Seit drei Wochen bewegt sich der Dax praktisch nur noch aufwärts. Doch die Mai-Rally hat nur wenige Anleger überzeugt. Das könnte sich in den kommenden Wochen ändern.
Bulle und Bär vor der Börse Frankfurt
Es ist eine von hoher Unsicherheit geprägte Marktphase.
Bild: dpa
Düsseldorf Der deutsche Aktienmarkt befindet sich mitten in einer Erholungsrally. Der Leitindex Dax ist seit seinem Mai-Tief um mehr als acht Prozent gestiegen. Doch die Anlegerinnen und Anleger bleiben vorsichtig, wie die Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment zeigt: „Kaum springen die Aktienmärkte an, kommen schon wieder Zweifel an der Nachhaltigkeit des Kursanstiegs auf“, sagt Sentiment-Experte Stephan Heibel, der die wöchentliche Umfrage auswertet.
Zwar ist die Stimmung unter den mehr als 7000 befragten Privatanlegerinnen und -anlegern sprunghaft angestiegen, von guter Laune kann aber weiterhin keine Rede sein. Das Sentiment stieg von minus 4,8 auf minus 0,9. Damit verharrt der Wert seit der zweiten Januarwoche im negativen Bereich – ein Rekord.
Selbst drei ermunternde Handelswochen in Folge haben keine Wende gebracht. „Es ist nur eine Gegenbewegung, sagen die einen. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, sagen die anderen“, berichtet Heibel. „Unisono wird auf die prekäre Situation an den Märkten hingewiesen.“
So deutet sich im Ukrainekrieg weiterhin keine Lösung an. In China bleiben zudem die Sorgen wegen der Corona-Lockdowns und Auswirkungen auf die Konjunktur groß – im April brachen dort die Einzelhandelsumsätze, die als Indikator für die Konsumentennachfrage herangezogen werden, um 11,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat ein. Hinzu kommen die weltweiten Inflationssorgen und die Angst vor steigenden Kursen.
Der Druck auf Anleger, sich von negativen Entwicklungen in einem dieser Bereiche nicht überraschen zu lassen, ist laut Heibel groß. „Vorsicht überwiegt.“ Dass der Stimmungsumschwung auf sich warten lässt, sei vor diesem Hintergrund nicht ungewöhnlich.
In den vergangenen Wochen habe sich eine ganze Liste von negativen Indikatoren aus der Sentiment-Welt aufgebaut. „Solche Superlative werden nicht binnen weniger Tage aufgelöst“, sagt der Geschäftsführer des Analysehauses AnimusX. Neben der längsten Phase mit negativer Stimmung im Dax-Sentiment waren das:
Durch die weiter schwelenden Krisenherde bleibt daher auch die Verunsicherung unter den Privatanlegerinnen und -anlegern groß. Der dazugehörige Wert stieg zwar von minus 4,5 auf minus 2,3. Ein positiver Wert ist damit aber immer noch nicht in Sicht.
Ein Grund dafür dürfte sein, dass viele Anleger von der jüngsten Aufwärtsbewegung nicht profitiert haben. Fast jeder zweite Befragte gab an, dass seine Erwartungen nicht erfüllt wurden. Viele Anleger dürften also an der Seitenlinie stehen, weil sie nach der jüngsten Korrektur noch nicht wieder eingestiegen sind – aus Furcht vor weiter fallenden Kursen.
Das spiegelt sich auch in der Zukunftserwartung wider. Wie in der Vorwoche liegt diese bei null und ist damit neutral. Nur jeder vierte Befragte rechnet in drei Monaten mit steigenden Kursen. Etwas mehr als ein Drittel erwartet fallende Kurse. Noch etwas mehr rechnen mit einer Seitwärtsbewegung. Es gibt also keine klare Marktmeinung, wie sich die Kurse entwickeln werden.
Die steigenden Kurse locken allerdings mehr Anleger an den Markt zurück: Jeder vierte Befragte gab an, in den kommenden Wochen Aktien kaufen zu wollen. Die Investitionsbereitschaft steigt dadurch von 1,6 auf 1,9. Das sind allerdings noch immer moderate Werte. Zu Hochzeiten lag dieser Wert bei fünf und höher.
Die anhaltende Skepsis ist auch daran zu erkennen, dass die Absicherungsneigung der Privatanlegerinnen und -anleger weiterhin vorhanden ist. Das entsprechende Euwax-Sentiment der Börse Stuttgart hat zwar nicht mehr die Extremwerte aus dem Monat März, aufgelöst werden die Positionen aber nicht.
Bei den institutionellen Anlegerinnen und Anlegern ist die Absicherungsneigung zuletzt sogar wieder gestiegen. Das sieht man daran, dass an der europäischen Terminbörse Eurex Absicherungskäufe von Put-Optionen hochgefahren werden. Das Put/Call-Verhältnis ist auf drei Prozent angestiegen, es werden deutlich mehr Puts gekauft als Calls. Ähnlich ist die Entwicklung in den USA.
Überraschend ist die Entwicklung des „Short Range Oscillators“ des US-Leitindexes S&P 500. Der Indikator bildet die aktuelle Stimmungslage am Markt ab und ist von unter minus vier auf plus 4,5 gestiegen. Nachdem also in der vergangenen Woche ein „überverkaufter“ Markt angezeigt worden ist – die Kurse waren also in kurzer Zeit zu weit gefallen –, wird nun ein „überkaufter“ Markt angezeigt. Der Indikator ist also von einem Extrem ins andere gewechselt.
„Die extrem schnelle Schwankung im Short Range Oscillator deutet darauf hin, dass Anleger in Hektik verfallen und auch kurzfristig ihre Positionierung ändern“, erklärt Heibel. Eine Erholung der Kurse in Form einer linearen, fulminanten Rally erwarte er daher nicht. „Die Erholung dürfte meiner Einschätzung nach noch nicht abgeschlossen sein, doch könnte sie immer wieder durch einige Tage der Verunsicherung unterbrochen werden.“
Hinter Erhebungen wie dem Dax-Sentiment mit mehr als 7000 Teilnehmern stehen zwei Annahmen: Wenn viele Anlegerinnen und Anleger optimistisch sind, haben sie bereits investiert. Dann bleiben nur wenige übrig, die noch kaufen und damit die Kurse in die Höhe treiben könnten. Umgekehrt gilt: Wenn die Anlegerinnen und Anleger pessimistisch sind, haben sie mehrheitlich nicht investiert. Dann können nur noch wenige verkaufen und damit die Kurse drücken.
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