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30.10.2020

04:00

Weltspartag

Sparen in einer Welt ohne Zinsen: Auf diese drei Dinge kommt es dabei an

Von: Elisabeth Atzler, Anke Rezmer

Die Deutschen sind Sparweltmeister, zuletzt stieg die Sparquote nochmals. In einer Nullzinswelt müssen sie allerdings umdenken – und tun es auch schon.

Die Zeiten von hohen Zinsen auf dem Sparbuch sind vorbei. Sparkasse

Weltspartag in den 60er-Jahren

Die Zeiten von hohen Zinsen auf dem Sparbuch sind vorbei.

Frankfurt Beim Weltspartag vor einem Jahr hatte die Hamburger Sparkasse (Haspa), die größte Sparkasse im Land, einen besonderen Gast: Die Maus „Manni“, eine riesige graue Stoffmaus, zog als Sparkönig durch die Geschäftsstellen, um auch die Jüngsten zu animieren, ihre Euro zur Bank zu tragen. Dieses Jahr ist alles anders.

Manni ist wegen der Corona-Pandemie nur digital unterwegs, in Youtube-Videos. Immerhin: Alle Haspa-Filialen haben geöffnet, Kinder können ihre Ersparnisse wie gewohnt aufs Konto einzahlen. Um junge Kunden wirbt die Sparkasse mit ihrem Mäusekonto – auf dem es auch noch satte Zinsen gibt: Zwei Prozent für Einlagen bis zu 500 Euro. Einige andere Geldhäuser machen es ähnlich.

Doch das sind Ausnahmen. Strafzinsen für Spareinlagen sind auf dem Vormarsch und werden inzwischen auch im Zusammenhang mit Sparbüchern diskutiert. Und damit bekommt der Weltspartag mit seiner 95-jährigen Tradition ein weniger plüschiges Antlitz.

Allerdings ändert das nach Ansicht von Finanzexperten und Verbraucherschützern nichts an seinem Grundgedanken: dass Sparen ein Wert an sich ist. Anleger müssen das Thema nur in die heutige Nullzinswelt übertragen und intelligente Lösungen suchen. 

Annabel Oelmann, Leiterin der Verbraucherzentrale Bremen, erkennt im Weltspartag auch einen Erziehungsauftrag: „Eltern, Großeltern, Patentanten und -onkel können den Tag nutzen, um mit Kindern über das Sparen zu reden“, meint die Verbraucherschützerin. Kinder müssten das Prinzip lernen, heute auf etwas zu verzichten, um morgen etwas zu haben.

Worauf kommt es also in der heutigen Zeit an? Das Handelsblatt hat die wichtigsten Punkte zusammengestellt:

Sind Strafzinsen für Sparbücher erlaubt?

Negativzinsen für Sparbücher sind nach Einschätzung von Juristen nicht zulässig. Um sie einzuführen, müssten Banken mit Einwilligung der Kunden den Typ des Vertrags zwischen ihnen ändern, nicht nur einfach eine Klausel ergänzen.

Während also etliche Kreditinstitute für Tagesgeld- und Girokonten Strafzinsen nehmen, zahlen sie auf klassischen Sparbüchern – also Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist – noch einen Hauch von Zins: Der sogenannte Spareckzins, der durchschnittliche Zins für Sparbücher, liegt bei 0,001 Prozent. Sparbücher mit Negativzinsen hat der Finanzdienst FMH Finanzberatung bisher nicht registriert.

Daher könnte ein Sparbuch bei vermögenderen Kunden vielleicht attraktiver denn je werden. Tobias Tröger, Juraprofessor an der Frankfurter Goethe-Universität, erklärt dazu: „Beim Sparvertrag ist die Bank Darlehensnehmer und sollte dafür auch Zinsen zahlen.“ Der Kunde also ist der Darlehensgeber und erhält – positive – Zinsen. „Wenn eine Bank auf dem Sparbuch Negativzinsen berechnet, ist es kein Sparkonto mehr. Sie müsste den Vertrag mit dem Kunden in einen Verwahrvertrag umwandeln, was nicht so ohne Weiteres geht“, erklärt Tröger weiter.

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Verbraucherschützer argumentieren ähnlich: Sie führen ebenfalls den Vertragstyp des Sparbuchs als Darlehensvertrag an, was im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt ist (Paragraf 488 BGB).

„Das Darlehensrecht begründet im Wortlaut eine Zinszahlungspflicht des Darlehensnehmers, daher widersprechen Verwahrentgelte, oder umgangssprachlich auch Negativzinsen, dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung“, sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Anders verhält es sich laut Nauhauser bei täglich fälligen Einlagen wie Tagesgeld, für die ein Verwahrvertrag (nach Paragraf 700 BGB), ein anderer Vertragstyp also, zutrifft.

Auch die Lobbyverbände der Geldhäuser, der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) und der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR), verweisen darauf, dass Sparkonten nach verbreiteter Rechtsauffassung „nicht negativzinsfähig“ seien.

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Banken könnten aber Limits für Einzahlungen festlegen, sagt der DSGV. Sollten Geldhäuser auf Sparbüchern also keine Zinsen mehr zahlen, bleiben ihnen laut Juraprofessor Tröger zwei Möglichkeiten: „Entweder kündigen sie das Produkt und bieten ein neues mit Negativzinsen an. Oder sie versuchen, den Vertrag entsprechend zu ändern, was nur mit Zustimmung des Kunden möglich ist.“

Der Imageschaden gerade für die Sparkassen, die schließlich schon mit ihrem Namen für das Sparen stehen – wäre den Geldhäusern allerdings gewiss, meint Max Herbst, Chef von FMH. „Denn Sparer haben in der Regel eben keine Millionen auf ihren Konten – und Strafzinsen dort belasteten den Spargedanken“, findet er.

Wie effektiv sparen die Deutschen?

Gespart wird in Deutschland mehr denn je, allerdings auch weniger effektiv als zuvor. In der Unsicherheit der Corona-Pandemie verdoppelte sich die Sparquote zuletzt auf gut 20 Prozent – auf den mit großem Abstand höchsten Wert seit der deutschen Wiedervereinigung, wie Michael Stappel, Volkswirt bei der DZ Bank, errechnet hat.

Die Deutschen halten laut Bundesbank mit 2,7 Billionen Euro gut 40 Prozent ihres Finanzvermögens in bar oder auf Konten. Und durch den verpufften Sparzins haben sie seit 2010 gegenüber einem früheren Normalzinsniveau Zinseinbußen bei Einlagen von 386 Milliarden Euro verbucht, rechnete er aus.

Ein wenig Hoffnung auf Besserung gibt es: Die Deutschen haben der Bundesbank zufolge im ersten Halbjahr auch 24 Milliarden Euro in Aktien investiert, obwohl sie eigentlich als Aktien-Muffel gelten. Das ist so viel wie seit Ausbruch der Finanzmarktkrise nicht mehr.

Zinsen von beispielsweise 0,95 Prozent für Festgeld über ein Jahr machten zwar niemanden reich. dpa

Röntgenaufnahme eines Sparschweins

Zinsen von beispielsweise 0,95 Prozent für Festgeld über ein Jahr machten zwar niemanden reich.

Also beherzigen viele Deutsche offenbar doch die eigentliche Lektion des Weltspartags, wie Herbst sagt: Das Kapital klug aufteilen, nicht mehr als nötig auf Konten parken und den Rest je nach Anlagehorizont und Risikoneigung mit Aussichten auf Renditechancen am Kapitalmarkt anlegen. Dies könnte auch als Lehrstunde für Kinder und Jugendliche gestaltet werden, bemerkt Oelmann: Geld, das auf absehbare Zeit gebraucht wird, müsse sicher und ohne Wertschwankungen angelegt werden.

Doch auch hier ist es sinnvoll, in der Nullzinswelt zu differenzieren, sagt Herbst: Gestaffelt danach, wann Kapital gebraucht wird, sollte nur kurzfristig benötigtes Geld auf dem Tagesgeldkonto geparkt werden. Restliches Reservegeld könnte als Festgeld noch ein paar Euro Zinsen abwerfen. Zinsen von beispielsweise 0,95 Prozent für Festgeld über ein Jahr machten zwar niemanden reich, meint Herbst. Doch für viele fühlten sie sich besser an als gar keine Zinsen oder gar Strafzinsen, die Geldhäuser immer häufiger auch für kleine Sparsummen etwa auf Tagesgeldkonten verlangen.

Und wer längerfristig anlegt, so raten Finanzexperten einhellig, sollte in jedem Fall an eine Anlage in Aktien denken, die unter den klassischen Anlagearten auf Dauer die höchsten Renditen in Aussicht stellt.

Die Erklärung ist bekannt: Kaum oder nicht verzinste Spareinlagen bedeuten heute in jedem Fall ein sicheres Verlustrisiko, da das Kapital nicht über laufende Rendite gemehrt wird, sondern über die Zeit durch die Geldentwertung sogar real schrumpft.

Wann sind Aktien ein Muss?

So empfehlen Finanzexperten Anlegern mit einem Zeithorizont von zehn Jahren und mehr, in jedem Fall einen Teil ihres Geldes in Aktien oder Aktienfonds zu stecken. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass nach gut einer Dekade die Wahrscheinlichkeit für Verluste mit Aktien null wird. Das zeigt der Verband der börsennotierten Unternehmen, das Deutsche Aktieninstitut, für den deutschen Leitindex Dax über rollierende Zeiträume in den vergangenen fünfzig Jahren.

Einige Rechenbeispiele mit konservativen Renditeannahmen verdeutlichen große Unterschiede zwischen Sparverträgen und Aktiensparplänen.

Wer also monatlich 100 Euro in Aktien investiert und damit im Schnitt jährlich fünf Prozent Rendite erzielt – was vorsichtigen Schätzungen von Strategen für die kommenden Jahre entspricht – baut in 18 Jahren ein Kapital von 34.673 Euro auf. Das sind 46 Prozent mehr, als ein Sparvertrag mit einem Zins von einem Prozent brächte. In 25 Jahren erzielte ein Anleger sogar 72 Prozent mehr.

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Allerdings müssen die Anleger dann auch mit Aktien, Fonds oder ETF im Depot ruhig schlafen können: Nicht wenige Menschen, die höhere Summen auf Konten und einen kleinen Anteil in Aktienfonds hätten, beschäftigten sich emotional vor allem mit den Schwankungen ihrer kleinen Fondsanlage, erzählt Oelmann. „Über einen 50-Euro-Sparplan graue Haare zu bekommen ist die Sache vielleicht auch nicht wert.“

Anleger sollten sich genau überlegen, welche Schwankungen sie aushalten können und wollen – und danach den Aktienanteil bestimmen: Märkte brechen in Krisen der Erfahrung nach kurzfristig um bis zu 50 Prozent ein – wer aber nicht mehr als zehn Prozent Wertverlust verkraftet, könnte folglich zwanzig Prozent Aktien in seinem Depot halten und den Rest ohne Wertschwankungen anlegen.

Das könne davor bewahren, in Börsenturbulenzen die Nerven zu verlieren, rät Verbraucherschützer Nauhauser. Ein Sparplan mit je zur Hälfte Aktien und Anleihen brächte im Rechenbeispiel über 18 Jahre immerhin noch ein Viertel mehr Ertrag als ein Sparvertrag, über 25 Jahre sogar 40 Prozent mehr.

Wichtig ist zudem, auf Kosten zu achten – etwa für den Kauf von Wertpapieren, laufende Gebühren etwa fürs Depot oder Fonds. Denn diese nagen bekanntlich ebenfalls an der Rendite.

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