Im vergangenen Jahr haben Anleihen als Sicherheitsanker im Depot enttäuscht. 2023 dürften sie wieder eine konstruktivere Rolle spielen.
Anleihe-Ausblick
Anleihen könnten 2023 wieder als Sicherheitsanker im Depot fungieren.
Bild: Getty Images
Frankfurt Es war ein schreckliches Jahr für Anleihen, nach Berechnung der britischen Großbank Barclays sogar das schwächste seit rund vier Jahrzehnten. Die hohe Inflation, die Straffung der Geldpolitik und die entsprechend steigenden Zinsen setzten die Kurse unter Druck, denn Zinspapiere werden weniger attraktiv, wenn neue Anleihen mit besseren Renditen auf den Markt kommen. Weil Aktien gleichermaßen litten, gab es in vielen Depots auch keinen guten Risikoausgleich.
Inzwischen gibt es aber zwei gute Nachrichten. Zum einen haben sich die Zinspapiere seit Jahresbeginn wieder etwas erholt, die Bundesanleihen hatten laut Deutscher Bank sogar ihre beste Woche seit mindestens 1990. Und zweitens sind zum ersten Mal seit 2014 nominale Negativzinsen weltweit verschwunden. Es lohnt sich also wieder mehr, Anleihen einfach wegen des laufenden Zinses zu kaufen. Ein Überblick, für welche das insbesondere gilt.
Die Stimmung hat sich aufgehellt: Die letzten Inflationsdaten in den USA und in Europa deuten auf Entspannungen hin. Entsprechend findet Richard Hodges, Anleiheexperte bei Nomura Asset Management, die Aussichten „fast durchweg positiv“. Er erwartet, dass die Anleihen weiter steigen, wenn im Laufe des Jahres die Notenbanken ihre Zinsen nicht mehr weiter erhöhen.
Anlagestratege Chris Iggo von Axa Investment Managers glaubt, dass die Fed in den USA und die Europäische Zentralbank (EZB) 2023 beim Kampf gegen die hohen Preise Druck herausnehmen: „Der stärkste Anstieg bei der Inflationsrate dürfte hinter uns liegen, und vorausblickend befinden sich die Zinsen bereits im restriktiven Bereich“.
Um das komplexe Geschehen an den Anleihemärkten zu verstehen, muss man sich klarmachen: Es gibt hier gleich zwei Themen: die Zinsen – oder genauer: die Renditen – und die Konjunktur. Und diese beiden Themen können auf unterschiedliche Weise zusammenspielen. Wenn Zinsen steigen, sinken die Kurse im Gegenzug, und zwar je länger die Laufzeit, desto mehr, das hat sich im vergangenen Jahr deutlich gezeigt.
Denn wenn neue Papiere mit höheren Zinsen auf den Markt kommen, müssen die alten Papiere im Kurs so weit sinken, dass die Rendite – also der laufende Zins in Prozent des Kurses – auf dem neuen Niveau liegt. Bei Papieren mit langer Laufzeit verteilt sich die Wirkung der Kursveränderung auf die Rendite auf mehr Jahre, verdünnt sich sozusagen, deswegen muss der Kurs sich umso stärker bewegen.
Anleihen reagieren aber auch auf die Rezession, die Auswirkungen auf die Bonität der Unternehmen hat. Hochzinsanleihen sind so besonders stark von der Konjunktur abhängig. Ihre Kursverläufe ähneln damit häufig denen von Aktien: Wenn die Gewinne ausbleiben, schwächt das die Aktien und erhöht die Ausfallgefahr für Anleihen.
Auf steigende Zinsen wie im vergangenen Jahr reagieren also Aktien und Anleihen ähnlich. Auf eine wachsende Rezessionsgefahr gilt das eingeschränkt für Unternehmensbonds. Staatspapiere mit Topbonität profitieren in Wirtschaftskrisen dagegen von Umschichtungen aus risikoreicheren Anlagen wie High Yield und Aktien.
Die Meinungen der Experten zur Konjunktur sind geteilt. Aviva Investors rechnet mit einer „leichten Rezession“ in den wichtigsten Industriestaaten. Rich Clarida, Chefökonom der zum Allianz-Konzern gehörenden US-Fondsgesellschaft Pimco, sieht vor allem ein Rezessionsrisiko im Zusammenhang mit der Politik der US-Notenbank (Fed).
Er ist der Meinung: „Unter den gegenwärtigen Umständen wird es schwierig sein, selbst eine milde Rezession abzuwenden. Die Instrumente der Fed sind simpel, die Aufgabe ist komplex und es müssen schwierige Kompromisse erzielt werden“.
Weitgehender Konsens besteht darüber, dass Unternehmensanleihen mit guter Bonität zurzeit attraktiv sind. Bei Hochzinsanleihen, also Papieren mit schwächerer Bonität, gehen die Meinungen dagegen auseinander, wobei viele Stimmen zur Vorsicht raten.
Bei Generali Investment heißt es: „2022 war das schlechteste Jahr in der Geschichte der Gesamtrendite von Investmentgrade-Anleihen im Euro-Raum, sodass 2023 auf einem attraktiveren Niveau beginnen kann.“
Anleiheexpertin Elisa Belgacem setzt auf europäische Unternehmensanleihen, die günstiger bewertet seien als die amerikanischen. Dabei scheut sie vor dem Hintergrund der Rezessionsgefahr aber den Hochzinsbereich. Nach ihrer Beobachtung war dieser Markt im ablaufenden Jahr „fast verschlossen“: Die Unternehmen konnten kaum neue Anleihen loswerden. Wenn sie das Defizit 2023 aufholen wollen, drückt das die Kurse.
Ganz ähnlich sieht das Mathias Beil von der Sutorbank: Er setzt auf Anleihen von bonitätsstarken „Großunternehmen mit dominierender Marktstellung“. Peter Lechner von DJE Kapital, meint ebenfalls: „Wir sehen einen deutlichen Trend hin zu Qualität.“ Aus seiner Sicht stehen „Staatsanleihen oder Corporate Bonds mit Investmentgrade-Rating in US-Dollar oder Euro hier im Fokus“.
Im High-Yield-Bereich rät auch er angesichts steigender Ausfallrisiken zur Vorsicht. Generell seien die Ausfallrisiken „nicht unerheblich“. Zuletzt hätten sich Papiere von Öl- und Rohstoffunternehmen gut entwickelt, außerdem, wegen der Überalterung der Bevölkerung, auch Bonds aus dem Gesundheitsbereich.
Iggo von Axa IM sagt: „Das beste Risiko-Ertrags-Verhältnis findet man bei kurz laufenden Unternehmensanleihen, weil die Renditen im Verhältnis zur Duration und zum Kreditrisiko attraktiv sind.“ Er findet aber auch Hochzinspapiere interessant: „Die Renditen sind hoch, die Kurse niedrig und das Ausfallrisiko ist geringer als in früheren Konjunkturabschwüngen.“
In jedem Fall gilt für Anleihen wie für Aktien: Durch den Kurseinbruch ist die Überbewertung der Vorjahre abgebaut worden, der Einstieg daher wieder interessanter geworden. Die US-Fondsgesellschaft T. Rowe Price sieht die Anleihe daher wieder als „sicheren Hafen“.
Das war sie im vergangenen Jahr nicht: Der Anstieg der Zinsen ließ Zinspapiere und Aktien gleichermaßen abstürzen. Im Jahr 2023 dürfte das anders aussehen. Dann ist das Hauptrisiko für Aktien nicht der Zins, sondern die Rezession. Damit steigt aber die Wahrscheinlichkeit, dass Aktien und gute Anleihen sich in Krisenmomenten gegenläufig entwickeln, was das Risiko des gesamten Depots senkt.
Fazit: Anleihen können im Depot wieder ihre Funktion als Risikopuffer erfüllen und steuern auch wieder zum laufenden Ertrag bei – bei sinkender Preisdynamik gilt das bald vielleicht sogar für die reale, nach Abzug der Inflation gerechnete Rendite.
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