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06.12.2022

13:15

Banken

Genossenschaftsbanken gründen Firma zur Auswertung von Kundendaten – Ringen mit Datenschützern

Von: Elisabeth Atzler

Die Finanzgruppe der Volks- und Raiffeisenbanken investiert Millionen in ein Datenunternehmen. Doch der Nutzen von Big Data für die Branche ist noch nicht geklärt – so wie manche Rechtsfrage.

Tochterfirmen des genossenschaftlichen Spitzeninstituts DZ Bank investieren in eine neue Firma, die Kundendaten der Volks- und Raiffeisenbanken besser auswerten soll. dpa

DZ Bank in Frankfurt

Tochterfirmen des genossenschaftlichen Spitzeninstituts DZ Bank investieren in eine neue Firma, die Kundendaten der Volks- und Raiffeisenbanken besser auswerten soll.

Frankfurt Angesichts von mehr Onlinebanking und weniger Filialbesuchen springen die Genossenschaftsbanken auf den Trend zu datengetriebener Kundenansprache auf und gründen eine eigene Datenfirma. Mehrere Unternehmen, die zum genossenschaftlichen Spitzeninstitut DZ Bank gehören, und der IT-Dienstleister Atruvia investieren nach eigenen Angaben aktuell mehr als 20 Millionen Euro. Gegründet wurde die Firma, deren Name die Eigentümer zu einem späteren Zeitpunkt preisgeben, am heutigen Dienstag.

Laut Hans Joachim Reinke, Chef der genossenschaftlichen Fondsgesellschaft Union Investment, ist die Kernidee, „dass wir auf intelligente Weise im Dialog mit den Kunden bleiben, zunehmend digital“. Derzeit wickeln bei den Volks- und Raiffeisenbanken etwa 40 Prozent der rund 30 Millionen Kundinnen und Kunden mit Girokonto ihre Bankgeschäfte online ab. Ziel sei es, den Vertrieb noch mehr am Bedarf der Kunden auszurichten.

Union Investment ist eine Tochter der DZ Bank und steckt auch selbst Geld in das neue Unternehmen. Die Bausparkasse Schwäbisch Hall und die R+V Versicherung gehören ebenfalls zu den Investoren. Mehr als die Hälfte der über 700 Volks- und Raiffeisenbanken wollen nun die Dienstleistungen der neuen Firma nutzen.

Einige deutsche Geldhäuser werten bereits Zahlungsverkehrsdaten aus. Auch in anderen Branchen evaluieren Unternehmen individuelle Präferenzen ihrer Kunden mithilfe der Analyse großer Datenmengen, im Fachjargon „Big Data“ genannt. Dabei werden beispielsweise aus einem Kundenbestand gezielt Personen für bestimmte Werbemaßnahmen herausgefiltert.

Anders als ihre Wettbewerber sucht die genossenschaftliche Finanzgruppe mit ihrem „Smart-Data-Projekt“ die Öffentlichkeit. Und sie muss sich öffentlicher Kritik stellen: Im September hatte die niedersächsische Landesdatenschutzbeauftragte Barbara Thiel 90 Genossenschaftsbanken gewarnt, Kundenprofile für Werbezwecke zu erstellen. Zuvor hatte die Behörde eine Pilotbank überprüft, die sogenannte Smart-Data-Verfahren testet.

Sammlung mancher Daten als rechtswidrig kritisiert

Der Behörde zufolge wurden für die Berechnung, ob jemand Interesse an einem Ratenkredit hat, Zahlungsverkehrsdaten und Daten externer Dienstleister zum Wohnumfeld genutzt. Ihrer Einschätzung nach ist diese Datenverarbeitung rechtswidrig. Sie könne „weder über eine Abwägung der Interessen von Bank und betroffener Person noch über die verwendeten Einwilligungsformulare gerechtfertigt werden“.

Das Berliner Pendant teilt die Bedenken. „Wir werden diese Thematik im Rahmen unserer Zuständigkeit für die in Berlin ansässigen Kreditinstitute genauer prüfen“, erklärte die Datenschutzbeauftragte auf Anfrage. Der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) führt nach eigenen Angaben „einen konstruktiven Dialog“ mit den Datenschutzaufsichtsbehörden. „Die Gespräche sind noch nicht abgeschlossen.“

Für die gerade gegründete Gesellschaft ist das wichtig: „Erst wenn dieses Thema gelöst ist, können wir das volle Potenzial angehen“, sagt Ulrich Coenen, Co-Vorstandssprecher von Atruvia. „Der technische Fortschritt ermöglicht eine bessere Produktanpassung an die Kundenwünsche. Inwieweit bisher akzeptierte Rechtsgrundlagen deswegen ebenfalls erweitert werden müssen, ist umstritten“, sagt Coenen. So nutze auch die neue Firma einige Methoden der Datenmodellierung, über die die genossenschaftliche Finanzgruppe mit den Datenschützern diskutiert.

„Aus unserer Sicht können wir die Daten sammeln und auswerten, wenn wir den Kunden erklären, wofür wir die Daten erheben und welchen Vorteil wir für die Kunden sehen. Das entspricht unserer Meinung nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)“, erklärt der Atruvia-Manager die Position der genossenschaftlichen Finanzgruppe.

Nutzen für Banken und Kunden fraglich

Beobachtern zufolge weichen die datenschutzrechtlichen Einschätzungen in einigen Bundesländern voneinander ab. „Es gibt noch offene Fragen, welche Daten die Banken bei der Profilbildung von Kunden genau in welcher Form verwenden dürfen“, meint Marc Buermeyer, Partner der Beratungsfirma Zeb und Experte für Kundenorientierung im Privatkundengeschäft. „Da beurteilen verschiedene Landesdatenschützer bestimmte Fragen unterschiedlich.“

Zu den Geldhäusern, die bereits Zahlungsverkehrsdaten von Kunden analysieren und verarbeiten, zählt die Commerzbank. Dies geschehe nur dann, wenn Kunden zuvor ihre Einwilligung dazu erteilt hätten, erklärt die Bank. Bereits 2015 habe es diesbezüglich eine Abstimmung mit der zuständigen Datenschutzbehörde in Hessen gegeben. Seit der Anwendung der DSGVO im Jahr 2018 habe die Bank weiterhin keine Anhaltspunkte oder Beschwerden erhalten, die gegen dieses Verfahren sprächen.

Auch die Deutsche Bank teilt mit, alle datenschutzrechtlichen Vorgaben einzuhalten, wenn sie Kunden anlassbezogen individuell anspreche. Konkret bedeute das entsprechende Kundeneinwilligungen beispielsweise mit Blick auf die Auswertung von Transaktionsdaten. Die Sparkassen, Marktführer im Privatkundengeschäft, nutzen laut Lobbyverband DSGV ebenfalls Kundendaten für vertriebliche Zwecke, denen Kunden zugestimmt haben. „Es wurde frühzeitig innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe ein DSGVO-konformes Vorgehen etabliert.“

Die Entwicklung hin zu mehr Datenauswertung durch Banken laufe, stehe aber noch am Anfang, sagt Joachim-Paul Hasebrook, Professor an der Steinbeis-Hochschule Berlin und Forschungsleiter an der Zeb Business School. Auch der Erfolg ist derzeit fraglich: Es sei unklar, inwiefern die Kundenansprache durch eine breite Datenauswertung tatsächlich besser werde als das klassische Angebot durch Berater, sagt er.

„Im Fall neuer Kreditangebote, zum Beispiel des Angebots von Umschuldungen, gibt es Vorteile für Kunden wie Banken. Aber für einen umfassenden Vergleich fehlen bislang entsprechende Ergebnisse, die man gegeneinanderstellen könnte.“

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