Ökostromanbieter kaufen in der Regel nicht Strom aus Wind oder Sonne, sondern preisgünstige Energie aus Wasserkraft in Skandinavien oder Österreich ein. Das Hamburger Unternehmen Lichtblick etwa bezog im vergangenen Jahr zu 70 Prozent Wasserkraft aus dem europäischen Ausland, nur 19 Prozent entfielen auf Sonne, Wind oder Biogas. Strom aus längst abgeschriebenen Wasserkraftwerken aber ist, anders als Strom aus Solaranlagen, auch ohne Subventionen wettbewerbsfähig. Es fällt den Ökostromanbietern daher nicht schwer, ihre grüne Energie ähnlich günstig anzubieten wie Kohle- oder Atomstrom.
Viele Ökostromanbieter machen es sich besonders leicht. Sie nutzen Zertifikate des europäischen Nachweissystems für Ökostrom, Renewable Energy Certificate System (RECS). Das System soll sicherstellen, dass der in Europa produzierte Ökostrom tatsächlich aus Anlagen mit erneuerbaren Energien stammt und er nicht mehrfach vermarktet wird.
Dieses Zertifikate-System sagt jedoch nichts darüber aus, ob die Stromkunden, mehr fürs Klima tun als andere Privathaushalte. Tatsächlich kauft der Ökostromanbieter Graustrom sowie RECS-Zertifikate eines Wasserkraftwerks in Skandinavien für derzeit 0,05 Cent je Kilowattstunde ein (siehe Infografik Seite 86). Da der Wasserstrom auch ohne Zertifikatekauf als Graustrom in den Handel gekommen wäre, wird der Anteil der erneuerbaren Energien am europäischen Strommix nicht erhöht. Diese Form des Ökostroms, der etwa zwei Drittel des Angebots an grüner Energie ausmacht, bleibt daher ohne positive Wirkung auf das Klima.
Nur eine Minderheit der Ökostromanbieter bedient sich nicht der RECS-Zertifikate, mit denen grauer Strom grün gewaschen wird. Sie kaufen stattdessen Strom aus Wasserkraft - ohne Umweg über die Strombörse - und verpflichten sich dazu, mit einem Teil ihrer Einnahmen den Bau neuer Wind- und Solaranlagen zu unterstützen. Beim Düsseldorfer Anbieter Naturstrom etwa sind dies 1,25 Cent je Kilowattstunde. Nur so sorgen Ökostromkunden dafür, dass der Anteil erneuerbarer Energien im Strommix steigt.
Der Schwellenländer-Trick: Nicht viel mehr als gut organisierter Etikettenschwindel ist in gut 50 Prozent der Fälle das System der Vereinten Nationen, für CO2-vermindernde Umweltprojekte zusätzliche Emissionsrechte zu verteilen. Die geförderten Projekte sind Teil des ab 2007 von 188 Staaten im Kyoto-Protokoll vereinbarten Clean Development Mechanism (CDM), der es Entwicklungs- und Schwellenländern ermöglichen soll, mit westlichem Know-how die Emission von Treibhausgasen zu vermeiden.
CDM ist eine Art globaler Ablasshandel: Industrie und Versorger können sich von CO2-Emissionen in Europa freikaufen, indem sie etwa Grubengas in China auffangen oder in Ägypten Windräder aufstellen. Dahinter steht die ökonomisch durchaus richtige Idee, dass ein investierter Euro, der chinesische Dreckschleudern deutlich effizienter macht, einen ungleich größeren positiven Klimaeffekt haben wird, als wenn dieser für eine minimale CO2-Minderung eines schwäbischen Kraftwerks ausgegeben würde.
In der Praxis führt das System zu absurdem Subventionsbetrug im Namen des Klimaschutzes. So stammt heute die Hälfte aller zusätzlichen Emissionsrechte aus CDM-Projekten, die HFC23 vernichten - eine Chemikalie, die bei der Herstellung eines Kühlmittels abfällt. HFC23 ist ein gefährlicher Klima-Killer, 12 000-mal schädlicher für die Atmosphäre als CO2.
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Kommentare (4)
Leertasche
06.09.2010, 10:34 Uhr
..."Spekulanten und Kriminelle..."
Der erste Schritt ist getan!
Es wird eben in dieser Sache Zeit, beide in einem Atemzug zu nennen!
Hoch lebe Europa! Hoch lebe der europäisch einheitliche Energiepreis für Strom, Öl und Kraftstoffe für industrie und Einzelabnehmer!
Öko-Freund
06.09.2010, 10:59 Uhr
Ein absolut polemischer und unsachlicher Artikel. Der Autor greift lediglich Vorurteile von Sachunkundigen auf. Wer einen solchen Artikel schreibt, hat das System des Emissionshandels offenbar nicht verstanden und sollte lieber über etwas schreiben, womit er sich auskennt. Dieser Artikel ist unter der Würde und dem Nieveau des Handelsblattes. Schade, dass der Autor eine ausgewogenen Darstellung nicht leisten kann.
Monaco
07.09.2010, 13:12 Uhr
Es ist zu begruessen, dass endlich das Thema angepackt wurde, deshalb meine Hochachtung.
Jetzt muss nur noch Licht in die anderen dunklen Seiten gebracht werden um die Massen aufzuklaeren.
Wie z.b. in Australien und schon wechselt die Politikerelite! in Europa wird es auch bald Licht werden!
Oeko-Freund scheint ein Politiker zu sein da er keine begruendungen gibt und polemisiert!
Herr Ermecke benennt wenigsten die physikalischen Grundlagen (Waermestrahlung/ boltzmann Konstante/ Planck) - ihr Einsatz ist sehr zu begruessen!
Sie erinnern mich an Richard Dawkins und seine Aufklaerungsarbeit bezueglich der Religionen!
Meine Stimme haben Sie.