Der Rückzug des US-Finanzinvestors zeigt, wie schwierig der Umbau der größten deutschen Privatbanken ist – und er macht dem Bund das Leben noch schwerer.
Deutsche Bank und Commerzbank in Frankfurt
Eine Fusion der beiden Geldhäuser rückt nach dem teilweisen Cerberus-Ausstieg in weite Ferne.
Bild: Bloomberg
Frankfurt Ein Bekenntnis zum deutschen Bankensektor sieht anders aus: Der US-Finanzinvestor Cerberus verkauft gut 46 Millionen Aktien von Deutscher Bank und Commerzbank, weil er offenbar nicht mehr an einen deutlichen Kursanstieg bei den Frankfurter Geldhäusern glaubt. Der Rückzug ist auch ein Eingeständnis, dass der Umbau der beiden größten deutschen Privatbanken schwieriger und langwieriger ist, als die Amerikaner dies bei ihrem Einstieg 2017 gedacht hatten.
Überlegungen von Cerberus, dem Bund seine Staatsbeteiligung an der Commerzbank abzukaufen, dürften sich nun ebenfalls erledigt haben. Nach dem Verkauf des Aktienpakets sei es illusorisch, dass der Finanzinvestor den Staatsanteil von 15,6 Prozent übernehme, sagte eine mit dem Thema vertraute Person dem Handelsblatt.
Im Herbst hatte Cerberus-Deutschlandchef David Knower Finanzkreisen zufolge in vertraulichen Gesprächsrunden noch seine Bereitschaft signalisiert, einen Erwerb des Staatsanteils an der Commerzbank zu prüfen, wenn die neue Bundesregierung zu einem Verkauf bereit sei.
Die FDP hat sich für einen Ausstieg des Bundes ausgesprochen, der seit der Rettung in der Finanzkrise 2008 an der Bank beteiligt und noch immer größter Aktionär ist. Mit dem Rückzug von Cerberus bricht Finanzminister Christian Lindner nun jedoch eine Verkaufsoption weg.
Die Liberalen haben angekündigt, den Status und die Fortschritte beim Umbau der Bank zu evaluieren und dann alle Optionen zu prüfen. Dazu zählt ein Verkauf der Commerzbank-Aktien über den Markt oder – im Rahmen eines Zusammenschlusses – an ein anderes Geldhaus. Insider rechnen mit einem Staatsausstieg jedoch frühestens in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode.
Bei der Commerzbank hat Cerberus wiederholt auf stärkere Kostensenkungen gedrängt und löste im Sommer 2020 mit einem Protestbrief die Rücktritte von CEO Martin Zielke und Aufsichtsratschef Stefan Schmittmann aus. Innerhalb des Geldhauses sind viele deshalb froh über den Rückzug des Fonds, der nach dem dreiköpfigen Höllenhund aus der griechischen Mythologie benannt ist.
„Ich sehe den Teilausstieg von Cerberus mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, sagte Verdi-Gewerkschaftssekretär Stefan Wittmann, der im Aufsichtsrat der Commerzbank sitzt, dem Handelsblatt. „Ich bin froh, dass diese Aktivisten, die uns ständig erzählen wollten, wie man eine deutsche Bank führt, künftig keine große Rolle mehr spielen. Auf der anderen Seite wissen wir nicht, wer die Anteile erwirbt – somit bleibt eine gewisse Unsicherheit.“
Die Debatte, ob und wann der Staat bei der Commerzbank aussteigt, sieht Wittmann entspannt. „Der Großaktionär Bund hat in den vergangenen Jahren keinen beruhigenden Einfluss auf die Bank gehabt – im Gegenteil: Es gab unter seiner Ägide immer wieder Strategiewechsel“, klagt der Gewerkschafter. „Wir müssen jetzt unsere Strategie umsetzen und die Commerzbank auf stabile Beine stellen – vorher kauft uns ohnehin niemand. Dann muss die Politik bewerten, ob sie auf Sicht einen selbstständigen deutschen Mittelstandsfinanzierer haben will oder nicht.“
Die Commerzbank und die Deutsche Bank wollten sich zum Teilausstieg von Cerberus nicht äußern. Vom Finanzinvestor selbst war keine Stellungnahme zu erhalten.
Cerberus hatte am Montagabend 21 Millionen Deutsche-Bank-Aktien und 25,3 Millionen Commerzbank-Papiere verkauft, wie die mit der Platzierung beauftragte Bank Morgan Stanley mitteilte. Der Anteil des Finanzinvestors an der Deutschen Bank sinkt damit von drei auf 1,99 Prozent, der an der Commerzbank von fünf auf 2,99 Prozent.
Die Aktien beider Geldhäuser gerieten daraufhin am Dienstag unter Druck. Papiere der Deutschen Bank gaben zeitweise mehr als zwei Prozent nach, Titel der Commerzbank mehr als vier Prozent.
Cerberus verkaufte die Anteile auch deshalb, weil die Kurse beider Institute zuletzt deutlich zugelegt hatten. Die Commerzbank-Aktie gewann allein seit Jahresbeginn mehr als 15 Prozent. „Es ist konsequent, die Position jetzt zu reduzieren und das Preisniveau mitzunehmen – auch wenn es unter dem Einstandskurs ist“, sagte ein Insider.
Da Cerberus seine Fonds zu Marktpreisen bewerte, seien Verluste schon zuvor verbucht worden. Verglichen mit den Einstiegskursen haben die Amerikaner bei den Verkäufen jedoch einen Verlust von rund 150 Millionen Euro gemacht.
Die Veräußerungen seien auch eine Portfoliobereinigung, weil Minderheitsbeteiligungen an Banken eigentlich nicht zum Ansatz von Cerberus passten, sagte der Insider. Der Finanzinvestor sei bei der Deutschen Bank und der Commerzbank 2017 auch wegen deren niedrigen Bewertungen eingestiegen. Mittlerweile setze sich jedoch bei Cerberus die Erkenntnis durch, dass beide Investments rückblickend gesehen kein cleverer Zug gewesen seien.
„Das war für Cerberus ein teures Lehrstück“, schrieb Volker Brühl, Geschäftsführer des Center for Financial Studies der Frankfurter Goethe-Universität, auf Twitter. Viele Beobachter hätten die Investitionen in beide Institute nie verstanden. „Für die Commerzbank bleibt die Unsicherheit, wie es weitergeht.“
Eine Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank ist nach Ansicht von Brühl mit dem Teilausstieg von Cerberus „endgültig vom Tisch“. Der Finanzinvestor hatte sich stets für Zusammenschlüsse starkgemacht und 2019 auch den Fusionsanlauf von Deutscher Bank und Commerzbank unterstützt. Am Ende kam der Zusammenschluss jedoch nicht zustande.
Nach Einschätzung von Andreas Thomae von Deka Investment war das Wirken von Cerberus für die Aktionäre von Deutscher Bank und Commerzbank positiv, „denn Cerberus war ein konstruktiv-aktivistischer Investor, der Druck in den Kessel gebracht hat und für entschlossenere Restrukturierungsschritte in beiden Häusern sorgte“.
Aufgrund des ungünstigen Einstiegszeitpunkts habe sich das Engagement für Cerberus selbst jedoch nicht gelohnt. Nun hätten die Amerikaner „die Chance gesehen, mit einem blauen Auge bei diesen beiden Investments davonzukommen“, betonte Thomae. Der Ausstieg habe zudem mit dem üblichen Zeithorizont eines Finanzinvestors zu tun.
Aus Sicht der Grünen-Finanzexpertin Lisa Paus zeigt der Rückzug, dass die angestrebte Modernisierung der Commerzbank nicht in der Geschwindigkeit passierte, die sich der US-Hedgefonds wünschte. „Die Commerzbank notiert bei weniger als 50 Prozent ihres Buchwerts und schafft es weiter nicht, ihre Kapitalkosten zu erwirtschaften“, moniert Paus. „Der Umbau der Bank muss also auch nach dem Ausstieg von Cerberus auf Basis einer klaren Strategie weitergehen.“
Der seit Anfang 2021 amtierende Commerzbank-Chef Manfred Knof will bis 2024 weltweit 10.000 Stellen streichen und in Deutschland 340 Filialen dichtmachen. Auf diese Weise will Knof eine Eigenkapitalrendite von sieben Prozent erreichen und damit die Grundlage für eine eigenständige Zukunft des 151 Jahre alten Geldhauses schaffen.
Die Deutsche Bank ist bei ihrem Umbau schon weiter und „sehr zuversichtlich“, 2022 eine Rendite von acht Prozent auf das materielle Eigenkapital zu erzielen. Investoren haben allerdings große Zweifel, ob das Geldhaus dieses Ziel erreichen wird.
Cerberus hatte 2017 jeweils rund 62 Millionen Aktien der beiden wichtigsten deutschen Geldhäuser gekauft. Beim Einstieg kosteten die Papiere der Deutschen Bank noch rund 15 Euro und die der Commerzbank rund elf Euro – und damit rund drei Euro mehr als heute.
Am Montag platzierte Morgan Stanley die Papiere der Deutschen Bank für 12,06 Euro je Aktie und die der Commerzbank für 7,50 Euro. Der Finanzinvestor nahm damit 443 Millionen Euro ein.
Experten halten weitere Verkäufe von Cerberus für wahrscheinlich. Laut Morgan Stanley hat sich der Finanzinvestor nämlich nur auf eine Frist von 45 Tagen festgelegt, in denen er keine weiteren Aktienpakete beider Banken auf den Markt werfen will. Üblich sind Haltefristen von mindestens drei Monaten.
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