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13.12.2022

15:39

Banken

Ex-Postbank-Aktionäre können wieder auf Nachzahlung hoffen – 700 Millionen Euro werden gefordert

Von: Laura de la Motte

Wurden die Kleinaktionäre bei der Postbank-Übernahme durch die Deutsche Bank übervorteilt? Der BGH sieht den Fall noch nicht endgültig geklärt und verweist das Verfahren zurück nach Köln.

Zwischen 2008 und 2015 wurde die Postbank von der Deutschen Bank vollständig übernommen. imago images/imagebroker

Postbank

Zwischen 2008 und 2015 wurde die Postbank von der Deutschen Bank vollständig übernommen.

Frankfurt Im Streit um Schadenersatz zwischen Altaktionären der Postbank und der Deutschen Bank ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Vor dem Oberlandesgericht (OLG) Köln hatte die Deutsche Bank zuletzt zwei Siege errungen. Doch die Aktionäre gingen vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Revision und haben nun neuen Grund zur Hoffnung. Für die Deutsche Bank liegt das Rechtsrisiko bei insgesamt 700 Millionen Euro plus Zinsen.

Der BGH sah Fehler in dem OLG-Urteil. Dass die Aktionäre tatsächlich keinen Anspruch auf Schadenersatz hätten, ist noch nicht sicher. Daher verwies der BGH die beiden Klagen zurück nach Köln. Das OLG muss sich nun zum dritten Mal mit den Nachforderungen der Anleger befassen. Denn der BGH hatte das Verfahren bereits in eine zweite Runde geschickt.
„Der BGH hat nun wesentlich deutlicher zu unseren Gunsten argumentiert als noch in der mündlichen Verhandlung im September“, freut sich Oliver Krauß, Anwalt der klagenden Gesellschaft Effecten-Spiegel. „Wir gehen sehr zuversichtlich in die neue Verhandlung vorm OLG.“

Die Deutsche Bank indessen gab sich gelassen: „Es bleibt bei unserer Rechtsauffassung, dass die Klagen unbegründet sind“, so ein Sprecher. Vor dem Oberlandesgericht werde man diese Auffassung weiter vertreten.

Die Postbank-Aktionäre werfen der Deutschen Bank vor, ihnen bei der Komplettübernahme der Postbank zu wenig Geld für ihre Aktien gezahlt zu haben. Laut Gesetz hat der Bieter die Kontrolle übernommen, wenn er mindestens 30 Prozent der Stimmrechte hält. Die Deutsche Bank hatte mit der Deutschen Post ursprünglich 2008 den Erwerb einer Minderheitsbeteiligung von 29,75 Prozent für 57,25 Euro je Aktie vereinbart – also knapp unter der Schwelle.

Schwer durchschaubares Geflecht an Übernahmevereinbarungen

Zwei Jahre später folgte das Übernahmeangebot an alle – allerdings erhielten die Aktionäre nur noch 25 Euro pro Anteilsschein. Die Gesellschaft Effecten-Spiegel klagte als Erstes, weitere Kleinaktionäre und institutionelle Investoren folgten. Sie werfen der Deutschen Bank vor, sie habe schon früher die Kontrolle bei der Postbank übernommen und hätte ihnen folglich ein Pflichtangebot zu ebenfalls 57,25 Euro machen müssen.

Die Übernahme war mit einem schwer durchschaubaren Geflecht von Vereinbarungen verbunden. Die Beurteilung dieser Frage ist daher hochkomplex. Der Vorsitzende BGH-Richter Manfred Born sagte bei der Urteilsverkündung, die entscheidende Vorschrift im Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz sei auch für erfahrene Kapitalmarktjuristen nicht einfach zu handhaben.

Das OLG muss sich nun unter anderem mit der Frage befassen, inwiefern die Postbank-Aktien der Deutschen Bank zuzurechnen sind, weil die Deutsche Post die Aktien damals zunächst „für Rechnung“ der Deutschen Bank gehalten hat. Hierbei kommt es darauf an, wer die Chancen und Risiken aus den Aktien trägt, also von einer möglichen Dividende profitieren würde. „ Die gebotene Gesamtbetrachtung (…) spricht (…) nicht gegen, sondern für den Übergang der Dividendenchance auf die Beklagte“, so der BGH.

Dr. Josef Hofschroer von der Kanzlei Greenberg Traurig, der den Prozess seit Jahren verfolgt, meint: „Dieser Punkt ist ein sehr deutlicher Hinweis des BGH.“ Noch 2014 haben die obersten Richter hier keine Zweifel gehabt. Im Rahmen der letzten Rückverweisung fand jedoch in der Zwischenzeit vor dem OLG eine umfassende weitere Beweisaufnahme statt, bei der unter anderem auch Zeugen wie Post-Chef Frank Appel angehört wurden. „Anscheinend sind dabei Fakten zutage getreten, die doch für eine Zurechnung sprechen, die das OLG aber in seinem Urteil nicht richtig ausgewertet hat“, erläutert Hofschroer. Dies muss es nun nachholen.

Deutsche Bank hat noch keine Rückstellungen gebildet

Auch an einem zweiten Aspekt äußerte der BGH Zweifel. Die Deutsche Bank und die Deutsche Post hatten sich darauf geeinigt, für die Zeit bis zum Übergang der Postbank an die Deutsche Bank den Status quo der Postbank aufrechtzuerhalten – sprich dass keine weitreichenden Geschäftsentscheidungen wie Kapitalerhöhungen oder Verkäufe vollzogen werden. Das OLG leitete daraus keine Zurechnung ab. „Ob eine Zurechnung (…) auch in einer Gesamtschau der vorgelegten Verträge zu verneinen ist, kann aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden“, so der BGH.

Insgesamt erscheint die Rückverweisung als „wenig erfreulich“ für die beklagte Deutsche Bank. Hofschroer sagt: „Der BGH hat deutliche Hinweise gegeben, dass die Kläger im Recht sein könnten.“

Für die Deutsche Bank steht viel auf dem Spiel. Insgesamt belaufen sich die Forderungen auf 700 Millionen Euro. Die Deutsche Bank hat diese bisher nur als Eventualverbindlichkeiten ausgewiesen, weil sie das Risiko zu verlieren für weniger wahrscheinlich hält. Ob das Institut nach der BGH-Entscheidung seine Risikoeinschätzung ändert und ergebniswirksame Rückstellungen bildet, wollte ein Sprecher auf Handelsblatt-Anfrage nicht kommentieren.

Egal, wie das Verfahren vor dem OLG nun entschieden wird, kann es auch ein drittes Mal zum BGH gehen. Anwalt Krauß unterstrich am Dienstag noch einmal seine grundsätzliche Bereitschaft, das Verfahren per Vergleich zu beenden.

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