Die deutschen Topmanager müssen sich auf neue Kampagnen der Hedgefonds einstellen. Profi-Anleger fürchten, dass die Konzerne nicht vorbereitet sind.
Graffiti-Künstler Justus „Cor“ Becker vor der Frankfurter Skyline
„Liebe ist größer als Geld“ nennt der Künstler sein Werk. Ethische Fragen werden auch für Investoren wichtiger.
Bild: dpa
Frankfurt Die deutschen Konzernlenker und Geschäftsführer wiegen sich zu sehr in Sicherheit, wenn es um den Einfluss aktivistischer Aktionäre geht. Das ist ein zentrales Ergebnis des jüngsten „Edelman Trust Barometer 2020“, das in einer Sonderveröffentlichung die Einschätzungen von 100 institutionellen Investoren in Deutschland einholt.
89 Prozent der Investoren glauben demnach, dass es im Zuge der Überwindung der Covid-19-Pandemie wieder zu mehr Kampagnen seitens der Aktivisten kommen wird. Und 92 Prozent denken, dass die Unternehmen auf solch eine Attacke nicht vorbereitet sind.
Aktivistische Aktionäre – oftmals sind es Hedgefonds – suchen nach Konzernen, die schlechter abschneiden als ihre Wettbewerber – etwa gemessen am Aktienkurs. Sie erwerben Minderheitsbeteiligungen und versuchen, beispielsweise über einen Sitz im Aufsichtsrat, Einfluss zu nehmen auf die Unternehmenspolitik.
„Da haben viele Unternehmen noch Hausaufgaben zu erledigen. Zumal auch die Neigung klassischer Investoren, aktiver zu werden, steigt und zudem auch mit mehr Kampagnen zu rechnen ist, wenn wir die Covid-19-Krise hinter uns lassen“, sagt Alexander Schmidt, Leiter Kapitalmarktkommunikation bei Edelman Deutschland.
Die Erhebung zeigt darüber hinaus, dass es eine Korrelation gibt zwischen der Einhaltung der ESG-Kriterien für ökologische und soziale Aspekte sowie einer guten Unternehmensführung und der Widerstandsfähigkeit gegen Krisen. Viele Investoren sagen, dass Firmen mit einer guten ESG-Performance eine Prämie bei der Bewertung verdienten.
Mittlerweile wollen 50 Prozent der Investoren sogar, dass die Vergütung der Topmanager an die Erreichung bestimmter ESG-Ziele geknüpft wird. „Die institutionellen Investoren wollen, dass die Nachhaltigkeitsdiskussion möglichst breit geführt wird. Sie haben erkannt, dass es auf Kosten von Umwelt und Gesellschaft keinen dauerhaften ökonomischen Erfolg geben kann“, meint Henrik Pontzen, Leiter ESG und Nachhaltigkeit im Portfoliomanagement von Union Investment.
Neben der Ökologie sind soziale Fragen während der Pandemie immer wichtiger geworden für die Investoren. „Das Soziale ist in den vergangenen Monaten stärker in den Fokus gerückt. Die Covid-19-Pandemie hat veranschaulicht, wo Probleme liegen. Die Grundannahme ist, dass Unternehmen dort am besten arbeiten können, wo es stabile Rahmenbedingungen gibt. Und dazu gehört für die Investoren eben auch soziale Stabilität“, sagt Schmidt.
Die Kapitalgeber erwarteten etwa, dass die Unternehmen eine ethisch einwandfreie Lieferkette sicherstellen. Das sei für 36 Prozent der deutschen Investoren die Top-Priorität noch vor der Maximierung der Gewinne. Zusätzlich sagen 98 Prozent der deutschen und immerhin 86 Prozent der internationalen institutionellen Investoren, dass sie sich potenzielle ESG-Risiken in der Lieferkette genauer anschauen, wenn sie ein Investment in Betracht ziehen.
Die Coronakrise habe sicherlich zu einer Re-Fokussierung auf Kernthemen der Geschäftstätigkeit geführt, sodass „weiche“ Faktoren wie ESG-Themen vorübergehend aus dem Blickfeld geraten seien, meint Lars-Gerrit Lüßmann, Partner bei der Kanzlei Taylor Wessing. Die Studie bestätige aber, dass alle Unternehmen und Marktteilnehmer mit einer weiter zunehmenden Relevanz dieser Themen zu rechnen hätten. An einer belastbaren ESG-Strategie führe für börsennotierte Unternehmen kein Weg mehr vorbei.
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