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16.01.2019

18:48

Der Abstand zu den US-Gehältern wird größer. Photolibrary/Getty Images

Banker in London

Der Abstand zu den US-Gehältern wird größer.

Banken

Für europäische Investmentbanker sind die fetten Jahre vorbei

Von: Felix Holtermann, Astrid Dörner, Carsten Volkery

Brexit, Rezessionsangst und schwache Erträge machen sich in den Banketagen bemerkbar. 2019 müssen Investmentbanker auf Boni verzichten – oder gar gleich um ihren Job bangen.

Frankfurt, New York, London Die britischen EU-Skeptiker hatten es sich so schön ausgemalt: Das Volk spricht, und Britannien verlässt die ungeliebte Europäische Union – was neuen Handel, freie Finanzströme, mehr Wohlstand bringe. Auch manche Londoner Banker waren Verfechter dieser Idee. Entfesselt von kleinlichen EU-Regeln wollten sie Geschäfte machen, gestützt auf ihr weltweites Netzwerk. Den folgenden Aufschwung würden sie auch im eigenen Portemonnaie spüren, so die Hoffnung einiger Händler und Dealmaker.

Die Realität hat sie als Tagträumer entlarvt: Während im Parlament die nächste Brexitdebatte scheitert, brechen für die Banker angesichts schrumpfender Märkte und der Sorgen über einen chaotischen EU-Ausstieg schwierigere Zeiten an – mit sinkenden Boni und möglichen Entlassungswellen. Das gilt besonders für London – aber auch für andere Bankmetropolen wie Frankfurt.

Klar ist am Jahresbeginn 2019: Die fetten Jahre im Investmentbanking sind vorbei. Statt Hummer gibt es Donuts – wie die unter Bankern gefürchteten Nullrunden bei den Boni genannt werden. Die Prognosen sind düster. Die Personalberatung Options Group schätzt jährlich den Gehaltstopf der Finanzindustrie. Sie rechnet damit, dass die Ausschüttungen – sprich die Gehälter und die Boni –, die dieses Jahr für 2018 vorgenommen werden, weltweit um 0,6 Prozent schrumpfen.

Im Vorjahr gab es noch ein Plus von 1,0 Prozent. Heißt im Klartext: Viele Investmentbanker, lange die Spitzenverdiener der Wirtschaft, müssen den Gürtel enger schnallen. Nicht jeden Banker trifft es gleich hart. Im globalen Geschäft mit Börsengängen, Fusionen und Übernahmen steigen die Vergütungen immerhin noch – wenn auch nur um 0,3 Prozent, nach einem Plus von 10,0 Prozent im Vorjahr.

Auf den Handelsetagen dagegen müssen vor allem die Händler von festverzinslichen Anleihen, Währungen und Rohstoffen saftige Einbußen hinnehmen: Ihre Gehälter und Boni sinken im Schnitt um 2,6 Prozent. Anders sieht die Situation im Aktienhandel aus: Hier sollen die Vergütungen um 3,2 Prozent steigen. Die zuletzt volatileren Weltmärkte könnten den Händlern Zusatzeinnahmen bescheren.

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Depression in Europa

Tief sind die Gräben zwischen den Finanzzentren dies- und jenseits des Atlantiks: Während in den USA die Bezahlung im Schnitt nur um 0,4 Prozent sinkt, mit deutlichen Unterschieden zwischen den Banken, gehen sie in Europa, Arabien und Afrika mit 1,7 Prozent deutlicher zurück. Besonders im Beratungsgeschäft schlagen sich die Amerikaner besser: So steigen die Vergütungen hier um durchschnittlich 2,7 Prozent. Auf der anderen Seite des Atlantiks fallen sie um 5,3 Prozent.

Das Beratungsgeschäft mit Fusionen und Übernahmen (M&A) in Europa sei bis September ordentlich gelaufen, sagt ein Londoner Investmentbanker. Doch danach habe es kaum noch Deals gegeben. Gering fallen die Unterschiede im Handelsgeschäft aus: In Europa wie in den USA erwartet die Options Group für Händler von festverzinslichen Wertpapieren Rückgänge, beim Handel mit Aktien an beiden Orten Zuwächse.

Dass in New York mehr verdient wird als in London oder Frankfurt, ist nicht neu. Neu ist aber das Tempo, mit dem der Abstand wächst. Und die Aussichten in Europa verschlechtern sich rasant. Klar ist heute: London kann New York auf absehbare Zeit nicht mehr einholen, im Gegenteil.

Aus Angst vor einem harten Brexit, der sie von ihren europäischen Kunden abschneiden könnte, verlagern immer mehr Banken Geschäft auf den Kontinent“, erklärt Dirk Friederich, Partner und Headhunter bei der großen Personalberatung Boyden. „Erstmals geht auf Londoner Banketagen die Angst um – um den eigenen Job, zumindest aber um den eigenen Bonus.“

Immer öfter mache ein böses Wort die Runde: Ein „Donut“ stehe bevor, also eine komplette Streichung der Boni – und das bei einem Drittel der Londoner Banken, erklärt Friederich. Ein Londoner Investmentbanker, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, bestätigt die Einschätzung: Viele Banken nutzten den Brexit-bedingten Umzug, um Gehälter zu drücken. „Das Leben ist in vielen Städten auf dem Kontinent günstiger als in London“, sagt er.

Deshalb werde der Brexit dazu führen, dass die Vergütung geringer ausfällt. Auch der Londoner Personalberater Reto Jauch glaubt, dass auf der Personalseite Spielraum zum Kürzen ist. „Die Banken drücken die Vergütung selbst bei langjährigen Mitarbeitern, die ihre Ziele übererfüllt haben.“ Die Gehaltsentwicklung der vergangenen 25 Jahre sei einzigartig gewesen, jetzt stünden im Finanzsektor auf absehbare Zeit magere Jahre an.

Und das gelte nicht nur für London: Der Trend sei bei allen europäischen Instituten zu beobachten, so Jauch. Während Londoner Banken wie Barclays und HSBC mit dem bevorstehenden Brexit kämpfen und mit der Furcht vor einem globalen Konjunkturabschwung, der sich bereits in der Schwäche der Schwellenländer äußert, haben die Frankfurter Institute noch größere Probleme.

Deutsche Bank und Commerzbank leiden unter einer langjährigen Ertragsschwäche, was den Bonusspielraum weiter einschränkt. Gut bezahlt hat in der Vergangenheit immer noch die Deutsche Bank. 2017 hatte sie trotz eines Jahresverlusts noch rund 2,2 Milliarden Euro an leistungsabhängigen Boni verteilt. Damit ist nun Schluss. Wie vergangene Woche bekannt wurde, hat sich der Vorstand entschlossen, die Prämien im Vergleich zum Vorjahr deutlich zu kürzen.

Mehr als zehn Prozent könnte es nach unten gehen, in einzelnen Bereichen noch deutlich stärker. Auch die Spreizung zwischen guten und weniger guten Mitarbeitern dürfte zunehmen. Die endgültige Bonussumme dürfte unter zwei Milliarden Euro liegen, weniger schüttete die Bank nur im Problemjahr 2016 aus.

Geteilte Welt in den USA

Während in Europa der Rotstift agiert, gibt es auf der anderen Seite des Atlantiks immer noch viele Institute, die sehr gut bezahlen. So wird die größte US-Bank JP Morgan Chase den Bonuspool um drei Prozent anheben, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Vor allem Aktienhändler und M&A-Spezialisten würden stark davon profitieren.

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Auch Goldman Sachs und Morgan Stanley könnten ihren Bonuspool um rund drei Prozent anheben, berichtet die „Financial Times“. Goldman kämpft zwar mit einem Korruptionsskandal rund um den malaysischen Staatsfonds 1MDB. Doch Branchenkenner gehen davon aus, dass sich der Skandal nicht auf die Boni für das Jahr 2018 auswirken wird.

Grundsätzlich sind viele US-Geldhäuser einfach besser im Geschäft – so waren die Wall-Street-Banken an deutlich mehr Deals beteiligt als ihre europäischen Pendants. Und noch ein weiterer Faktor macht die US-Banker zu den Topverdienern: „In den USA teilen sich schlicht weniger Banker den Bonuskuchen auf“, erklärt Andreas Halin, Partner und Headhunter bei Global Mind. „

Die US-Banken haben in den letzten Jahren einen viel härteren Schnitt gemacht und teilweise einen zweistelligen Prozentsatz ihrer Mitarbeiter vor die Tür gesetzt.“ Getroffen habe das vor allem ältere, hochbezahlte Banker und solche mit geringerer Leistung. Für die verbliebenen Händler und Berater, insbesondere für junge Talente, bleibt nun in New York mehr Geld übrig.

Doch selbst in den USA hat das zuletzt volatile Umfeld auf dem Weltmarkt zu ersten Bremsspuren geführt. Besonders deutlich zeigt sich das bei der Citigroup. Citi musste einräumen, wegen schwacher Erträge vor allem im Anleihehandel die selbst gesetzten Sparziele nicht einhalten zu können. Branchenkennern zufolge könnte sich das auch auf die Bonuszahlungen für das vergangene Jahr auswirken.

Klar ist sowohl in den USA als auch in Europa: Selbst nach den Kürzungsrunden in diesem Jahr bleiben Händler und Berater in den großen Investmentbanken in London, New York und Frankfurt immer noch Topverdiener. Im Handelsgeschäft verdienen Händler vier Jahre nach dem Berufseinstieg inklusive Bonus leicht 180 000 Euro. Die Chefs eines Handelsdesks kommen auf eine Gesamtvergütung von einer halben Million Euro. Und nach oben sind oft immer noch kaum Grenzen gesetzt.

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