten zu sehen. Schon mit ihrem 2018 veröffentlichten Buch „Schön, dass es dich gibt“ stieg sie von null auf eins in der „Spiegel“-Bestsellerliste ein.
Die 35-Jährige hat damit etwas geschafft, wovon viele Selbstständige, Unternehmerinnen und Fachexperten träumen: Ein eigenes Buch zu schreiben und damit Erfolg zu haben. Doch: Wie kommt man dahin?
Vor allem, indem man als Allererstes ehrlich zu sich selbst ist, sagt Anne Fleck, Medizinerin in Hamburg und Erfolgsautorin im Bereich Gesundheitsliteratur. Knapp 70.000 Buchtitel sind 2020 in Deutschland neu auf den Markt gekommen, viele davon Sachbücher und Ratgeber.
Angesichts dieser schieren Masse an Neuerscheinungen muss man sich laut Fleck zunächst fragen: „Habe ich etwas Neues, etwas Ureigenes, über das ich schreiben kann?“ Und wenn dem so ist: „Bin ich bereit, viel Lebenszeit zu opfern, in langwierige Recherche und Schreibarbeit zu investieren, und ist mein Bedürfnis, dieses Buch zu schreiben so groß, dass es mir egal ist, ob ich damit einen Cent verdiene?“
Laute die Antwort auf eine der genannten Fragen Nein, „würde ich definitiv die Finger davonlassen“, sagt Fleck. Wer sich aber vom Aufwand nicht abschrecken lasse, sei bereit für sein erstes Buch. Das Handelsblatt hat sechs erfolgreiche Sachbuchautoren nach ihren Tipps gefragt und daraus eine Anleitung für Erstlingsautoren entwickelt.
Bei Seiler ist vor allem ihr Influencerinnen-Status Basis ihres Erfolgs. Die Episoden ihres Podcasts „happy, holy & confident“ zählen mehr als 30 Millionen Downloads. Regelmäßig taucht sie in den Top-Ten-Listen von Apple und Spotify auf. Auch auf Instagram folgen der Expertin knapp 270.000 Menschen. So etwas weckt Begehrlichkeiten bei Verlagen.
Doch auch mit weniger Bekanntheit können Angestellte oder Selbstständige zu Experten werden, etwa indem sie sich zu ihren Fachgebieten regelmäßig in Karrierenetzwerken wie LinkedIn oder Xing positionieren.
Coach und Autor Sebastian Purps-Pardigol musste außerdem über die Jahre lernen, dass „das Zeigen der eigenen Unzulänglichkeiten es für den Leser leichter macht, sich mit mir als Autor zu verbinden“.
Sebastian Purps-Pardigol, Coach
„Das Zeigen der eigenen Unzulänglichkeiten macht es für den Leser leichter, sich mit mir als Autor zu verbinden.“
Bild: Stefan Simonsen/Campus
In sein aktuelles Buch „Leben mit Hirn“ hat Purps-Pardigol daher viele persönliche Anekdoten eingebunden – von einem Raubüberfall, dessen Opfer er in Istanbul wurde, bis hin zu Panikattacken, gegen die er mit Anfang 20 anmeditierte. Früher hätte er Schwierigkeiten gehabt, sich so zu zeigen, sagt Purps-Pardigol. „Das erste Exposé meines ersten Buchs haben mir die Buchverlage damals alle abgeschossen.“
Seiler sagt: „Es hilft enorm, eine grobe Struktur des Buchs zu haben, an der man sich entlanghangeln kann“, ohne dass diese zu „steif“ sei. Sie überlegt sich deshalb als ersten Schritt stets die Titel der Kapitelüberschriften und beginnt dann Stück für Stück, passende Inhalte aufzufüllen – ein klassisches Vorgehen, das auch andere Sachbuchautoren so oder so ähnlich beschreiben.
Laura Seiler, Influencerin
„Es hilft enorm, eine grobe Struktur des Buchs zu haben, an der man sich entlanghangeln kann.“
Bild: Privat
„Der einzige Weg, wie das Buch fertig wird, ist, indem man sich hinsetzt und mit der ersten Seite beginnt“, sagt Seiler. Danach werde es leichter.
Viele Erstautoren denken, man schreibt zunächst das gesamte Buch fertig und schickt dann sein Manuskript an einzelne Verlage. „Das liest sich aber garantiert niemand durch“, sagt Berater Dennis Fischer, der gerade an seinem zweiten Buch zu künftigen Fähigkeiten in der Arbeitswelt schreibt.
Vielmehr möchten Verlage zwei Dinge: ein Exposé und eine Leseprobe von 20 bis 30 Seiten. „Das Exposé ist nichts anderes als ein Businessplan“, sagt Fischer. Es sollte nicht mehr als zwei DIN-A4-Seiten umfassen und neben einer gut formulierten Inhaltsangabe wichtige Fragen beantworten, zum Beispiel:
Für die Journalistin, Roman- und Sachbuchautorin Wlada Kolosowa gehört es eigentlich zum Tagesgeschäft, Exposés zu lesen und zu schreiben. Trotzdem hat sie in den Pitch ihres ersten Buchs – eine Reisereportage in ihr Geburtsland Russland, die 2012 erschien – „eher Monate als Wochen“ gesteckt.
Könnte sie ihrem früheren Ich einen Tipp geben, wäre der: „Such dir einen Literaturagenten – die kennen die Vorlieben der Verlage!“ Ihren Agenten hat Kolosowa über persönliche Kontakte gefunden. Es gibt aber im Internet viele Listen mit Agenturen und ihren Spezialisierungen.
Wlada Kolosowa, Journalistin
„Such dir einen Literaturagenten – die kennen die Vorlieben der Verlage!“
Bild: Privat
Ähnlich wie bei der Verlagssuche sollten Autorinnen und Autoren auch bei der Agenturauswahl darauf achten, dass die Experten ähnliche Buchprojekte wie das eigene unterstützt haben, rät Kolosowa.
Verlage sind nicht nur Freund des Autors oder der Autorin. Illustrationen zu jedem Kapitel? Für viele zu teuer. Farbige Grafiken? Lohnen oft nicht. Mehr als 300 Seiten? Nicht als Erstautor. Business-Autor Fischer sagt: „Mir war bewusst, dass auch Verlage Geld verdienen müssen, aber dass sie neue Bücher vor allem als Business-Case betrachten, durfte ich erst lernen.“
Wiebke Köhler, Managerin und Buchautorin
„Selbstverlag? Das geht schneller, und man verdient deutlich mehr mit seinem Buch.“
Bild: Privat
Die Ex-Vorständin Wiebke Köhler hat deshalb die meisten ihrer inzwischen sieben Bücher im Selbstverlag veröffentlicht. „Das geht schneller, und man verdient deutlich mehr mit seinem Buch“, sagt sie. Während im Verlag um die acht Prozent Tantiemen beim Autor bleiben, gehört im Selbstverlag knapp ein Drittel des Gesamterlöses dem Urheber, berichtet Köhler. Der Rest gehe in Kosten für Druck und Distribution.
Köhler hat fast alle ihre Bücher über Books on Demand veröffentlicht. „Bei Books on Demand haben Sie eine ISBN-Nummer und können das Buch über jede Buchhandlung beziehen - mein erstes Buch war zwei Wochen nach Abgabe fertig.“ Im Verlag gehen schon mal sechs bis sieben Monate ins Land.
Unterstützung holen, wo nötig „Sieben Bücher in zwei Jahren - das hätte ich niemals in diesem Tempo allein geschafft“, sagt Managerin Köhler und verrät, dass sie im Schreibprozess Hilfe von einem „Schreibassistenten“ in Anspruch genommen habe.
Der sei „mehr als ein reiner Ghostwriter“, ordnet Köhler ein, sondern „hat mir eher wie ein Coach auch Feedback gegeben zur Struktur und Erzählweise meiner Bücher“ - alles Dinge, die Nicht-Profi-Schreiber häufig bei ihren Erstlingswerken vernachlässigen. Allerdings hat die Beratung ihren Preis: Spezialisierte Coaches rufen schon mal 5000 bis 6000 Euro pro Buch auf, andere rechnen pro Buchseite ab.
Dennis Fischer setzt im Feedbackprozess auf freiwillige Testleser, auf deren Meinung er vertraut und denen er einzelne Kapitel in Absprache zuschickt. „Je früher ich mir eine Rückmeldung hole, welche Kapitel gut ankommen und welche weniger gut, desto besser kann ich ein Buch für die Leser schreiben.“
Damit das eigene Buch zum Erfolg wird, ist die Vermarktung essenziell. „Das Marketing beginnt dabei nicht erst vier Wochen vor Veröffentlichung, sondern mit Unterschrift des Buchvertrags“, weiß Fischer.
Dennis Fischer, Berater
„Das Marketing beginnt nicht erst vier Wochen vor Veröffentlichung, sondern mit Unterschrift des Buchvertrags.“
Bild: Hauke Seyfarth
In den Social Media postet der Autor daher regelmäßige Updates zum Entstehungsprozess seines kommenden Buchs. „So baut man sich Stück für Stück eine Community auf“ – aus der er wiederum seine Testleser rekrutiert.
Für die heiße Phase kurz vor der Veröffentlichung rät Bestsellerautorin Seiler, eine Onlinelesung in Form eines Webinars anzubieten und Influencer anzufragen, „die beim Thema deines Buches zu Hause sind“. Als Formate sind Podcasts oder ein Stream via „Instagram Live“ denkbar.
Medizinerin Fleck weiß: „Es wird Tage geben, die weniger gut beim Schreiben laufen, das ist normal.“ Sich darüber im Vorfeld bewusst zu werden helfe aber, mit dem Druck der Deadline umzugehen.
Auch bei Führungsexperte Purps-Pardigol kommt Qualität anscheinend von „Qual“: Vor der Abgabe liest er jede Zeile im Buch nach eigenen Angaben sieben bis zehn Mal.
Anne Fleck, Medizinerin
„Es wird Tage geben, die weniger gut beim Schreiben laufen, das ist normal.“
Um sich zu motivieren und das Geschriebene gleichzeitig emotional aufzuladen, fragt er sich: Würden Menschen, die ihm wirklich wichtig sind, mögen, was er schreibt? Konkret: „Wenn mein sechsjähriger Sohn 16 wäre, würde er diese Zeilen verstehen und würde ihm das helfen?“
Für ihn habe ein Buch noch immer „etwas Heiliges – das klingt pathetisch, ist aber, was ich fühle“. Für „Leben mit Hirn“ habe er 18 Monate gebraucht. „Ich weiß nicht, ob ich noch mal eines schreiben werde. Es kostet einfach sehr viel Kraft.“
Dieser Artikel erschien bereits im Oktober 2021. Der Artikel wurde erneut geprüft und mit leichten Anpassungen aktualisiert.
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