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27.11.2018

17:42

Investmentprodukte

Die unterschätzten Risiken der Indexfonds

Von: Dirk Wohleb

Börsengehandelte Indexfonds – auch ETFs genannt – sind günstig und beliebt. Laut Bundesbank sollten Anleger die Risiken dieser Produkte aber im Blick haben.

ETFs sind sehr beliebt, doch sie können den Aktienmarkt auch abstürzen lassen. dpa

Börse Frankfurt

ETFs sind sehr beliebt, doch sie können den Aktienmarkt auch abstürzen lassen.

Düsseldorf Seine Idee schrieb Geschichte: John Bogle legte 1974 den Grundstein für Vanguard, den ersten Anbieter von börsengehandelten Indexfonds (ETFs). Sein Argument: Anleger könnten sich die Kosten für ein aufwendiges aktives Fondsmanagement getrost sparen, da die meisten Fonds ohnehin ihren Markt nicht schlagen.

Kaum ein Investmentprodukt hat in kürzester Zeit so viele Investoren begeistert wie ETFs. Waren 2009 weltweit gerade 700 Milliarden Euro in ETFs investiert, so belief sich das weltweit verwaltete Vermögen dieser Produkte Ende des ersten Halbjahres 2018 laut Deutscher Bundesbank auf 5,1 Billionen US-Dollar.

Doch der Siegeszug der ETFs ruft immer mehr Skeptiker auf den Plan. Selbst der Vanguard-Gründer äußert sich kritisch: In einem Interview mit dem US-Magazin „Barron’s“ räumt Bogle ein, dass Indexinvestments die Märkte destabilisieren können.

Er hält sogar ein Ende des Siegeszugs der Indexfonds für denkbar. Auch in Deutschland nehmen die kritischen Stimmen zu. Die Deutsche Bundesbank nahm im jüngsten Monatsbericht die Risiken von ETFs genauer unter die Lupe.

Mit ETFs lassen sich ebenso wie mit aktiven Fonds breit diversifizierte Portfolios abbilden. Doch die Gebühren fallen bei ETFs in der Regel niedriger aus. Dennoch schaffen es aktiv gemanagte Spitzenfonds immer wieder, den Markt hinter sich zu lassen. Denn das Abweichen von einem Index bietet aktiven Investoren Chancen. Das gilt besonders dann, wenn Wertpapiere in bestimmen Marktphasen unterbewertet sind.

„Vor allem in Krisenzeiten zeigen aktive Fonds ihre Stärken“, sagt Greg Meier, Vice President US Capital Markets Research and Strategy bei Allianz Global Investors. So schnitten nach dem Platzen der Technologieblase von 2000 bis 2002 und während der Finanzkrise 2008 bis 2009 aktive Fondsmanager bei US-Standardaktien um 471 beziehungsweise 100 Basispunkte besser ab als der Vergleichsindex.

Doch bei passiv gemanagten Indexfonds geht es nicht um die aktive Auswahl von Wertpapieren. Sie bilden Indizes eins zu eins ab, die Wertpapiere in der Regel nach ihrer Kapitalisierung gewichten.

Das kann besonders bei festverzinslichen Papieren heikel sein: „Bei Anleihen haben die größten Schuldner das größte Gewicht im Anleiheindex. Doch diese sind nicht immer auch die solidesten“, betont auch Tobias C. Pross, Global Head of Distribution und Head of EMEA bei Allianz Global Investors.

Daher können in Krisen weniger liquide Marktsegmente die Performance von Indexfonds belasten: „Probleme können vor allem bei ETFs entstehen, bei denen die zugrunde liegenden Wertpapierkörbe weniger liquide sind“, schreibt die Bundesbank in ihrem Monatsbericht.

„In solch einem Szenario höherer Illiquidität könnte der Börsenkurs von ETFs unter den Wert der unterliegenden Portfolios fallen.“ Je schneller Anleger dann Anteile verkauften, umso stärker sei daraufhin auch der Verkaufsdruck. Dadurch „würden Liquiditätsprobleme entweder befördert oder gar erst ausgelöst.“

In dem Maße, wie sich die EZB aus dem Corporate-Bond-Markt verabschieden wird, dürften solche Situationen in Zukunft wahrscheinlich zunehmen, prognostizieren Marktbeobachter. Das trifft dann besonders Indexfonds mit Schwerpunkt Unternehmensanleihen.

Hier könne bei akutem Marktstress der Verkaufsdruck schnell zunehmen. Die Folge sind Flashcrashs, wie sie die Märkte zum Beispiel im August 2015 erlebt haben. Innerhalb von wenigen Sekunden rutschte der Aktienindex S&P 500 ab und verlor zeitweise mehr als fünf Prozent. Viele ETFs sacken sogar noch deutlicher ab.

Ein weiterer Vorwurf von Kritikern besteht darin, dass ETFs Trends verstärken und somit Crashs verschärfen können. Schließlich kaufen sie den gesamten über den Index abgebildeten Markt und setzen damit vor allem auf die Titel, die am meisten dazugewinnen. Je mehr Geld in Indexfonds liegt, desto größer ist die Gefahr eines Herdenverhaltens. Sie könnten die Kursentwicklung sowohl nach oben als auch nach unten verstärken.

Auch die Bundesbank sieht eine Gefahr darin, dass Investoren ihre ETFs bei schwacher Unternehmensentwicklung nun nicht mehr ohne Weiteres abstoßen können, da sie einer vorgegebenen Gewichtung beibehalten müssen.

Zu einem Problem kann auch das Gegenparteirisiko bei synthetischen ETFs werden. Diese bilden einen Index nicht nach, indem sie die zugrunde liegenden Wertpapiere kaufen. Die ETF-Anbieter vereinbaren vielmehr einen Swap, ein Tauschgeschäft mit einer Bank. Es besteht die Gefahr, dass der ETF-Anbieter bei einem Ausfall der Swap-Gegenpartei nicht mehr die Wertentwicklung des Referenzindexes darstellen kann.

Ein derartiger Prozess könnte zu Vertrauensverlusten führen – vor allem wenn mehrere ETFs gleichzeitig betroffen sind – und somit einen Verkaufsdruck bei synthetischen ETFs auslösen. Laut Auswertung der Bundesbank setzt sich die physische Replikation durch Wertpapiere immer stärker durch.

Die ETF-Anbieter haben auf die Marktrisiken synthetischer ETFs reagiert: „Der höhere Komplexitätsgrad, die mit Swap-Geschäften einhergehenden Risiken sowie eine Intransparenz bezüglich der im Portfolio hinterlegten Wertpapiere spielen hier offenbar eine wichtige Rolle.“

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