Für viele Dax-Investoren sind die Verluste von 2022 offenbar noch so präsent, dass sie trotz aktueller Gewinne vorsichtig bleiben. Am US-Markt ist die Skepsis bereits in Angst umgeschlagen.
Düsseldorf Trotz einer beeindruckenden Rally seit mehr als fünf Monaten und trotz eines Kursgewinns von zwei Prozent in der vergangenen Woche: Anleger bleiben skeptisch. Das zeigen die aktuellen Daten der Handelsblattumfrage Dax-Sentiment.
Für den Experten Stephan Heibel steht nach Auswertung der Abstimmungsdaten fest: „Die Angst vor erneuten Kursverlusten nach dem schwachen Börsenjahr 2022 ist weiterhin präsent. Anders kann ich mir diese vorsichtige Haltung trotz der seit fünf Monaten guten Performance am Aktienmarkt nicht erklären.“
Auch andere Indikatoren wie das Euwax-Sentiment der Börse Stuttgart oder das Put/Call-Verhältnis der Frankfurter Terminbörse bestätigen diese große Vorsicht.
In den USA ist diese Skepsis bereits in Angst umgeschlagen. Die Zahl der Pessimisten, Bären genannt, ist fast doppelt so hoch wie die der Bullen, die steigende Kurse erwarten.
Fondsmanager haben jenseits des Atlantiks ihre Investitionsquote rasant reduziert, und viele Profis kaufen Put-Optionen, um sich gegen fallende Kurse abzusichern.
Aufmerksame Leserinnen und Leser von Sentimentanalysen wissen, dass solch ein Verhalten eher steigende Kurse signalisiert, weil, vereinfacht formuliert, viel Geld zum Einstieg vorhanden ist. „Diese Marktstimmung dürfte wie ein stabiles Sicherheitsnetz unter den Kursen jeglichen Verkaufsdruck sofort abfangen“, meint Heibel, allerdings mit einer Einschränkung: „wenn nichts überraschend Negatives passiert.“
Dafür hat Heibel auch ein Beispiel. Nach dem überraschenden Treffen von Bundeskanzler Olaf Scholz mit US-Präsident Joe Biden wäre eine Änderung im bislang chinafreundlichen Kurs der deutschen Politik sicherlich eine solch negative Überraschung.
Dennoch bleibt Heibel bei seiner Prognose der vergangenen Wochen: Weiterhin liegt das Überraschungspotenzial auf der Oberseite, sofern keine Meldungen die aktuellen Rahmenbedingungen ändern. „Der Dax dürfte weiterhin an Tagen ohne Meldungen nach oben laufen“, erläutert er. Dafür ist der heutige Montag ein gutes Beispiel, weil der Dax nur knapp ein neues Jahreshoch verpasste.
Die vergangene Handelswoche war nichts für schwache Nerven. Der Dax stieg zwar um zwei Prozent, testete aber in diesem Zeitraum seine Hochs und Tiefs zweimal. So dreht die Anlegerstimmung trotz der insgesamt guten Performance nur leicht ins Plus auf 0,5 Punkte. In der Vorwoche lag dieser Wert bei minus 0,3.
Die Anleger bleiben aber verunsichert. Nach einem Wert von minus 1,9 Punkten in der Vorwoche beträgt das Maß für Verunsicherung/Selbstzufriedenheit unter den Umfrageteilnehmern aktuell trotz guter Dax-Performance noch immer minus 1,2.
Auch die Zukunftserwartung bleibt pessimistisch. Der Wert rutschte mit minus 0,7 weiter ab. Vor einer Woche lag er bei minus 0,5. Offenbar verfestigt sich die Skepsis unter den Anlegern. Immer weniger glauben noch an steigende Kurse in drei Monaten. Die Investitionsbereitschaft ist auf plus 0,2 gefallen und liegt damit auf dem niedrigsten Stand seit über einem Jahr. Die Umfrageteilnehmer sind sich offenbar einig: Es wird schlimm enden!
Das Euwax-Sentiment der Börse Stuttgart, an der Privatanleger handeln, ist auf minus drei angestiegen. Dieser Indikator misst den Anteil von Call- und Put-Hebelprodukten in den Depots der Anleger. Bei einem Minuswert ist der Anteil der Puts höher, mit denen Anleger sich gegen fallende Kurse absichern. Bei einem Pluswert ist das Verhältnis umgekehrt.
Seit dem Tiefpunkt Anfang Februar bei minus 18 scheint der Bedarf an neuen Absicherungspositionen gegen fallende Kurse immer weiter abzunehmen. Das mag daran liegen, dass es in diesen fünf Wochen keinen großen Rücksetzer gab, um die Put-Produkte mit hohem Gewinn zu verkaufen. Entsprechend ist die Angst vor steigenden Notierungen gewachsen. Das würde Kursverluste bei Put-Produkten bedeuten.
Institutionelle Anleger, die sich über die Frankfurter Terminbörse Eurex absichern, haben ein Put/Call-Verhältnis von 1,5, was einem neutralen Verhältnis entspricht. Auch dort ist das Absicherungsniveau seit Februar rückläufig. In den USA ist das Put/Call-Verhältnis diese Woche kräftig gestiegen. Offensichtlich ist der Absicherungsbedarf in den USA noch nicht gedeckt.
Die Investitionsquote der US-Fondsmanager ist auf 47 Prozent gesunken, noch vor zwei Wochen waren US-Fondsmanager zu 81 Prozent investiert. Auch hier zeigt sich eine sehr defensive Verhaltensweise unter US-Anlegern.
Die Bulle/Bär-Differenz der US-Privatanleger bleibt im Minus. Der Anteil der Pessimisten, Bären genannt, liegt bei 45 Prozent. 23 Prozent der Befragten sind hingegen bullish gestimmt.
Der anhand technischer Marktdaten berechnete „Angst-und-Gier- Indikator“ der US-Märkte zeigt mit 54 Prozent eine neutrale Marktverfassung an. Andere eher kurzfristige technische Indikatoren stehen kurz davor, einen überverkauften Markt und damit eine Gegenbewegung Richtung Norden zu signalisieren. Diese Bewegung könnte bereits am Freitag begonnen haben.
Hinter Erhebungen wie dem Dax-Sentiment mit mehr als 7800 Teilnehmern stehen zwei Annahmen: Wenn viele Anlegerinnen und Anleger optimistisch sind, haben sie bereits investiert. Dann bleiben nur wenige übrig, die noch kaufen und damit die Kurse in die Höhe treiben können. Umgekehrt gilt: Wenn die Anlegerinnen und Anleger pessimistisch sind, haben sie mehrheitlich nicht investiert. Dann können nur noch wenige verkaufen und damit die Kurse drücken.
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