Der neue Aufsichtsratschef Wynaendts dürfte auf die Leitung seiner ersten Hauptversammlung verzichten. Eine Satzungsänderung der Deutschen Bank macht das möglich.
Deutsche-Bank-Türme
Statt in der Festhalle dürfte das Geldhaus seine Aktionäre auch 2023 wieder allein auf dem Bildschirm begrüßen.
Bild: imago images/Future Image
Frankfurt Die Deutsche Bank verzichtet wohl auch im kommenden Jahr auf eine Hauptversammlung in Präsenz. Es gebe eine deutliche Präferenz für ein virtuelles Aktionärstreffen, erfuhr das Handelsblatt aus Finanzkreisen. Das Treffen werde außerdem aller Wahrscheinlichkeit nach nicht von Aufsichtsratschef Alexander Wynaendts geleitet, sondern von seinem Stellvertreter Norbert Winkeljohann. Ein Sprecher der Deutschen Bank sagte, zu beiden Fragen sei noch keine Entscheidung gefallen.
Sollte Aufsichtsratschef Wynaendts, der das Kontrollgremium der Deutschen Bank seit vergangenem Mai führt, tatsächlich auf die Versammlungsleitung verzichten, wäre dies für eine Hauptversammlung in Deutschland ein ungewöhnlicher Schritt. Das Institut hatte schon auf dem vergangenen Aktionärstreffen die Weichen gestellt, um einen solchen Schritt zu ermöglichen.
Die Aktionäre hatten damals eine Satzungsänderung abgesegnet, die es der Bank erlaubt, die Frage, wer die Hauptversammlung führt, „flexibler“ zu gestalten. Künftig soll der Vorsitzende „oder ein anderes“ von der Kapitalseite mehrheitlich gewähltes Aufsichtsratsmitglied die Versammlung leiten dürfen. Hintergrund dürfte die Sprache sein. Der Niederländer Wynaendts spricht zwar gut deutsch, doch womöglich nicht so fließend, wie es für die Leitung einer deutschen Hauptversammlung nötig wäre.
Als Ersatz drängt sich Wynaendts’ Vize Norbert Winkeljohann auf. Er war bereits unter Wynaendts’ Vorgänger Paul Achleitner als Ersatzkandidat für diese Aufgabe vorgesehen – für den Fall, dass Achleitner einmal ausgefallen wäre.
Eine Entscheidung gegen eine Vor-Ort-Hauptversammlung dürfte bei vielen Investoren für Enttäuschung sorgen. „Auch wenn die virtuelle Hauptversammlung der Deutschen Bank mustergültig war, bin ich ein klarer Fan von Präsenzveranstaltungen“, sagte der Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Klaus Nieding. Auch die Fondsgesellschaft Union Investment hatte sich in der Vergangenheit immer wieder für physische Aktionärstreffen ausgesprochen.
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Wie umstritten die Praxis ist, Hauptversammlungen auch künftig virtuell abzuhalten, zeigt ein Vorstoß des Aktionärsberaters ISS. Bislang rät der einflussreiche Stimmrechtsberater Investoren dazu, geplante Satzungsänderungen abzulehnen, die reine Online-Hauptversammlungen auch in den nächsten Jahren ermöglichen. Bis Ende August ist es für Aktiengesellschaften noch möglich, ohne Zustimmung der Anteilseigner rein virtuelle Hauptversammlungen einzuberufen. Danach ist dafür eine Satzungsänderung nötig.
Für Aufsichtsratschef Wynaendts ist die Gestaltung der nächsten Hauptversammlung nicht die einzige Bewährungsprobe. Der Niederländer muss in den nächsten Monaten auch über eine Vertragsverlängerung von Privatkundenvorstand Karl von Rohr entscheiden, der neben Finanzchef James von Moltke auch stellvertretender Vorstandsvorsitzender ist. Es gilt alles andere als ausgemacht, dass Wynaendts den im Herbst auslaufenden Vertrag von Rohrs verlängern wird.
Im Aufsichtsrat habe eine kritische Diskussion über diese Personalie begonnen, erfuhr das Handelsblatt aus Finanzkreisen. An anderer Stelle hieß es, Wynaendts sehe Karl von Rohr kritisch wegen dessen Rolle als Aufsichtsratschef der Deutsche-Bank-Tochter DWS. Zuerst hatte das „Manager Magazin“ darüber berichtet, dass von Rohrs Vertrag womöglich nicht verlängert wird.
Die Deutsche Bank teilte mit, sich nicht zu Vertragsverlängerungen für Vorstandsmitglieder zu äußern. „Wir weisen aber darauf hin, dass der Vorstandsvertrag von Karl von Rohr noch bis November 2023 läuft. Bei der Deutschen Bank ist die gängige Praxis, dass der Aufsichtsrat erst etwa ein halbes Jahr vor Ablauf über eine Verlängerung entscheidet.“
Von Rohr wird schlechtes Krisenmanagement im Umgang mit den Greenwashing-Anschuldigungen gegen die DWS vorgeworfen. Dass es Ende Mai eine Razzia bei der DWS und der Deutschen Bank wegen der Vorwürfe gab, sorgte innerhalb des Instituts für großen Unmut.
Den Abschied von DWS-Chef Asoka Wöhrmann verkündete von Rohr erst einen Tag nach der Razzia – und damit aus Sicht vieler Investoren zu spät. Von Rohr verteidigte sein Vorgehen dagegen im September in einem Handelsblatt-Interview. Er wies darauf hin, dass es auch Investoren gegeben habe, „die richtig fanden, wie wir das gehandhabt haben“.
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