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12.09.2022

15:51

Dax-Sentiment

Anleger wollen mehr investieren, obwohl sie nicht an eine Trendwende glauben

Von: Jürgen Röder

Kaum ein Anleger glaubt noch an steigende Kurse in drei Monaten. Trotzdem nimmt die Kaufbereitschaft zu. Für dieses scheinbare Paradox gibt es zwei Erklärungsansätze.

An den Märkten dominieren Zinssorgen. dpa

Handelssaal in Frankfurt

An den Märkten dominieren Zinssorgen.

Düsseldorf Die Angst und Panik der Anleger aus der Vorwoche ist vorbei, dennoch herrscht weiterhin eine extrem pessimistische Stimmung. Das zeigen die aktuellen Daten der Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment.

Für Stephan Heibel, der die wöchentliche Erhebung auswertet, lässt sich kein extrem großes Ungleichgewicht mehr ableiten. Entsprechend gibt es auch keine eindeutige Prognose für die weitere Kursentwicklung.

Noch vor einer Woche, als Panik herrschte, prophezeite der Sentimentexperte ein Ende weiterer deutlicher Kursverluste. Seitdem ist der Dax unter heftigen Schwankungen im Wochenvergleich leicht angestiegen. Allerdings beträgt das Plus seit dem Tiefpunkt am vergangenen Montag bereits 700 Punkte.

Laut Heibel läuft derzeit die Erholung, auf die viele institutionelle Investoren offensichtlich spekuliert haben. Damit ist seiner Meinung nach weiterhin alles möglich: eine fortgesetzte Bodenbildung im Dax, ein Abtauchen auf neue Tiefs und auch ein Überspringen wichtiger Widerstände. „Die Richtungsentscheidung steht an“, meint der Inhaber des Analysehauses AnimusX.

Allerdings ist der Dax trotz vieler negativer Nachrichten auf kein neues Korrekturtief mehr gerutscht. Dazu gehören beispielsweise das Rezessionsszenario von führenden deutschen Wirtschaftsinstituten und die Erhöhung der Zinsen um 75 Basispunkte durch die EZB.

„Eine extrem negative Stimmung nach negativen Ereignissen und dennoch leicht steigende Kurse im Wochenvergleich sprechen dafür, dass sämtliche Hiobsbotschaften bekannt sind“, erläutert Heibel. „Es fällt schwer, auf Basis dieser Stimmungslage weiter fallende Kurse zu prognostizieren.“ Seiner Meinung nach besteht aufgrund dieser Konstellation die Möglichkeit, dass es derzeit eine Bodenbildung gibt.

Aktuelle Umfragedaten

Das Anlegersentiment ist von minus 6,5 in der Vorwoche auf minus 3,6 angestiegen. Damit sind Anleger zwar weiterhin extrem schlecht gelaunt, doch immerhin herrscht keine Angst und Panik mehr.

Mit einem Wert von minus 3,6 ist auch die Verunsicherung unter unseren Umfrageteilnehmern weiterhin extrem groß. Doch auch hier hat sich im Vergleich zur Vorwoche eine leichte Verbesserung eingestellt. Am vergangenen Montag lag dieser Wert noch bei minus 5,8.

Grafik

Vor dem Hintergrund dieser Stimmungsentwicklung überrascht die Erwartungshaltung. Nach plus 1,0 in der Vorwoche sackte der Zukunftsoptimismus diese Woche auf minus 0,1 Prozent ab. Die Investitionsbereitschaft ist auf plus 1,9 nach 1,4 in der Vorwoche gestiegen.

Doch warum sind mehr Anleger bereit zu investieren, wenn sie nicht an nachhaltig steigende Kurse glauben?

Es gibt zwei Interpretationsmöglichkeiten: Entweder wollen sie nur sehr kurzfristige Spekulationen eingehen und eine Erholungsbewegung im intakten Bärenmarkt setzen. Oder aber Anleger richten sich auf einen länger anhaltenden Bärenmarkt ein und investieren in Finanzprodukte, die bei fallenden Kursen im Wert steigen, wie beispielsweise Put-Optionsscheine.

Das Euwax-Sentiment der Börse Stuttgart, an der Privatanleger handeln, ist neutral. In den Depots ist die Zahl der Call-Hebelprodukte, mit denen auf steigende Kurse spekuliert wird, identisch zu der von Put-Derivaten, mit denen Anleger sich gegen fallende Kurse absichern.

Auf dem aktuellen Kursniveau fühlen sich Privatanleger offensichtlich ausreichend abgesichert, denn in den vergangenen Wochen wurden viele Absicherungsgeschäfte mit Put-Derivaten eingegangen und wieder verkauft. Gleichzeitig besteht offensichtlich wenig Hoffnung auf steigende Kurse, denn es werden wenige Spekulationen auf steigende Kurse eingegangen.

Institutionelle Anleger, die sich über die Frankfurter Terminbörse Eurex absichern, sind da bullisher gestimmt: Das Put/Call-Verhältnis notiert mit einem Wert von 0,4 auf dem niedrigsten Niveau der vergangenen Monate.

Es werden also verstärkt Call-Optionen gekauft. Institutionelle Anleger setzen somit auf steigende Kurse in den kommenden Wochen.

Das Put/Call-Verhältnis der Chicagoer Terminbörse CBOE ist ebenfalls rückläufig, zeigt also zunehmendes Interesse an Spekulationen auf steigende Kurse. Allerdings ist das Niveau in den USA noch nicht mit dem in Deutschland vergleichbar. Der Wert von 0,65 liegt eher im Mittel der vergangenen Monate. An der CBOE gibt es eine andere Berechnungsmethode als bei der Eurex.

US-Fondsmanager bleiben bei der rekordverdächtig niedrigen Investitionsquote von nur 27 Prozent. US-Privatanleger bleiben weiterhin extrem pessimistisch gestimmt.

Das Bulle/Bär-Verhältnis zeigt einen Wert von minus 35 Prozent an: Pessimisten, im Börsenjargon „Bären“ genannt, sind deutlich in der Überzahl. Während 53 Prozent der US-Privatanleger pessimistisch gestimmt sind, verbleiben nur 18 Prozent optimistisch.

Zumindest unter den Privatanlegern in den USA lassen sich schon wieder Extremwerte ablesen. Der anhand technischer Marktdaten berechnete „Angst-und-Gier-Indikator“ der US-Märkte zeigt mit 42 Prozent moderate Angst an.

Extremwerte am Ölmarkt

Am Ölmarkt hingegen gibt es Extremwerte: Der Fünf-Wochen-Durchschnitt des Sentiments zeigt eine extrem pessimistische Verfassung. Sowohl die kurzfristige Stimmung als auch die Zukunftserwartung notieren auf einem extrem negativen Niveau und signalisieren Angst und Panik am Ölmarkt.

Der Rohölpreis ist seit Juni um fast ein Drittel gesunken. Alle Gewinne seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine hat er damit wieder abgegeben.

Aufgrund der panischen Stimmung dürfte der Ausverkauf am Ölmarkt vorläufig seinen Zenit überschritten haben, eine Gegenbewegung im Ölpreis ist nun aus Sicht der Sentimenttheorie gut möglich.

Hinter Erhebungen wie dem Dax-Sentiment mit mehr als 7000 Teilnehmern stehen zwei Annahmen: Wenn viele Anlegerinnen und Anleger optimistisch sind, haben sie bereits investiert. Dann bleiben nur wenige übrig, die noch kaufen und damit die Kurse in die Höhe treiben könnten.

Umgekehrt gilt: Wenn die Anlegerinnen und Anleger pessimistisch sind, haben sie mehrheitlich nicht investiert. Dann können nur noch wenige verkaufen und damit die Kurse drücken.

Sie wollen an der Umfrage teilnehmen? Dann lassen Sie sich automatisch über den Start der Sentimentumfrage informieren, und melden Sie sich für den Dax-Sentiment-Newsletter an. Die Umfrage startet jeden Freitagmorgen und endet Sonntagmittag.

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