Die Stimmung unter heimischen Privatinvestoren ist historisch schlecht. Das muss für den Aktienmarkt aber keine schlechte Nachricht sein.
Bulle und Bär an der Frankfurter Börse
Die SVB-Pleite hat die Anlegerinnen und Anleger geschockt.
Bild: dpa
Düsseldorf Die Pleite der kalifornischen Silicon Valley Bank (SVB) hat die deutschen Anlegerinnen und Anleger geschockt. Die Anlegerstimmung (Sentiment) am deutschen Markt ist auf das niedrigste Niveau seit Jahresbeginn gefallen. Das zeigt die Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment unter fast 8000 Privatanlegern.
Die US-Bank war in der vergangenen Woche überraschend in die Pleite geschlittert. Am Freitag übernahm die US-Einlagensicherung FDIC die Kontrolle über das Institut, das zuvor auf der Liste der größten US-Banken auf Platz 16 stand und ein prominenter Start-up-Investor war. Am Wochenende gab die US-Regierung dann bekannt, die Guthaben der Bankkunden zu garantieren.
Die Handelsblatt-Umfrage ist bereits vor der Rettungsaktion der US-Regierung abgeschlossen gewesen. „Daher zeigt das Umfrageergebnis den Schockzustand der Finanzwelt sehr gut“, sagt Sentimentexperte Stephan Heibel, der die wöchentliche Umfrage für das Handelsblatt auswertet und um weitere Indikatoren ergänzt.
Die Anlegerstimmung ist von plus 0,5 auf minus 1,6 eingebrochen. „Das zeigt den Anflug von Angst und Panik vor einem Schockmoment wie bei der Lehman-Pleite, als der Staat nicht helfend eingeschritten war“, erklärt Heibel.
Damit ist die Anlegerstimmung auf den niedrigsten Stand seit dem 3. Januar gerutscht, allerdings fällt der Verlust noch vergleichsweise moderat aus. Schon zweimal gab das Sentiment in diesem Jahr stärker nach – wenn auch von einem deutlich höheren Niveau aus.
Allerdings macht sich auch große Verunsicherung breit. Der entsprechende Wert fiel von minus 1,2 auf minus 4,2. Das ist der stärkste Rückgang in diesem Jahr. Heibel erklärt sich das damit, dass die Verstrickung der SVB mit anderen Banken noch nicht vollständig abgeschätzt werden könne.
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Die Zukunftserwartung ist daher von minus 0,7 auf minus 1,6 zurückgegangen, den niedrigsten Wert seit Ende September des vergangenen Jahres, als die Aktienmärkte ihr Korrekturtief nach dem Beginn des Ukrainekriegs erreichten.
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Investitionsbereitschaft mit einem Wert von plus 0,1 auf einem extrem niedrigen Niveau verharrt.
Wobei gerade die äußerst pessimistische Erwartungshaltung der Umfrageteilnehmenden aus Sicht der Sentimenttheorie ein gutes Zeichen sein kann, erinnert Heibel: „Wenn viel Angst und Panik im Markt herrscht, gehen wir davon aus, dass alle Anleger bereits ihre Positionen verkauft haben und Absicherungspositionen eingegangen sind.“
Die Anleger seien also für fallende Kurse positioniert, stellt Heibel fest: „Tritt das negative Ereignis, eine Ausweitung der SVB-Pleite auf den Finanzsektor und dann gegebenenfalls auf die gesamte Wirtschaft, nicht ein, sind viele Anleger plötzlich falsch positioniert. Sie müssen ihre Absicherungspositionen eindecken, um die Verluste aus diesen Positionen zu begrenzen. Direkt anschließend müssen sie Aktien kaufen, wenn sie an der zu erwartenden Rally partizipieren wollen.“
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Dass der deutsche Leitindex Dax am Montag trotzdem noch weiter fällt, erklärt sich der Geschäftsführer des Analysehauses AnimusX mit den Nachwehen vom Freitag und dem Wochenende: „Am Montagmorgen haben Anleger verkauft, die erst am Wochenende von der Pleite erfahren haben und nun Angst vor weiteren Pleiten haben.“
Heibel, der auch einen Börsenbrief mit dem Namen Heibel-Ticker herausgibt, geht aber davon aus, dass sich die Kurse schnell stabilisieren: „Die Rettung der SVB durch die US-Regierung ist ein Segen für die Finanzmärkte. Denn nun sind weitere Zinserhöhungen unwahrscheinlicher geworden, beziehungsweise die Zinsschritte werden weniger und kleiner. Die Risiken sind sonst zu groß – das hat die SVB gezeigt.“
Denn durch die steigenden Zinsen verteuern sich Finanzierungen für Unternehmen. Die Start-up-Kunden der SVB brauchten deshalb ihre Einlagen deutlich schneller auf als gedacht. Um Gelder auszahlen zu können, musste die SVB schließlich Anleihen verkaufen, deren Kurse durch die gestiegenen Zinsen aber deutlich gefallen waren. Die Bank machte dadurch Verluste, die sich ausweiteten, als immer mehr Kunden ihre Gelder abzogen und einen „Bankrun“ auslösten.
Wenn nun aber durch die SVB-Pleite die Zinserwartungen sinken, verbessern sich auch wieder die Finanzierungsbedingungen für die Unternehmen, was sich positiv auf deren Gewinne auswirkt. Auch werden in der Zukunft liegende Gewinne weniger stark abgezinst, was die Bewertungen der Unternehmen stabilisiert.
Heibel sieht daher in dem Einschreiten der US-Regulierungsbehörden, den sinkenden Zinserwartungen und der schlechten Anlegerstimmung ein mögliches Einstiegssignal: „In den vergangenen 16 Jahren gab es nur sieben Wochen, in denen die Erwartungshaltung unserer Anleger so negativ war wie heute. Durchschnittlich ist der Dax in den zwei darauffolgenden Monaten um 11,4 Prozent gestiegen.“
Für Trader sei daher aktuell ein „guter Moment, um ‚long‘ zu gehen“ – also auf steigende Kurse zu setzen. In den sieben zurückliegenden Situationen, in denen die Stimmung ähnlich schlecht war, brach der Dax nur im April 2022 weiter ein.
Hinter Erhebungen wie dem Dax-Sentiment mit mehr als 7800 Teilnehmenden stehen zwei Annahmen: Wenn viele Anlegerinnen und Anleger optimistisch sind, haben sie bereits investiert. Dann bleiben nur wenige übrig, die noch kaufen und damit die Kurse in die Höhe treiben können. Umgekehrt gilt: Wenn die Anlegerinnen und Anleger pessimistisch sind, haben sie mehrheitlich nicht investiert. Dann können nur noch wenige verkaufen und damit die Kurse drücken.
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